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Feine Kammer

| 30. April 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 112, Fazitportrait

Foto: Marija Kanizaj

Seit 15 Jahren leitet Christian Mandl als Präsident die Geschicke der Landarbeiterkammer, der kleinen, aber feinen Vertretung der in Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten. Mandl sieht seine Aufgabe in der Arbeit mit den Menschen vor Ort – sodass traditionelle Berufe in Bildung, Innovation und Gesellschaft mit der Zeit gehen.

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Die Interessenvertretung und die Arbeit mit den Menschen war von Anfang an seine Berufung – schon als der gebürtige Obersteirer nach der Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister 1969 seine Tätigkeit an der Schule Alt-Grottenhof aufnahm. Als Sohn einer kinderreichen Bergbauernfamilie aus Karchau bei St. Lambrecht war Christian Mandl schon recht früh bewusst, dass er seine berufliche Erfüllung abseits des elterlichen Betriebes suchen musste. Die harten Bedingungen des bergbäuerlichen Lebens haben ihn auf seinem weiteren Weg geprägt, wie er mit einer Prise Humor anklingen lässt: »Der Hof meiner Eltern ist so hoch gelegen, dass wir, wenn wir zum Edelweißpflücken gehen wollten, stets talwärts absteigen mussten.« Und ein weiterer Punkt hat sich als entscheidend herauskristallisiert, in seinen Erfahrungen als Schüler und später Lehrender – Bildung ist der wichtigste Schlüssel zum Erfolg im Leben, und so ist das Motto, das ihn bis heute begleitet: »Wer sich nicht ständig weiterentwickelt, bleibt nicht nur stehen, sondern fällt zurück.«

Ein Blick zurück in die Geschichte
Das Bewusstsein für die Wurzeln der beruflichen Interessenvertretung ist auch in der modernen Serviceeinrichtung präsent, erklärt Mandl. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich nicht nur die gesamte Gesellschaft stark verändert, sondern auch die Realität der Arbeitswelt der Landwirtschaft, deren romantisch gefärbtes Bild heute den Konsumenten nur noch in Werbesendungen und in den seichteren TV-Serien vermittelt wird. Es war ein langer Weg zu einer selbstbewussten Wahrung der Interessen: Noch im 19. Jahrhundert hatten die ländlichen Dienstboten nur wenige Rechte und selbst die körperliche Züchtigung durch den Bauern war bis 1867 offiziell erlaubt. Erst in der Zwischenkriegszeit entstanden christlich-soziale Landarbeiterbünde, aus denen sich im Lauf der Zeit Fachgewerkschaften als berufsständische Vertretungen entwickelten, unter anderem unter tatkräftiger Mitwirkung des späteren Landeshauptmanns Josef Krainer senior. Damals, im Jahr 1928, gab es in Österreich noch über eine Million Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft, die durch die arbeitsintensive Bewirtschaftung von Hand für die Erzeugung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen erforderlich waren. Durch den rapiden Mechanisierungsprozess, der in der Nachkriegszeit einsetzte, hat sich diese Zahl heute auf ein Zehntel davon reduziert. Dafür sind allerdings die Anforderungen an die technische Ausbildung und das Know-how der Arbeitnehmer enorm gestiegen. Heute vertritt die LAK durch neue Entwicklungen in der Land- und Forstwirtschaft über 12.000 Personen, die in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern tätig sind.

Die große Kammerreform
Als Christian Mandl nach rund zwei Jahrzehnten Engagement in der Landarbeiterkammer, der er seit 1983 in der Vollversammlung angehörte, im Juli 1999 zum Vizepräsidenten gewählt wurde, war ihm kaum bewusst, welche Herausforderungen noch auf ihn zukommen sollten. Der amtierende Präsident Alfred Wahl starb im April 2000 nach einer schweren Erkrankung im Alter von nur 58 Jahren und hinterließ die Aufgabe einer umfassenden Kammerreform seinem Nachfolger, zu dem Christian Mandl kurze Zeit darauf gewählt wurde. Als eines der ersten öffentlichen Organe verfolgte man die Vision einer umfassenden Strukturreform, erklärt Mandl: »Des Besondere an der Reform war, dass sie von innen heraus und freiwillig erfolgte, deswegen war sie auch so erfolgreich.« Das Ziel war es, so Mandl, »wegzukommen von einem überbordenden Funktionärssystem und sich hin zu einer schlanken und zeitgemäßen Serviceeinrichtung zu entwickeln, die für ihre Mitglieder umfassend da ist«. Funktionärspensionen wurden abgeschafft, dafür konnte mit dem Budget die regionale Betreuung vor Ort durch fachkundige Mitarbeiter, die auch regelmäßig die Betriebe für Beratungen aufsuchen, für die Mitglieder ausgebaut werden. Ein Blick in die hellen und modern gestalteten Büroräume in der Grazer Raubergasse beweist heute, dass das ambitionierte Vorhaben gelungen ist. Mit einem Minimum an Personal und Bürokratie, von dem andere Kammern nur träumen können, gewährleisten zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter den Ägiden des Präsidenten eine umfassende Betreuung der Mitglieder und die Wahrung ihrer rechtlichen Interessen. Daneben sorgen zahlreiche Publikationen und die Kammerzeitschrift sowie eine ansprechend gestaltete Internetpräsenz für eine umfassende Information der Arbeitnehmer in Land- und Forstwirtschaft. Und das ist nicht die einzige Berufsgruppe: Daneben gib es ein breites Spektrum an hoch spezialisierten Berufen, die von der LAK vertreten werden, erklärt Mandl mit sichtlichem Stolz: »Neben den traditionellen Berufen wie Land- oder Forstfacharbeiter zählen zu unseren Mitgliedern heute unter anderem Förster, Berufsjäger, Beschäftigte in Gartenfachbetrieben, Lagerhäusern, kleineren Molkereien und Genossenschaften, das Personal der landwirtschaftlichen Schulen und Forschungseinrichtungen und viele weitere.«

Modern gestalteter Rahmen
Der Gedanke der Offenheit und der Dienstleistung sollte aber auch nach außen entsprechend dargestellt werden, erzählt Mandl. Die Reform war deshalb von baulichen Maßnahmen begleitet, die durch den jungen, damals noch wenig bekannten Architekten Harald Saiko aus Graz geplant und umgesetzt wurden. Das Kammeramtsgebäude in der Grazer Innenstadt wurde dabei auch in der Innenausstattung einer grundlegenden Umgestaltung unterworfen. Die Idee einer »gläsernen Landarbeiterkammer« wurde damit umgesetzt. Der Eingangsbereich und der Empfang wurden großzügig in grün getöntem Glas gestaltet. Das Konzept mit offenen Räumen, vielen hellen Holzelementen und einer freien Stiege beeindruckte die Auftraggeber, berichtet Mandl: »Das war notwendig, allein schon weil dringender Handlungsbedarf für eine Renovierung gegeben war. In den winzigen und abgewohnten Büros fanden sich unter anderem noch Einrichtungsgegenstände aus den 1950er Jahren. Die Förderungen wurden beispielsweise in einem Raum abgewickelt, der mit fünf verschiedenen Möbelstücken ausgestattet war, aus jeder ‚Epoche‘ eines, was im Hinblick auf den Parteienverkehr keinen besonders guten Eindruck hinterließ. Da die Räumlichkeiten früher Wohneinheiten gewesen waren, arbeiteten auch einige Mitarbeiter in Durchgangszimmern, was meist sehr unangenehm war.«

Im Dienst der Gemeinschaft
Der Präsident selbst legt jährlich rund 50.000 Kilometer – »im eigenen Auto und ohne Chauffeur«, wie er hervorhebt – in der Steiermark zurück, um jederzeit möglichst nah bei den Mitgliedern und ihren Anliegen zu sein. Die Aufgaben als Interessenvertretung sind sehr vielfältig: Rechtliche Beratung, Ausbildung und Schulungen, Förderungen und Darlehen für Wohnraum sowie Wettbewerbe, Gemeinschaftsförderung und Öffentlichkeitsarbeit sind nur einige der wichtigen Felder, die für die Vertretungsarbeit wichtig sind. Die Bedeutung der Rechtsberatung zeigt sich jährlich in Form von hunderten Fällen, in denen die LAK in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen die Mitglieder vertritt, auch in so spektakulären Fällen wie jenem des von seinem Arbeitgeber jahrzehntelang ausgebeuteten Knechts Max, der vor einigen Jahren durch die Medien ging. In der Mehrzahl werden die Verfahren mit Hilfe der Kammersekretäre und einer erfahrenen Kammerjuristin jedoch einvernehmlich und außergerichtlich geschlichtet. Eine große Bedeutung hat für Mandl auch die Förderung des Gemeinschaftsgedankens: »Wie in jedem Jahr veranstalten wir auch heuer wieder einen unserer stets gut besuchten Gemeinschaftstage für unsere Mitglieder und deren Familien. Diesmal geht es auf die oststeirische Riegersburg, um dort bei Ritterspielen und Greifvogelschau in vergangene Zeiten einzutauchen.« Zur Öffentlichkeitsarbeit zählen auch Events wie das »Waldfest« im Juni in der Grazer Innenstadt oder Wettbewerbe wie die Bundesmeisterschaft der Forstarbeit am 29. August am Grazer Hauptplatz. Dort werden Motorsägeathleten wie der österreichische Juniorenweltmeister Mathias Morgenstern ihr hohes technisches Können beweisen.

Bildung macht fit für die Zukunft
Der Bildungsbereich liegt Christian Mandl ganz besonders am Herzen, nicht nur weil er selbst lange Jahre als Lehrkraft an einer landwirtschaftlichen Schule tätig war, sondern weil er weiß, dass insbesondere Ausbildung und Weiterqualifikation die entscheidenden Elemente für den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie von besseren Karrieremöglichkeiten sind. »Neben der fachlichen Ausbildung ist es auch wichtig, die Begeisterung der jungen Menschen für den gewählten Beruf zu fördern«, betont Mandl. Dieses Motiv gilt auch für die Auszeichnungen, mit denen ambitionierte Lehrlinge für ihre herausragenden Leistungen belohnt werden. Daneben wird intensiv am Ausbau des Angebotes von Aus- und Weiterbildung seitens der Landarbeiterkammer selbst gearbeitet. Mit dem Bildungsverein INA, der seine Tätigkeit im Jahr 2008 aufgenommen hat, bietet man in Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen ein breites Programm an Kursen und Weiterbildungen an. Für die Zukunft fühlt man sich mit den bestehenden Angeboten bestens gerüstet, dennoch ist es ständige Weiterentwicklung, die in wirtschaftlich nicht ganz einfachen Zeiten den bleibenden Erfolg garantiert, resümiert der Präsident. Dass er das Steuerrad an einen Nachfolger abgeben wird, ist absehbar – was für ihn dabei zählt, ist seine Kammer weiterhin auf dem richtigen Kurs zu wissen.

***

Die Steiermärkische Landarbeiterkammer wurde 1950 als Vertretung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft gegründet. Seit den 1960er Jahren gab es bedingt durch Mechanisierung in der Landwirtschaft einen steten Rückgang an Mitgliedern. Der Trend hat sich im vergangenen Jahrzehnt durch die Aufnahme neuer Berufsgruppen jedoch umgekehrt, sodass die LAK heute als Interessenvertretung und Servicestelle für rund 12.000 Arbeitnehmer in der Steiermark wirkt.

Steiermärkische Landarbeiterkammer
8010 Graz, Raubergasse 20
Telefon 0316 8325070
lak-stmk.at

Fazitportrait, Fazit 112 (Mai 2015) – Foto: Marija Kanizaj

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