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Politicks Dezember 2012

| 26. November 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 88, Politicks

Reformpartner – Verschnaufpause durch Graz-Wahl
Der Grazer Wahlkampf bescherte den steirischen Reformpartnern eine kleine Verschnaufpause. Denn weder Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) noch LH-Vize Hermann Schützenhöfer (ÖVP) wollen schuld sein, falls es für SPÖ und ÖVP nicht so läuft, wie sie es sich für ihre Parteien erhoffen. Längst ist klar, dass die Reformpartner ihr wichtigstes gemeinsames Ziel, die nachhaltige Sanierung des Landeshaushaltes, nur erreichen können, wenn sie auch die eigenen Klientelen einbeziehen. Und so gingen die Einschnitte im Sozialbereich eher zulasten der SPÖ-Kundschaft, die Nulllohnrunden im Landesdienst und im Spitalsbereich trafen dafür eher die Schwarzen. Und das Landesbudget für 2013 und 2014 zeigt, dass der eingeschlagene Weg richtig ist, denn zahlreiche strukturelle Defizitquellen konnten beseitigt und dadurch Hunderte Millionen an Ausgaben verhindert werden.

Gemeindereform – Lebensmittelpunkt und Gemeindegrenzen klaffen auseinander
Die Reformpartner haben sich auch eine Strukturreform für die Gemeinden zum Ziel gesetzt. Die fortschreitende Mobilität hat dazu geführt, dass sich der Lebensmittelpunkt der meisten auf dem Land lebenden Steirer längst nicht mehr mit den historischen Gemeindegrenzen deckt. Dass die betroffenen Bürgermeister keine Freude damit haben können, wenn ihnen ausgerechnet ihre Parteichefs die persönliche Karriere- und Lebensplanung zerstören, liegt auf der Hand. Und damit waren die Fronten im Kampf um die Gemeindestrukturreform von Anfang an klar. Nicht zuletzt aufgrund dieser persönlichen Perspektivenlosigkeit waren nur wenige Bürgermeister dazu bereit, sich ernsthaft mit den Chancen und Risiken einer Neuordnung der Gemeinden auseinanderzusetzen. Stattdessen wurden ablehnende Gemeinderatsbeschlüsse gefasst und in der Bevölkerung Stimmung gegen das Land gemacht.

Reformpartner – »Negative Ausgewogenheit«
Was von den Bürgerbefragungen auf Gemeindeebene zu halten ist, hat kürzlich ein Bürgermeister wie folgt kommentiert: „ Wenn ich es nicht schaffe, dass die Bürger bei einer solchen Befragung so abstimmen, wie ich es will, dann wäre ich gar nie zum Bürgermeister gewählt worden!“ Das Regierungsduo Franz Voves und Hermann Schützenhöfer weiß, dass es seine Rolle als Schutzmantelmadonna für die Bürgermeister nur aufgeben kann, wenn auch für die Gemeindestrukturreform gilt, was schon bei den Reformen in der Landesverwaltung, im Sozialbereich oder bei den Lohnverhandlungen mit den Beamten gegolten hat: Die subjektiv negativen Auswirkungen für die Reformverlierer müssen gleich auf SPÖ- und ÖVP-Bürgermeister aufgeteilt werden. Im Klartext heißt das, dass sehr viel daran hängen wird, ob es gelingen wird, die sich überwiegend in der Hand der SPÖ befindenden Grazer Umlandgemeinden mit Graz zu fusionieren. Nur dann kann etwa Schützenhöfer dem Widerstand der eigenen Parteibasis gegen geplante Zwangsfusionen von ÖVP-Gemeinden standhalten.

Gemeindereform – Existenzängste bei Bürgermeistern
Wie man so hört, soll es nach der Reform rund 150 Gemeinden weniger geben. Das sind 150 Bürgermeister mit weit über 1.000 Gemeindebediensteten, die Angst um ihren bisherigen sozialen und finanziellen Status haben. Der Satz „Was für das Land gut ist, kann nicht schlecht für die Partei sein“ gehört längst zum Standard-Repertoire von Hermann Schützenhöfer. Doch was hilft er einem heute 40-jährigen Bürgermeister, der durch die Gemeindestrukturreform Gefahr läuft, politisch, gesellschaftlich und in einigen Fällen sogar finanziell abzustürzen. Um die Reform erfolgreich über die Bühne zu bringen, muss für dieses Problem dringend eine Lösung gefunden werden.

Graz-Wahl: Wer wird Zweiter?
Dass die ÖVP unter Bürgermeister Siegfried Nagl die Grazer Gemeinderatswahl bereits für sich entschieden hat, wird kaum in Zweifel gezogen. Umfragen sehen für die Volkspartei ein Ergebnis zwischen 35 und 40 Prozent. Damit ist der erste Platz vergeben. Viel spannender sind somit die Kämpfe um den zweiten Platz und um die Verteilung der sieben Grazer Stadtsenatssitze.
Derzeit sehen die unterschiedlichen Umfragen entweder Martina Schröck und die SPÖ (derzeit 19,8 Prozent), Mario Eustacchio und seine FPÖ (derzeit 10,8 Prozent) oder sogar die KPÖ mit ihrer Spitzenkandidatin Elke Kahr (derzeit 11,2 Prozent) auf Platz 2. Dass auch die Grünen – sie haben 2008 immerhin 14,8 Prozent der Stimmen erreicht – mit Vizebürgermeisterin Lisa Rücker in diesem Rennen mitmischen könnten, wird zwar in Zweifel gezogen, doch Analysen der letzten Wahlgänge zeigen, dass ungefähr 30 Prozent derjenigen, die zur Wahl gehen, ihre Entscheidung erst in den letzten 48 Stunden treffen.
Graz-Wahl: ÖVP-Kandidaten brauchen 300 Vorzugstimmen
Die besten Karten im Kampf um die Mobilisierung der eigenen Basis hat wieder einmal Siegfried Nagl. Das ÖVP-Vorzugsstimmenmodell sieht nämlich für jeden Kandidaten, der 300 Vorzugsstimmen erreicht, die Vorreihung auf einen fixen Listenplatz vor. Eine Hürde, die schwierig aber dennoch zu nehmen ist. Und so führen derzeit zahlreiche ÖVP-Kandidaten ihren eigenen Zielgruppenwahlkampf, veranstalten Partys, verschicken Briefe oder schalten Inserate.

Graz-Wahl: Für Martina Schröck geht es um alles!
Für Martina Schröck von der SPÖ geht es bei der Gemeinderatswahl um das politische Überleben. Die Partei wird einen Sitz im Stadtsenat verlieren und wenn Schröck das Ergebnis von 2008 deutlich verfehlt, wird sich die Partei wohl schon wieder einen neuen Vorsitzenden suchen müssen. Das SPÖ-Wahlprogramm ist so pragmatisch, dass es auch Teil der inhaltlichen Arbeit aller anderen Wahlwerber sein könnte. Wer immer Martina Schröck dazu geraten hat, als Herausforderin einen Wahlkampf ohne Ecken und Kanten zu führen, der will ganz sicher nicht ihr Bestes.

Graz-Wahl: FPÖ fischt mit differenzierter Zielgruppenansprache im ÖVP-Teich
Die FPÖ wird in den Umfragen zwischen 14 und 18 Prozent gehandelt. Spitzenkandidat Mario Eustacchio setzt auf eine differenzierte Zielgruppenansprache. In den Massenwerbemitteln präsentiert sich der FPÖ-Spitzenkandidat etwa mit der Forderung nach einer grünen Welle und mehr Sicherheit als moderate bürgerliche Alternative zu Siegfried Nagl und schielt damit offensichtlich auf jene ÖVP-Wähler des Jahres 2008, die Nagl die Koalition mit den Grünen nicht verziehen haben. In der Kommunikation mit der FPÖ-Basis stehen die bekannt deftigen FPÖ-Themen im Vordergrund. Da geht es um die Ablehnung von Moscheen, um Asylmissbrauch und um das angebliche Sicherheitsrisiko durch kriminelle Zuwanderer. Dass sich die ÖVP das Fischen in ihrem Teich nicht gefallen lassen will, ist auch klar, und so hat deren Geschäftsführer Bernd Schönegger rechtzeitig vor der Wahl jene vermeintlichen Schlägerexzesse aus Eustacchios Jugend thematisiert, die dieser  als „hormongesteuerte Dummheiten“ seiner Jugendzeit bezeichnet hatte. Eustacchio spricht von „Dirty Campaigning“ der ÖVP, weil sie offensichtlich Angst vor ihm habe.
Graz-Wahl: KPÖ-Wahlkampf läuft gut!
Das Wahlziel der KPÖ-Spitzenkandidatin Elke Kahr ist die Verteidigung ihres Stadtsenatssitzes. Geht es nach den Umfragen, wird sich das locker ausgehen. Die Grazer Kommunisten  setzen auf altbewährte Themen und führen ihren gewohnt glaubwürdigen Wahlkampf rund um die Wohnungsproblematik und Sozialabbau. Angesichts der schwammigen inhaltlichen Ausrichtung der SPÖ gilt die KPÖ ohnehin längst als die eigentliche soziale Gerechtigkeitspartei in der steirischen Landeshauptstadt. Dass es sich dabei um eine kommunistische Partei sowjetischer Prägung handelt, spielt über 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs längst keine Rolle mehr.

Graz-Wahl: Die Grünen als Opfer ihres Erfolgs!
Besonders ungerecht geht das Schicksal derzeit mit den Grünen um. Lisa Rücker konnte den Großteil ihrer Themen in der Koalition mit der ÖVP zwar erfolgreich umsetzen, steht aber nun dennoch ziemlich isoliert – ohne echte Chance, ihren Vizebürgermeistersessel zu verteidigen – da. Ob die grünen Erfolge in der schwarz-grünen Zweckgemeinschaft ausreichen, damit die Wähler von 2008 abermals für Lisa Rücker stimmen, ist – zumindest nach den Umfragen – eher unwahrscheinlich. Einen Hoffnungsschimmer für eine weiterhin so aktive Rolle in der Grazer Politik sieht die grüne Spitzenkandidatin in einer rot-rot-grünen Mehrheit im nächsten Gemeinderat. Aber da ist wohl der Wunsch der Vater des Gedankens.

Graz-Wahl: Schafft das BZÖ den Wiedereinzug?
Um das politische Überleben kämpft auch das BZÖ, das mit Gerald Grosz und Georg Schröck derzeit zwei Gemeinderatsmandate hält. Der Wiedereinzug des BZÖ mit zumindest einem Mandat in den Gemeinderat ist, obwohl aus den Umfragen aufgrund der statistischen Schwankungsbreiten nicht klar ableitbar, zumindest möglich. Daneben kandidieren auch noch die Piratenpartei, die Christliche Partei Österreichs, „Das Einsparkraftwerk“, „WIR Wähler“ und die „Betty-Baloo-Bande“. Um in den Gemeinderat einzuziehen, sind etwa 2500 Stimmen notwendig. Für die Piratenpartei kann sich das unter Umständen ausgehen, für die anderen Nischengruppierungen, Protestbewegungen  und Spaßlisten wohl eher nicht.

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Politicks, Fazit 88 (Dezember 2012)

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