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Die Anklägerin

| 25. April 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 102, Fazitgespräch

Foto: Marija Kanizaj

Jörg Haider hatte viele Gegner und Gegnerinnen, Gaby Schaunig war seine erbittertste. Die ehemalige Kärntner SPÖ-Landesparteivorsitzende nahm es bis 2008 mit dem Landeshauptmann auf, ehe sie die Politik verließ und von der politischen Anklägerin zur selbstständigen Anwältin wurde. Vor etwas mehr als einem Jahr kehrte sie als 2. Landeshauptmann-Stellvertreterin in der Regierung Peter Kaisers auf die politische Bühne zurück. Aber nicht mehr als Querulantin wie früher, sondern als Förderin der neuen politischen Kultur Kärntens.

Foto von Marija Kanizaj.

::: Hier können Sie das Interview im Printlayout lesen: LINK

Frau Schaunig, der britische »Guardian« schrieb vor wenigen Wochen, dass Kärnten sich von Österreich abnabeln und einen eigenen Staat gründen möchte. Würde es Kärnten denn eigenständig besser gehen?
Nein, ganz und gar nicht. Kärnten ist gerne ein Teil Österreichs und wird das auch sicher bleiben. Die Zeiten, in denen man einen Freistaat Kärnten proklamiert hat, sind Gott sei Dank vorbei.

Einige Österreicher würden sich das aber vielleicht wünschen. Immerhin gibt man dem Bundesland die Schuld am Hypo-Desaster. Wie schwer ist es derzeit, Politikerin in Kärnten zu sein?
Es gab sicher Zeiten, in denen es einfacher war, aber das Bestreben der gesamten Zukunftskoalition in Kärnten ist, dass Österreich genauso stolz auf Kärnten sein kann wie Kärnten auf Österreich.

2008 sagten Sie, Sie seien »nicht mehr bereit, diese politische Unkultur und Geldvernichtung hinzunehmen«, und nahmen Abschied von der Politik. Warum sind Sie zurückgekehrt?
Ausschlaggebend war das Angebot von Landeshauptmann Peter Kaiser, dabei zu helfen, die entstandenen Schäden zu beseitigen und wieder eine Struktur in das Landesbudget zu bringen. Das war ein Teil, der den Reiz ausgemacht hat: zu zeigen, dass Politik in Kärnten anders möglich ist, als es zum Zeitpunkt meines Ausscheidens der Fall war. Daher habe ich den Grund meines Rücktritts damals auch so deutlich formuliert.

War der menschliche Umgang ein Grund für Ihren Rücktritt? Vor allem jener von Jörg Haider mit Ihnen? Es gab BZÖ-Plakate, in denen eine Karikatur von Ihnen mit den Worten »Gaby, die rote Quak-Ente« zu sehen war.
Solche Entscheidungen sind immer eine Gemengelage. Ganz stark war die Unzufriedenheit mit dem politischen System und ich glaube, manchmal muss man Zeichen setzen. Wenn Politik so untergriffig wird und nur noch blanker Populismus ist, dann ist das stärkste Zeichen, das man setzen kann, auszuscheiden.

Viele haben auf Haider geschimpft, als er Landeshauptmann war, aber alle hat er irgendwie fasziniert. Sie auch?
Nein. Mit ein Grund für meinen Ausstieg war der Eindruck, dass er unheimlich verhärmt war, wenn das Highlife vor der Kamera weggefallen ist. Ich wollte nie so verbissen werden. So weit soll mich Politik bitte nie bringen.

Also war es keine Hassliebe?
Nein, mein Verhältnis zu Haider war sehr indifferent, und ich war immer kritisch dem System gegenüber, das er aufgebaut hat.

Sie waren erbitterte Kontrahentin von Jörg Haider. Würden Sie sagen, dass Sie an ihm zerbrochen sind?
Dann würden wir wahrscheinlich heute nicht so dasitzen.

Aber es war sicher nicht einfach, mit einem Jörg Haider umzugehen.
Nein, war es wirklich nicht. Aber ich glaube, man muss sich treu sein. Das Beste, was einem Politiker passieren kann, ist, dass man die Option hat, zu gehen, wann man will. Diesen Freiraum kann ich nur jedem empfehlen, der politisch aktiv ist.

Sie waren Anfang der Nullerjahre in den Umfragen beliebter als Jörg Haider …
Erfreulich, aber ist mir nicht bekannt.

… warum war er am Ende doch erfolgreicher?
Ich glaube, das geht nur über einen bestimmten Zeitraum. Ewig kann man Menschen nicht täuschen, das hat die Kärntner Landtagswahl am 3. März des letzten Jahres eindrucksvoll gezeigt.

Der Teuerungsausgleich in Höhe von 100 Euro und ähnliche Aktionen haben ihm sicher auch geholfen.
Er konnte sehr flexibel auf Dinge eingehen. Er konnte je nach Publikum mit einer anderen Meinung auftreten – das liegt mir nicht. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber seine Politik führte eben auch dazu, dass die Probleme von Kärnten heute einen Namen haben: das System Haider.

Was uns zum Thema Finanzen bringt, Sie sind ja für Kärntens Haushalt zuständig: Als Sie im Juni 2013 einen Kassensturz machten, wurden Landesschulden in der Höhe von 4,8 Milliarden Euro festgestellt. Wie will Kärnten das stemmen?
Wir liegen bei rund vier Milliarden an Schulden und nicht fälligen Verwaltungsschulden. Letztere sind nicht ganz genau definiert. Wir stellen wegen dieser Verwaltungsschulden unser Haushaltsrecht auf eine Doppik um, also eine doppelte Buchführung. Kärnten benötigt mehr Transparenz und so wollen wir 2017 die erste Bilanz vorlegen können. Aber die Umstellung wird unsere Schulden nicht ändern. Die Kärntnerinnen und Kärntner haben natürlich große Einsparungen mitzutragen.

Reformen sind die eine Sache, wo sieht man sonst den neuen Stil in der Kärntner Politik?
Eine Regierungssitzung von heute ist mit einer in den Jahren vor 2008 nicht zu vergleichen. Es gibt eine zivilisierte Diskussionskultur, einen wirklich sorgsamen Umgang miteinander und andere Positionen werden angehört. Das ist eine Qualität, die man nicht hoch genug schätzen kann. Es gibt etwas, das man politisch nicht toll verkaufen kann, aber überaus positiv ist: ein ganz anderes Verständnis von Demokratie. Es wird nichts mehr ohne Begutachtung durchgepeitscht. Wir können zwar nicht mehr Mittel, aber mehr Transparenz und Demokratie bieten. Das macht manche Dinge mühsamer und langsamer, aber dennoch besser. Ein konkretes Projekt ist etwa eine Reform der Raumordnung mit Einbindung aller Beteiligten wie der Gemeinden sowie der Bürgerinnen und Bürger. Mit unserem Weg dauert so ein Gesetzgebungsverfahren halt ein Dreivierteljahr, aber es ist gut gemacht und führt zu sinnvollen Ergebnissen.

Ihr persönlicher Stil war immer jener des Störenfriedes. Haben Sie den nun auch abgelegt?
Natürlich ändert sich der persönliche Stil. Ich war fünf Jahre selbstständig tätig, in dieser Zeit sammelt man ganz andere Erfahrungen. Es ist aber die gesamte Regierungspolitik von sehr viel Gemeinsamkeit getragen. In der Ära Haider gab es immer außerordentliche Regierungssitzungen und Dringlichkeitsakte.  Niemand bekam Unterlagen und konnte sich vorbereiten. Heute gibt es kein Drüberfahren mehr über kleinere Parteien.

Ein gutes Stichwort. Im Mai 2007 passierte genau das – die Hypo wurde von heute auf morgen nach Bayern verkauft. Am 26. Mai 2007 veröffentlichten Sie deshalb einen offenen Brief, dass die Hypo unter Preis verkauft wurde. Sie sprachen von der »größten wirtschaftspolitischen Fehlentscheidung, die jemals in Kärnten getroffen wurde«. Stehen Sie heute noch zu dieser Aussage?
Ja. Unter Einbeziehung dessen, dass die Landeshaftungen mitverkauft wurden, auf jeden Fall. Der Preis war zu gering. Die generelle Vorgangsweise, in einer Nacht- und Nebelaktion mit nur einem Bieter und ohne Prüfung von Alternativangeboten einen derartigen Verkauf durchzuziehen, halte ich für wirtschaftlich nicht vertretbar. Außerdem haben sich viele Warnungen in Bezug auf die Hypo, die ich in dieser Zeit ausgesprochen habe, leider als wahr herausgestellt.

Was wird Kärnten beitragen zur Rettung der Hypo?
Es gibt keine vertragsmäßige Fixierung seitens des Landes Kärnten. Es wäre auch unseriös. Ich bin von Zivilberuf Rechtsanwältin und kann daher nur sagen: Wenn man die Schadenssumme nicht beziffern kann, kann man noch keine Aussagen treffen.

Mindestens acht Milliarden, maximal siebzehn werden es werden, sagt Werner Kogler von den Grünen.
Aber es weiß niemand genau. Die Angaben des Vorstandes der Bank belaufen sich zwischen null und vier Milliarden. Was seit der Verstaatlichung passiert ist, kann man Kärnten nicht anlasten. Bevor man von Kärnten Zahlungen fordert, würde ich gerne wissen, ob unsere Landeshaftungsforderungen gedeckt sind. Die Kärntnerinnen und Kärntner zahlen jeden Tag. Aber Österreich profitiert dann am meisten von Kärnten – da zitiere ich Hannes Androsch –, wenn sich unser Bundesland positiv entwickelt. Wir schaffen es trotz des Sparkurses, positive Impulse zu setzen. Wir haben etwa das größte Plus bei der Beschäftigung im Baubereich im ersten Quartal von ganz Österreich.

Aber dennoch ordentlich zu kämpfen. Wie kann man die Wirtschaft langfristig fördern?
Unser wichtigster Bereich ist die Industrie, dort lukrieren wir unsere größte Wertschöpfung, bei der Beschäftigung ist es der Bau. Das sind Sparten, auf die wir setzen müssen. Wir wollen etwa mit der Steiermark eine »Region Süd« bilden, weil wir hier großes Potenzial sehen. Es gibt innovative Firmen in Kärnten, die man jedoch auf der internationalen Wirtschaftskarte sichtbar machen muss.

Gut, da gibt es etwa Infineon. Aber was sonst?
Kärnten hat die weltweit führenden Firmen im Bereich der Reinraumtechnik. Das wird in der Lebensmittelproduktion oder Pharmaindustrie eines der Zukunftsthemen sein. Kärntner Firmen finanzieren einen Lehrgang für Reinraumtechnologie an der TU Graz mit. So etwas muss man sichtbar machen, damit unser Potenzial erkannt wird. Wir liegen geografisch günstig und müssen uns nicht verstecken. Wenn man uns die entsprechende Unterstützung angedeihen lässt, können wir vieles aufholen.

In Sachen Studienrichtungen und Studiengänge hat Kärnten nicht viel zu bieten. Auch die Universität hat nicht den besten Ruf.
Ich glaube, sie hat in ihren Kernbereichen einen guten Ruf. Auch in der Betriebswirtschaft und Informatik kann sich unser Angebot sehen lassen. Dass man uns natürlich nicht mit länger entwickelten Universitätsstandorten vergleichen kann, ist mir bewusst.

Sie sprechen in den vergangenen Monaten immer davon, Technologie und Forschung ankurbeln zu wollen. Wie?
Wir brauchen gezielte Projekte. Wir müssen schauen, wo wir in Kärnten Leitbetriebe haben, und diese gezielt fördern. Die Gießkanne wie früher wird es nicht mehr geben! Wir können uns auch entlang der Wertschöpfungskette dieser Betriebe noch weiterentwickeln. Viele Kärntner Betriebe haben das Problem, dass sie eine unterkritische Größe haben, um für Leitbetriebe als Zulieferer tätig zu werden.

Werden Sie auch neue Studiengänge gründen?
Nein, das Thema der Zukunft wird sein, regional zu kooperieren. So wie man Teile der Ausbildung an der Medizinischen Universität Graz, auch in Form von Praktika bei uns in Kärnten absolvieren kann, soll das im technischen Bereich in Zukunft verstärkt mit der TU-Graz möglich sein. Auf diesem Weg wollen wir diesem »Braindrain« entgegenwirken, mit dem wir zu kämpfen haben. Wir sind etwa gerade in der Ausarbeitung eines Projektes, mit dem wir Leute nach Kärnten wieder zurückholen wollen – durch entsprechende Diplomarbeiten und Dissertationen, die in regionalen Unternehmen geleistet werden können. Wir wollen attraktiv für die Jugend sein.

Bei der Reindustrialisierung geht es leider meistens nur mehr darum, die Industrie langsamer zu verlieren als jene Länder, die nicht industrialisieren.
Zu glauben, dass man mit großen Industrieansiedelungen rechnen kann, wäre schön. Aber das ist, wie das Budget mit einem Lottosechser zu kalkulieren – darauf kann man keine Zukunftsperspektive aufbauen.

Machen wir einen kurzen Sprung zur Bundespolitik: Man hat dort das Gefühl, die SPÖ und die ÖVP erhalten nur noch ihre Macht. Fehlt es ihnen an Reformen?
Da bin ich vorsichtig, weil wir in Kärnten das auch oft hören. Man darf nie vergessen, dass ein Gesetz schnell gemacht wird, aber die Menschen über lange Zeit davon betroffen sind.

Sind Sie derselben Meinung wie die Bundesregierung, dass es keinen Hypo-Untersuchungsausschuss geben sollte?
Das ist eine Frage des Zeitablaufs. Ich glaube, es steht außer Streit, dass zuerst die rechtlichen Grundlagen für eine Abwicklungsgesellschaft geschaffen werden müssen, und da wird es zahlreiche Gesetzesänderungen brauchen. Da ist auch mein Ersuchen, dass sich das Parlament zuerst damit beschäftigt.

Was wäre denn eigentlich mit Kärnten passiert, wenn die Hypo in Konkurs gegangen wäre?
Das ist ja das Problem, dass das niemand vorhersehen kann. Faktum ist, dass es kein Insolvenzrecht für Bundesländer gibt. Das heißt, es wäre nach dem Insolvenzrecht mit einem Insolvenzverwalter abgewickelt worden, wobei auch nicht festgelegt ist, wer dieser Verwalter sein hätte können. Ich bin froh, dass wir uns dieser theoretischen Frage nicht weiter stellen müssen. Mit solchen Dingen zu experimentieren, ist brandgefährlich.

Ihr Rücktritt 2008 kam so spontan, dass am selben Tag noch Einladungen für das SPÖ-Sommerfest unter dem Titel »Gaby Schaunig Sommer Nacht« in den Postkästen lagen. Müssen sich Ihre Parteigenossen Sorgen machen, dass Sie wieder von heute auf morgen die Politik verlassen?
Wer meine Biografie kennt, der weiß, dass ich immer wieder gerne etwas Neues mache. Aber in Kärnten ist eine neue Kultur in die Politik eingezogen. Und die spricht absolut dagegen.

Frau Schaunig, vielen Dank für das Gespräch!

***

Gaby Schaunig wurde 1965 in Klagenfurt geboren. Mit 18 Jahren ging sie nach Graz, wo sie 1989 in Rechtswissenschaften promovierte. Ein Jahrzehnt später wurde sie SPÖ-Landesrätin für Soziales in Kärnten, ehe sie 2005 zur Landes-Parteiobfrau aufstieg. Nach drei Jahren als Landeshauptmann-Stellvertreter verließ sie die Politik und arbeitete fortan selbstständig als Anwältin. Im März 2013 kehrte sie auf die politische Bühne zurück. Schaunig ist mit dem Unternehmer und ehemaligen Eishockey-Torwart Hans Kandut verheiratet und hat eine Tochter.

Fazitgespräch, Fazit 102 (Mai 2014) – Foto von Marija Kanizaj

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