Kunst. Von der Freiheit, Geld zu verdienen
Michael Thurm | 26. Juni 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 94, Fazitthema, Kunst und Kultur
Kunst kostet Geld. Und kann mitunter viel Geld bringen. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen lässt sich bei Kunst und Kultur aber nur selten eine direkte Beziehung zwischen Investition und Gewinn, Budget und Qualität oder Preis und Nachfrage herstellen.
Von Michael Thurm
Mitarbeit: Lars Woremte
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Kunst ohne Geld gibt es nicht. Mit ihr wird spekuliert wie mit Aktien, Künstler werden von Agenturen vermittelt, Intendanten wie Fußballspieler verpflichtet. Immer häufiger wird auch das Geld selbst Teil der Kunst. Sie als Wirtschaftszweig zu klassifizieren ist ein problematischer Schritt, weil Kunst ja immer auch mehr sein soll als bloße Konsumbefriedigung. Die Verbindung zwischen schöner Muße und schnödem Mammon ist heute aber unvermeidlich.
Die britische Künstlerin Justine Smith zum Beispiel nutzt Geldscheine als Material für ihre Collagen. So entstehen Landkarten und Waffen. Der Schweizer Ian Anüll presste Banknoten in Form einer Kerze und lud so zur Geldverbrennung ein. Für 2.500 Euro hätte man sich dieses Exponat auch gleich kaufen können. Jota Castro hängte 2009 Galgenstricke aus Dollarnoten in einem Raum auf. All das ist längst kein Aufreger mehr. Ausstellungen, die sich ganz explizit mit dem Thema Geld und Kunst befassen, finden längst in regelmäßigen Abständen wohl eingebettet in den alltäglichen Kulturbetrieb statt. Beim steirischen herbst sind heuer 21 Künstler in der Ausstellung »Liquid Assets« zusammengefasst, die sich mit Geld und Marktmechanismen auseinandersetzen will. Die Kritik an Markt und Geld funktioniert in der Kunst meist nur in der Übertreibung und Perversion des Marktes, aber immer innerhalb des Systems, das man eigentlich kritisieren will. Sich als Künstler diesem Geschehen zu verweigern, seine Kunst den Marktregeln zu entziehen funktioniert kaum, ohne dafür den Preis der Nichtbeachtung zu zahlen.
Eine der wenigen Ausnahmen ist Michael Marcovici, der sich als Künstler und Unternehmer versteht. In dieser Funktion war er bis zur Insolvenz seines Unternehmens Qentis der größte eBay-Händler Europas. Als Künstler stellte er mit »One Billion Dollar« ein leider missglücktes Kunstwerk aus. Der ursprünglichen Intention, eine Milliarde US-Dollar auszustellen, musste aufgrund der hohen Kosten, die für die Zinsen eines solchen Betrages zu zahlen gewesen wären, eine Nachbildung weichen. Kombiniert hat er seine künstlerische und wirtschaftliche Tätigkeit später im Projekt »Rattraders«: Ratten handelten für ihn an der Börse mit allen möglichen Finanzprodukten. Waren sie dabei erfolgreich, gab es Futter, machten sie Verluste: Stromschläge. Laut Berechnung Marcovicis waren die Ratten in ihrer Trefferquote ähnlich gut wie durchschnittliche Fondsmanager.
Bei der Kunstausstellung documenta 11 (2002) präsentierte Maria Eichhorn das Stammkapital einer tatsächlich nach deutschem Recht gegründeten »Maria Eichhorn Aktiengesellschaft«. Inklusive aller Formulare und Regeln, die für dieses »Unternehmen« und sein Kapital galten. Statt wirtschaftlich aktiv zu werden übertrug Eichhorn alle Anteile der AG an die AG selbst. Das dadaistisch-kritische Werk blieb aber im Stadium des Kunstwerks, weiterentwickelt wurde es vor kurzem in Graz: Vor einem Jahr gründete sich aus dem Kunstverein »eeza« heraus die »dp Projektform AG«. Eine echte Aktiengesellschaft und im Gegensatz zu Eichhorns AG vor allem zum Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit. Rund um die Vorstandsvorsitzende Barbara Sommerer entwickelt die Firma Ausstellungskonzepte für Museen, Unternehmen und Industrie. Die künstlerische Tätigkeit wird ganz klar als Dienstleistung verstanden.
Wenn sich Kunst normalerweise mit Geld auseinandersetzt, geschieht das bis auf diese zwei letztgenannten Ausnahmen vor allem kapitalismuskritisch. Egal ob diese Kritik explizit oder indirekt ist, ob subtil oder brachial, ironisch oder konkret: Mit der Ausstellung von Geld wird es immer auch kritisiert. Tatsächlich kreativ – im schöpferischen Sinne – sind aber nur jene geworden, die über diese Kritik hinausgehen und sich vom kritisierten Objekt möglichst unabhängig machen. Und sei es dadurch, dass sie es durch Arbeit verdienen. So gelingt zumindest die Befreiung von der öffentlichen Kunstförderung, die in den letzten Jahren zunehmend in der Kritik stand und mit ihr auch jede Form geförderter Kunst. Vor einem Jahr erlebte die Debatte um die subventionierte Kunst ihren vorläufigen Höhepunkt, als vier Autoren ein Buch unter dem Titel »Der Kulturinfarkt« veröffentlichten. Zeitgleich wurde in der Steiermark das »Sparpaket« bekannt gegeben, das für den Kulturbereich mit dem Slogan »Die Großen retten die Kleinen« zusammengefasst wurde. Während die kleineren Initiativen und Vereine ihre Existenzsicherung behielten, mussten Joanneum und Bühnen, also Oper, Schauspielhaus und Orpheum, teils deutliche Einsparungen verkraften. Dadurch erhöhte sich insgesamt der Legitimationsdruck für alle Subventionsempfänger. Besucherzahlen, Sponsoring und Eigenfinanzierung wurden immer wichtiger. Kunst und Kultur müssen automatisch mehr Publikum anziehen, sie müssen massentauglicher werden und das verlangt einen höheren (finanziellen) Einsatz für die sogenannte Kulturvermittlung. Mit der abstrakten Idee von der Freiheit der Kunst ist das nicht unbedingt zu vereinbaren. Da ähneln sich die Ansprüche an Hochkultur und ORF: Beide müssen ihre öffentlichen Subventionen legitimieren. Zum einen mit gesellschaftlicher Relevanz, gemessen an Einschaltquote und Besucherzahlen, und zum anderen mit einem Qualitätsanspruch, der als »Bildungsauftrag« allen Institutionen eingeschrieben ist und der öffentlich immer neu verhandelt wird. Aus staatlichen Förderungen leitet sich auch eine Erwartung an Qualität und Quantität der Ergebnisse ab.
Das Universalmuseum Joanneum konnte im letzten Jahr in beiden Bereichen punkten – dank des neu gestalteten Joanneumsviertels und der dortigen Ausstellungen wurde man eben jenem Qualitätsanspruch gerecht, der einer solchen Institution entspricht. Gleichzeitig gelang trotz reduzierter Öffnungszeiten (Sparmaßnahme) ein neuer Besucherrekord. Im Detail fällt aber auf, dass es vor allem der Schlosspark Eggenberg ist, der wohl hauptsächlich wegen seiner Grünanlagen geschätzt werden dürfte. Nur die Hälfte der Besucher finden ihren Weg auch noch in die Prunkräume, die Münzsammlung oder das Archäologiemuseum im Schloss. Aber Achtung, die Besucher wurden zwar mehr, die Erlöse aus Eintrittskarten gingen im Vergleich zu 2011 allerdings um vier Prozent zurück. Dass insgesamt trotzdem mehr eingenommen wurde als im Vorjahr, verdankt das Joanneum vor allem den gestiegenen Einnahmen aus Sponsoring und Veranstaltungen. Insgesamt ergibt sich für das steirische Landesmuseum folgendes Bild: Den Kosten von über 21 Millionen Euro stehen Eigenerlöse von gerade einmal 2,8 Millionen gegenüber – davon stammt nicht einmal eine Million Euro aus Eintrittsgeldern. Die restlichen 18,5 Millionen kommen hauptsächlich vom Land Steiermark.
Kunst als Werbung
So schwer es die öffentlichen Subventionsempfänger des Kulturbetriebes haben, allen an sie herangetragenen Ansprüchen gerecht zu werden, so leicht scheint es anderen zu fallen, ihr künstlerisches Schaffen ohne Geldsorgen zu verwirklichen. Erfolg bringt mehr als jede Subvention. Dabei ist Massentauglichkeit nicht einmal das wichtigste Kriterium – vielmehr geht es darum, zumindest bestimmten Bedürfnissen des irrationalen Marktes zu entsprechen und ausreichend viele Gönner, Interessierte, ja Kunden zu finden, die bereit sind die Kunstproduktion zu fördern. Große Unternehmen haben längst erkannt, dass sich mit der Investition in Kunst Geld verdienen lässt. Und zwar auf vielerlei Art und Weise: Der Verleger Hubert Burda (Bunte, Focus, Playboy) gilt als engagierter Kunstsammler und hat einige Werke im kaum genutzten Treppenhaus seines Münchner Verlagsgebäudes hängen, über die sich so manches Museum freuen würde.
Werbung für die Kunst
Aber auch kunstsinnige Liebhaberei ist nicht notwendig: die kitschigen Nippes-Artikel mit dem Aufdruck der beiden gelangweilten und inzwischen langweiligen Engel der sixtinischen Madonna, ein simpler Citroën, der nach Pablo Picasso benannt wurde, oder das Hotel Daniel in Wien, auf dessen Dach eine Erwin-Wurm-Skulptur steht. Mit den unterschiedlichsten Ansprüchen an den eigenen Umgang mit Kunst ist diesen Beispielen gemeinsam, dass sie von Unternehmen zur Steigerung des eigentlichen Produktwertes verwendet werden. Das ist keine Seltenheit und oft ist es wie bei Schokoladenproduzent Josef Zotter so, dass der künstlerische Einfluss tatsächlich Teil des Produktes ist. Die Zeichnungen von Andreas Gratze sind extra für die entsprechende Schokolade entstanden. Streng genommen müsste man sie als »Design« definieren und in dieser Diskussion ignorieren. Aber wird Kunst dadurch schlecht, dass sie kommerziell verwertbar und erfolgreich ist? Die antikommerzielle Grundhaltung, die einige Künstler noch immer vertreten, ist entweder Attitüde oder das Totschlagargument der Erfolglosen. Das Argument »Wer Geld mit Kunst verdient, der macht keine Kunst« ist nicht mehr haltbar. Aber die Umkehrung, daraus die Einstellung aller Subventionen zu folgern, ist natürlich ebenso abwegig. Kommerzielle Erfolglosigkeit ist eben auch kein letztgültiges Kriterium für »schlechte Kunst«. Die qualitativen Einschätzungen, die über das situative Gefallen hinausgehen, sind dem Urteil von Kunsthistorikern überlassen, die meist ebenfalls im subventionierten Bereich angestellt sind.
Der Gedanke ist natürlich reizvoll: im undurchsichtigen und verbürokratisierten System dieses kultur-industriellen Komplexes ein wenig roden. »Von Allem zu viel und überall das Gleiche« lautet der Untertitel zum »Kulturinfarkt«, dessen polemische Forderung darin besteht, die Kultursubventionen auf die Hälfte zu kürzen. Vielleicht hat also die Steiermark mit der versuchten 25-Prozent-Streichung ein gar nicht so schlechtes Ziel vorgegeben. Eine gewisse Marktbereinigung muss auch der Kunst nicht schaden. Denn zu oft hat es den Eindruck, und ein solcher Eindruck kann immer nur subjektiv sein, dass vermeintliche künstlerische Qualität erst das Resultat einer Förderung ist – nicht umgekehrt. Die Subvention zeichnet aus und erhöht dadurch das Werk und seinen Künstler. Ästhetische Urteile werden so zu Fragen des Lobbyings, der Macht und der Willkür. Die künstlerische Wirkung über den Dunstkreis von Künstlern und Kultursubventionierern hinaus zur Nebensache.
Der bereits erwähnte Kunstverein eeza hat immer versucht, ohne öffentliche Förderungen auszukommen. Auch wenn er durch Aufträge des steirischen herbstes oder des Joanneums davon profitiert hat. Mit der 2012 gegründeten »dp Projektforum AG« heben sich die Künstler um Barbara Sommerer auf eine Stufe mit ihren Kunden aus der freien Wirtschaft. Und zu denen zählte unter anderem das Lafarge-Zementwerk in Retznei, für das sie eine ansprechende und anspruchsvolle Werksbegehung ermöglicht haben, oder auch die Knill-Gruppe, die ihre mitunter schwer greifbaren Produkte durch die Projektform in einem Besucherzentrum hat aufbereiten lassen. Die künstlerische Lust auf Wirtschaft geht inzwischen so weit, dass sich die AG seit 2013 unter dem Titel »Kunst fördert Wirtschaft« weit über das hinausbewegt, was Werbung, PR und Design üblicherweise für Betriebe leisten.
Geld verändert Kunst
Ob es um öffentliche Förderung, ökonomische Einbindung oder private Liebhaberei geht: Kunst wird sichtbar gemacht und verändert. Wenn sich mit einer bestimmten Art von Kunst kein Geld verdienen lässt – sei es, weil dafür keine Förderungen bewilligt werden, sei es, weil sich dafür keine privaten Käufer finden –, dann wird diese Kunstform ein bescheidenes Dasein fristen und in der Irrelevanz verschwinden. Der Unterschied zwischen dem bloßen Ausleben individueller Kreativität und relevanzbeladener Kunst ist eben vor allem einer der Verwertung und Verwendung. Über die objektive Qualität lassen sich so natürlich keine Urteile treffen. Wenn Heimo Zobernig eine weiße Leinwand aufhängt und diese in einen Kontext setzt, der so überzeugend ist, dass er dafür auf der ganzen Welt und eben auch im Grazer Kunsthaus eine Ausstellung bekommt (siehe Seite 60), dann besteht ein evidenter Unterschied zu einem Schüler, der – aus Faulheit oder Genialität – im Kunstunterricht ein unberührtes Blatt abgibt und dafür ein »Nicht genügend« erhält. »Der Markt« – und Förderinstitutionen gehören in diesem Sinne sehr wohl dazu – ist im Gegensatz zu Kunsthistorikern eben nicht zum abstrakten Urteil fähig. Er beurteilt nicht, ob etwas in einem besonderen Kontext zu würdigen ist. Auf ihm wird entschieden, wie viele Menschen – Politiker, Besucher, Investoren … – bereit sind, das ihnen zur Verfügung stehende Budget an Zeit und Geld für ein bestimmtes Kunstwerk oder eine bestimmte Kunstform auszugeben. Und so haben alle ihre Chancen: Wer zuerst öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, der wird mittelfristig auch Förderungen dafür bekommen, und wer öffentlich gefördert wird, der wird bei ausreichender Bewerbung anfangen aufzufallen. Allerdings wird beides an jene Grenzen der Anerkennung stoßen, die der Künstler und sein Werk durch ihre Qualität – oder fehlende Qualität – provozieren.
Dabei werden Dummköpfe und Ahnungslose immer wieder auf Scharlatane hereinfallen, so ist der Mensch. Ungebildete Kulturpolitiker, die ihr Ressort meist nur aus machtpolitischen Gründen annehmen, müssen dann über Förderungen in der bildenden Kunst entscheiden. Erfolgreiche Unternehmer auf Anraten ihrer Steuerberater in Kunstwerke investieren, deren Urheber sie bis dahin nicht kannten. Das gelingt mal mehr und mal weniger gut und die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten richten sich nicht nur nach dem Kunstsinn des Käufers, sondern auch nach dem der restlichen Gesellschaft. Ständig wird neu verhandelt werden, wie sich der künstlerische Wert eines Objekts oder gar einer Performance in Geld umrechnen lässt. Verliert sich bei all dem das, was die vermeintliche Aufgabe der Kunst ist? Die Unabhängigkeit, die Widerständigkeit und Unbequemlichkeit, die immer auch Teil künstlerischen Schaffens ist, wenn es über Handwerk, Design und Dekoration hinausgehen soll.
Auf dem Basar der Musen
Den Grazer Clemens J. Setz als aufstrebenden Autor zu bezeichnen wäre schon eine Untertreibung. Der Debütroman des 30-Jährigen ist erst 2007 erschienen – seitdem folgten bereits drei weitere umfangreiche und komplexe Werke. Nach einem Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt 2008 folgte 2011 der Leipziger Buchpreis. Ausgezeichnet wurde er zuletzt – und das ist für diesen Kontext interessant – mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, dotiert mit stattlichen 20.000 Euro. Setz steht weder im Verdacht, besonders bekömmliche oder massentaugliche Bücher zu schreiben – im Gegenteil. Und trotzdem hat er Erfolg. Ebenso wenig findet sich bei ihm ein antikommerzieller Reflex. Er ist sogar froh, dass gleich im Namen des Preises klar wird, wer ihn vergibt und finanziert. Mit seinen Büchern ist er einer der wenigen Autoren der Steiermark, die tatsächlich allein von ihrer literarischen Arbeit leben können. Obwohl sich auch er trotz des momentanen Erfolges mit der Tatsache auseinandersetzt, dass diese Unabhängigkeit in den allermeisten Fällen nicht von Dauer ist: »Ich werde irgendwann in den nächsten Jahren von der Bildfläche verschwinden, so wie die allermeisten Autoren. Es kann auch anders kommen, aber das wäre der eindeutig seltenere Fall und ich wäre sehr dumm, würde ich mir das Gegenteil einzureden versuchen.«
Dass man von künstlerischem Tun tatsächlich in Wohlstand leben kann, ist nicht immer der Fall. Lässt man die populären Extrembeispiele und Selbstständige außen vor, zeigt die Statistik ganz klar: Die 80.000 unselbstständig Erwerbstätigen im Kultursektor verdienen im Schnitt vier Prozent weniger als der Gesamtdurchschnitt. Wirft man einen Blick auf die Verteilung dieser Einkommen, ist das Bild noch drastischer: Die zehn Prozent der künstlerisch Tätigen mit dem geringsten Einkommen liegen damit ein Drittel unter den einkommensschwächsten zehn Prozent aller Erwerbstätigen. Die einkommensstärksten zehn Prozent dafür acht Prozent über ihrer Vergleichsgruppe. Übersetzt heißt das: Wer es innerhalb der Kunstbranche einmal über das prekäre Niveau hinaus geschafft hat, der verdient am oberen Ende der Skala mehr als die Gutverdiener anderer Branchen. Ausgerechnet in der als links geltenden Kulturindustrie ist also das Maß an Einkommensgerechtigkeit besonders gering. Man kann also mit und durch Kunst Geld verdienen, man sollte dabei nur nicht auf eine der schlecht bezahlten Projektstellen oder geringfügigen Beschäftigungen angewiesen sein.
Das große Geld – so hofften viele – lässt sich im internationalen Kunsthandel verdienen. Und auch nach den Preisturbulenzen der letzten Jahre will kaum jemand den Kunsthandel als Investitionsfeld abschreiben. Zwar lässt sich der Kunstmarkt nicht so simpel in Börsencharts darstellen wie Gold- oder Aktienpreise – eine reizvolle Alternative zum oft unverständlichen Derivatehandel ist er allemal. Ein Bild kann man ähnlich wie Gold greifen und begreifen, auch das ist ein Wert, für den man das Risiko des turbulenten Kunstmarktes eingeht. In Österreich ist das Volumen des Kunsthandels aber noch relativ überschaubar. Im letzten Jahr wurden nur fünf Werke vom Auktionshaus Dorotheum – dem größten des Landes – für mehr als eine halbe Million Euro verkauft. In Summe aller Auktionen wurden aber immerhin 152 Millionen Euro umgesetzt.
Auch der Handel mit Intendanten und Direktorenposten ist ein ganz eigener Markt geworden. Das wurde sowohl bei den Neubesetzungen an den verschiedenen Wiener Institutionen als auch bei den Salzburger Festspielen wieder deutlich. Um die Einladung zu Festivals wird gemauschelt wie um seltene Paninibilder. Die Kunst, die dort entsteht, ist oft entscheidendes Argument für die Förderungen und Einladungen der nächsten Jahre. In der Summe und Pluralität all dieser Einrichtungen, Veranstaltungen und Organisationen finden sich aber dann doch auch jene Räume, in denen das entsteht, was über die Momente der Präsentation hinaus Wirkung entfaltet und dessen Anspruch weit über die Legitimation der Subventionen hinausgeht.
Daher ist es gut und notwendig, dass Kunstschaffende ohne existenzielle Not arbeiten können und nicht gezwungen sind, zwischen Pinsel und Brot zu entscheiden. Auf der anderen Seite ist es nicht Aufgabe des Staates, jedem und jeder sein und ihr Hobby zu finanzieren. Vor allem wenn in der seltenen Phase der Haushaltskonsolidierung eben knallhart zwischen Einsparungen im Sozialbereich oder der Kunst unterschieden wird. Und auf die Frage, ob ein Krankenhaus oder ein Museum geschlossen werden soll, gibt es im Normalfall nur eine Antwort. Immerhin geht es der Steiermark so gut, dass solche Entscheidungen trotz all der notwendigen Sparsamkeit nicht getroffen werden müssen. Die Kunst tut trotzdem gut daran, sich unabhängiger zu machen. Nur so wird die »Freiheit der Kunst« ihren Pathos und ihren Wert behalten können.
Titelgeschichte Fazit 94 (Juli 2013) – Foto/Illustration: Justine Smith
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