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Tandl macht Schluss (Fazit 106)

| 3. Oktober 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 106, Schlusspunkt

Eigentlich sind wir alle Heuchler! Ich habe einen Jungwähler in der Familie – meinen 16-jährigen Sohn. Der war bei der Europawahl zum ersten Mal wahlberechtigt und irgendwann am Frühstückstisch hat er mich wissen lassen, dass er die Grünen wählen wird.

Ich kenne den Lebensstil meines Sohnes und die Grünen passen da meiner Meinung nach überhaupt nicht dazu. Ich wagte daher die vorsichtige Frage, wie er denn ausgerechnet auf so eine Idee käme. Seine prompte Antwort: »Bei mir in der Klasse wählen fast alle die Grünen.« Die Entscheidung meines Sohnes erschien mir zwar wenig fundiert, aber doch plausibel. Als interessierter Vater riet ich ihm daher dazu, den »Wahlomaten« bei »www.wahlkabine.at« durchzuklicken. Auf mein Nachfragen erklärte er mir dann am nächsten Tag, dass die Grünen bei dem Online-Test nur auf dem fünften Platz gelandet wären – noch hinter ÖVP, SPÖ und Freiheitlichen sowie einer Partei, von der er überhaupt noch nie etwas gehört hätte – den sogenannten NEOS.

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Weil mein Sohn ein klarer Beleg dafür ist, wie wichtig Image in der Politik ist. Den Grünen gelingt es allen Anschein nach, in ihrem Außenauftritt ein ökologisches und sympathisches Image zu erhalten, das einen entsprechenden Lebensstil repräsentiert. Schließlich kann man auch mit einem »überpowerten« SUV das Altpapier zum Container bringen.

Ich hingegen sehe in den Grünen meist nur hysterische Moralisten. Allein gestern landeten fünf grüne Aussendungen in meiner Redaktions-Mailbox. Die erste war eine Jubelmeldung darüber, dass das Land nun bald nach einer Klage der EU-Kommission zu einer Millionenstrafe verdonnert werden wird, weil es die »Schwarze Sulm« nicht besser vor einem adeligen Kleinkraftwerksunternehmer geschützt hat. Ich kenne das Projekt und kann hinter den Protesten nichts als nervigen Öko-Alarmismus erkennen und ich weiß auch, dass die EU nur deshalb darauf aufmerksam geworden ist, weil die Grünen das »Land Steiermark« – und damit mich als Steuerzahler – vernadert haben. Dann kam eine grüne Aussendung zur Asylproblematik. »Ja zu humanitärer Hilfeleistung, nein zum FPÖ-MigrantInnen-Bashing« hieß es im Titel. Was bitte hat eine völlig falsch gelaufene Migrationspolitik mit einer humanen Flüchtlingspolitik zu tun? Gar nichts! Wer diese beide Dinge vermischt, ist ein Zündler der übelsten Sorte. Dahinter kann nur politischen Kalkül stecken. Schließlich verfügen inzwischen hunderttausende kaum integrierte Migranten über die österreichische Staatsbürgerschaft und sind wahlberechtigt. Die Grünen sind damit um nichts besser als die Freiheitlichen, die bis heute nicht kapiert haben, dass unser Land ohne gezielte Zuwanderung von integrationsbereiten und sowohl bildungs- als auch arbeitswilligen Ausländern zum Scheitern verurteilt ist. In der dritten grünen Aussendung warnen die Grünen vor dem EU-US-Freihandelsabkommen TTIP. Die Grünen glauben vielleicht tatsächlich, dass es besser wäre, die Bakterien, mit denen sich die Hühner in der Massentierhaltung zwangsläufig anstecken, mit Antibiotika zu bekämpfen, anstatt diese nach der Schlachtung mit Chlor abzutöten. Eklig ist das eine wie das andere, doch langfristig harmloser ist ganz sicher das Chlorbad! Sollten sich diese Protektionisten durchsetzen und TTIP verhindern, würde das in Österreich viele Tausende neuer Jobs kosten. Trotz alledem sind die Grünen längst mitten im Bürgertum angekommen. In den Städten liegen ihre Ergebnisse inzwischen oft bei zwanzig Prozent und darüber. Die grünen Gewinne in Vorarlberg haben mich dennoch überrascht. Denn dass so viele bieder-bürgerliche Vorarlberger in das Lager dieser Tugend-Taliban-Partei wechseln, hätte ich nicht vermutet. Zu einer Partei, die in allem ein Haar in der Suppe findet und sich zur Plattform fundamentalistischer Moralisten entwickelt hat. Aber allem Anschein nach verstehen es die Grünen, sich als Ausdruck jener Widersprüche zu präsentieren, in denen wir alle stecken. Wir reden zwar über Umweltschutz, fliegen aber dennoch in den Urlaub. Wir trennen zwar unseren Müll, leben jedoch in schmucken Einfamilienhäusern in den Speckgürteln.

Eigentlich sind wir alle Heuchler. Es ist doch allemal besser, Grün zu wählen, als auf unseren ressourcenraubenden Lebensstil zu verzichten.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 106 (Oktober 2014)

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