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Tandl macht Schluss (Fazit 108)

| 27. November 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 108, Schlusspunkt

Europa leidet. Und Amerika blüht Europa leidet nach wie vor unter den Folgen der Krise. Die Konjunktur steht und dem ganzen Kontinent droht – dem japanischen Beispiel folgend – ein Deflationsszenario, dem wohl ein Jahrzehnt der Stagnation folgen wird und von dem wir noch nicht einmal die Hälfte hinter uns gebracht haben.

Zeit, wieder einmal daran zu erinnern, wie die Krise ausgelöst wurde. Und tatsächlich waren es unzulässige Markteingriffe der amerikanischen Politik, welche die Weltwirtschaft Jahre später an den Abgrund geführt haben. Denn der damalige US-Präsident Bill Clinton hatte die beiden großen US-Immobilienfinanzierer »Freddie Mac« und »Fannie Mae« unter großen Druck gesetzt, allen Amerikanern – ungeachtet ihrer Bonität – den Kauf eines Eigenheims zu ermöglichen. Dadurch entstand eine enorme Nachfrage und die Häuserpreise kletterten jährlich nach oben. Daraufhin sah sich die US-Notenbank (FED) gezwungen, mit mehreren Zinserhöhungen wirkungsvoll gegen die Inflation zu steuern. Mit dem durchschlagenden Ergebnis, dass Häuser erstmals seit den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts an Wert verloren und billiger wurden. Dadurch konnten und wollten die Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen. Die US-Banken, allen voran »Freddie Mac« und »Fannie Mae«, saßen auf einmal auf einer Unzahl an nicht bedienten Krediten.

Mithilfe einiger gewiefter Ratingagenturen schaffte es die US-Finanzwirtschaft dennoch irgendwie, ihre wertlosen Wohnkredite in Pakete zu bündeln und europäischen Banken anzudrehen. Als die das Spiel durchschauten, war es schon zu spät. Die Amerikaner hatten die Krise erfolgreich nach Europa verlagert und damit die gesamte Weltwirtschaft in Bedrängnis gebracht. Was damals im Jahr 2008 passiert ist, war eine Riesenschweinerei und ist in höchstem Maße ungerecht. Die USA hatten das Problem für sich lösbar gemacht, indem sie andere unfreiwillig mit ins Boot holten.

Doch während Europa das Wasser nach wie vor bis zum Hals steht, hat Amerika es inzwischen geschafft, die Krise hinter sich zu lassen. Das war möglich, weil sie sich wieder nicht auf die ultraleichte Geldpolitik der FED verlassen haben, um ihren Dollar als globale Leitwährung zu festigen. Sie haben zusätzlich eine knallharte, ausschließlich von nationalen Interessen geprägte Außen- und Wirtschaftspolitik betrieben. Anstatt, wie es wir Europäer tun, die Wirtschaft mit Klimazielen zu peinigen, die angesichts der globalen Dimension des Problems ohnehin so gut wie nichts bewirken, haben sich die USA über sämtliche Interessen ihrer »Öko-NGOs« hinweggesetzt und durch Fracking so viel Öl und Gas gefördert, dass die US-Energiepreise inzwischen in den Keller gerasselt sind und die US-Wirtschaft so ihre Produktivitäts- und Kostennachteile mehr als nur ausgleichen konnte.

Die EU-Betriebe kämpfen hingegen weiterhin mit – durch Ökoabgaben nach oben getriebenen – irrwitzig hohen Energiepreisen und sehen sich außerstande, Spielraum für Investitionen zu schaffen. Auch die EU-Politik vertritt Interessen – aber leider nicht die unserer arbeitsuchenden Jugend.

Viele namhafte europäische Unternehmen, die unter dem heimischen Klima-Regime leiden, denken daher längst über Produktionsverlagerungen nach Amerika nach. Jene, die wie die Voestalpine über die erforderlichen Mittel für Großinvestitionen verfügen, haben diesen Schritt übrigens längst vollzogen. Und sogar Konzerne, die ihre Produktion in den letzten Jahrzehnten in Schwellenländer auslagerten, orientieren sich standortpolitisch neu, denn an den USA führt für die Industrie derzeit kaum ein Weg vorbei.
Die Supermacht zeigt uns tagtäglich, wie Reindustrialisierung mit Hilfe einer wachen Politik funktionieren kann. Es wäre auch in Europa an der Zeit, wieder mehr an sich selbst zu denken, als ständig Versuche zu unternehmen, es der ganzen übrigen Welt recht zu machen. Wir sind deshalb in der EU, weil wir hoffen, dass wir so unsere wirtschaftlichen Ziele besser erreichen können. Bei aller paneuropäischen Romantik sollten wir uns daher vor Augen führen, dass eine Verlagerung nationaler Interessen nach Brüssel nur dann Sinn ergibt, wenn die positiven Aspekte für unsere Lebensqualität und unseren Wohlstand überwiegen.

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In der Printversion ist leider ein falscher Titel zu diesem Kommentar veröffentlicht worden. Wir bitten um Entschuldigung.

Tandl macht Schluss! Fazit 108 (Dezember 2014)

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