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Politicks Jänner 2014

| 20. Dezember 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 99, Politicks

SPÖ-ÖVP-Koalition im Zwang der Realverfassung
Was soll herauskommen, wenn zwei Parteien miteinander verhandeln, die seit Jahren nicht miteinander können? Wäre nicht auch auf Bundesebene eine Art Reformpartnerschaft, ähnlich jener in der Steiermark, möglich gewesen? Die Ursache für die Reformresistenz von SPÖ und ÖVP liegt wieder einmal in der österreichischen Realverfassung, und die unterscheidet sich ganz wesentlich von der steirischen. Da sind einmal die Sozialpartner, die in den Bundesländern bei weitem nicht jene Rolle spielen wie im Bund. Über ihre Verbände und Organisationen haben sie die beiden Regierungsparteien fest im Griff. Und so verdanken wir es der Macht der Gewerkschaften, dass die Regierung sich nicht an die nachhaltige Sanierung etwa des Pensionssystems heranwagt.
Wie mächtig die Sozialpartnerschaft ist, zeigt unter anderem auch der Umstand, dass es zwar für knapp drei Prozent der Bevölkerung wieder einen Landwirtschaftsminister gibt, der sich noch dazu traditionell eher als Agrar-Lobbyist versteht, während mit Wissenschaft und Forschung einer der wichtigsten Zukunftsbereiche auf ein Ministerium verzichten muss. Die mächtigsten Organe der österreichischen Realverfassung sind jedoch die Landeshauptleute. Das führt dazu, dass in Österreich der Schwanz mit dem Hund wedelt, statt umgekehrt.
Und wenn – so wie jetzt – die Landeshauptleute von Wien und Oberösterreich vom Bund Stabilität statt Reformen fordern, werden sie sich durchsetzen. Im konkreten Fall stehen 2015 nämlich in beiden Bundesländern Landtagswahlen auf dem Programm. Weil eine reformeifrige Bundesregierung jedoch die Wahlchancen von SPÖ und ÖVP in den Ländern schmälern könnte, haben die jeweiligen Landeshauptleute auch kein Interesse an einer unbequemen Bundespolitik.
Nach dieser Regierungsbildung ist klar, dass SPÖ und ÖVP unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr lange mehrheitsfähig sind. Daher wird diese Regierung mit großer Wahrscheinlichkeit die letzte große »Stillstandskoalition« sein.

Obwohl diese Regierung keiner will, gibt es keine Alternative
Dennoch sind keine Alternativen zu »Rotschwarz« in Sicht. Den Grund dafür liefert die FPÖ. Die Freiheitlichen hätten schon jetzt mit der SPÖ eine Regierung bilden können, doch sie haben bewusst Positionen bezogen, die es Werner Faymann unmöglich machten, »Rotblau« ernsthaft zu erwägen. Aber H. C. Strache scheint sich in der Rolle des »Ausgegrenzten« ohnehin pudelwohl zu fühlen. Denn aus heutiger Sicht spricht alles dafür, dass die FPÖ in fünf Jahren erstmals bundesweit zur stärksten Partei aufsteigen könnte. Den Blauen kann bei der nächsten Nationalratswahl also ohne viel Zutun ein Sieg in den Schoß fallen. Da schadet ihnen der Ruf des »bundespolitischen Parias« nicht im Geringsten. Schließlich haben die freiheitlichen Positionen gegen Zuwanderung und EU längst den Weg in die gesellschaftliche Mitte gefunden. Die FPÖ setzt auf das altbekannte Haider-Rezept, indem sie den Wohlstandsverlierern Feindbilder liefert. Feindbilder wie die Wirtschaftsflüchtlinge, die ab 1. Jänner 2014 ganz legal aus der ganzen EU zu uns kommen dürfen, um sich hier mit sehr schlecht bezahlten Jobs so lange über Wasser zu halten, bis sie nach einigen Monaten in unserem Sozialsystem Unterschlupf finden. Denn für diese Menschen garantieren selbst ausbeuterische Stundenlöhne um die fünf Euro oder die Mindestsicherung ein wesentlich besseres Leben als der Verbleib in ihrer wirtschaftlich kaputten, korruptionsverseuchten Heimat.
Leider haben weder SPÖ noch ÖVP den Mut, sich zu einer aktiven Zuwanderungspolitik durchzuringen: Es werden weder Menschen, die bei uns arbeiten wollen, herzlich willkommen geheißen, noch wird jenen, die das nicht tun, den Zugang zu unseren sozialen Sicherungssystemen verwehrt. Und angesichts der drohenden Völkerwanderung aus Bulgarien und Rumänien ist das natürlich Munition für die FPÖ.

Auch die anderen Oppositionsparteien bieten sich nicht fürs Regieren an
Die Grünen würden zwar prinzipiell regieren wollen. Und mit Eva Glawischnig oder Werner Kogler gibt es dort auch Persönlichkeiten, denen man das auch zutrauen würde. Das Problem der Grünen ist jedoch, dass sie mit keiner anderen Partei eine Mehrheit finden, die zum Regieren reicht. Und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Denn je schwächer SPÖ und ÖVP werden, desto schlechter werden – trotz vieler Wahlerfolge – die Karten der Grünen auf eine Regierungsbeteiligung.
Ganz andere Probleme haben da die NEOS. Mitregieren kommt für die mediale One-Man-Show um Matthias Strolz derzeit ohnehin nicht in Frage. Bei der Nationalratswahl haben die NEOS ihre Stimmen vor allem von ehemaligen ÖVP-Wählern bekommen, denen die ÖVP zu links geworden ist. Doch der USP der NEOS als einzige wirtschaftsliberale Partei ist nun gefährdet. Denn das Reservoir an geeigneten Kandidaten, die ordo- oder neoliberale Positionen eloquent vertreten können und sich gleichzeitig für ein politisches Amt hergeben, ist äußerst begrenzt. Und so könnte den NEOS das Gleiche widerfahren wie vor einigen Jahren dem Liberalen Forum: Dass sich nämlich innerparteilich Leute durchsetzen, die vom Wirtschaften keine Ahnung haben. Die inhaltliche Ausrichtung der NEOS wäre in kürzester Zeit von linksliberalen Themen dominiert. Doch die Wähler, die Themen wie die Schwulenehe, Gendergerechtigkeit oder die Säkularisierung der Klassenzimmer vor die Aufrechterhaltung des Kapitalismus stellen, gehen gleich zum Schmied und nicht zum Schmiedl – oder besser gesagt zu den Grünen und nicht zu den NEOS.
Für die NEOS ist das ein schwieriges strategisches Problem. Schließlich haben bei der Nationalratswahl auch einige ehemalige Grüne die NEOS gewählt. Strolz scheint angesichts dieses Dilemmas hin- und hergerissen zu sein. Denn einige Insider behaupten, dass er bei Othmar Karas vorgefühlt hätte, ob dieser nicht bereit wäre, gemeinsam mit den NEOS für das EU-Parlament zu kandidieren. Andere sagen, dass er über eine gemeinsame Liste mit den Grünen bei der im Jänner 2015 stattfindenden WK-Wahlen nachdenkt.
Inzwischen ist bekannt, dass Karas als ÖVP-Spitzenkandidat in die EU-Wahl geht. NEOS-Spitzenkandidatin ist die aus dem Liberalen Forum kommende Migrationsexpertin Angelika Mlinar.

Den Steirern reicht es
Es war ein echter Paukenschlag, als Franz Voves in laufender Sitzung »aus persönlichen Gründen« den stellvertretenden SPÖ-Vorsitz zurücklegte, um nicht für oder gegen den Koalitionspakt stimmen zu müssen. Da half es auch nichts, dass die Steirer-SPÖ mit Gerald Klug und Sonja Stessl nun sogar zwei Regierungsmitglieder stellen darf. Voves blieb konsequent und bedankte sich mit diesem Schritt wohl auch für die Häme, die er nach den starken Nationalratswahlverlusten der Reformpartner in der Steiermark hinnehmen musste. In den sozialen Netzwerken gilt Voves nun jedenfalls umso mehr als jemand der den nötigen Mumm hat um gegen den Strom zu schwimmen.
Auch die Reaktion der steirischen ÖVP hatte es in sich. Parteiobmann Hermann Schützenhöfer verließ die laufende Vorstandssitzung und am nächsten Tag bezeichnete Klubobmann Christopher Drexler in einer Pressekonferenz des steirischen VP-Vorstandes den Koalitionspakt als »wenig ambitioniertes Stillstandsweiterwurschtelabkommen«. Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder zeigte sich enttäuscht, dass die Regierung das Wissenschaftsministerium aufgibt und der steirische Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann sieht im Regierungsprogramm gar ein Negierungsprogramm, das jegliche Zukunftsbelange vermissen lässt und will die Regierung daher auf die »Watchlist« der Steirischen Volkspartei stellen. Der Steirer Reinhold Lopatka, er ist Klubobmann der ÖVP-Nationalratsfraktion, versuchte zwar seine STVP-Vorstandskollegen vom Regierungspakt zu überzeugen, er stand dabei jedoch auf verlorenem Posten.

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Politicks, Fazit 99 (Jänner 2014)

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