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Politicks Juni 2015

| 27. Mai 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 113, Politicks

Integrationsunwilligkeit –  Die FPÖ als Themenführer
Obwohl die Mehrheit für die Reformpartner bei der Landtagswahl nicht gefährdet scheint, hat es die FPÖ mit einer stark polarisierenden Kampagne verstanden, die Berichterstattung des nach Umfragen wahlentscheidenden Themenbereiches »Migration, Asyl und Integration« vollkommen zu dominieren. Das Thema ist so stark, dass die Freiheitlichen damit bei der Wahl stark zulegen werden. Die eindeutigen Slogans gegen Asylmissbrauch und gegen eine vermeintliche Islamisierung wirken. Dass den freiheitlichen Spitzenkandidaten Mario Kunasek so gut wie keiner kennt, wird da zur Nebensache. Den Gegenpol zur FPÖ bilden Grüne und Kommunisten. Sie versuchen sich mit klassisch linkspopulistischen Standpunkten als Freunde einer Politik möglichst offener Grenzen zu positionieren.

Für SPÖ und ÖVP gibt es als Anhänger einer sozial verträglichen Migrationspolitik zwischen diesen beiden Polen derzeit nicht viel zu holen. Die beiden Parteien schaffen es einfach nicht, den Wählern klarzumachen, dass wir in unserer demografischen Situation einerseits dringend qualifizierte Zuwanderer benötigen und dass andererseits eine völlige Öffnung der Grenzen nichts anderes als das Ende des Sozialstaats mit sich bringen würde. Von beiden Parteien kommen im aufgeheizten Diskussionsklima daher schon seit längerer Zeit kaum inhaltliche Diskussionsbeiträge, sondern bestenfalls Kritik an FPÖ und Grünen.

Integrationsunwilligkeit – Die SPÖ hat sich verkalkuliert
Landeshauptmann Franz Voves geriet spätestens nach den FPÖ-Erfolgen bei der Europawahl im Vorjahr unter Zugzwang, die Bedenken der SPÖ-Kernschichten gegen die scheiternde Migrationspolitik ernst zu nehmen. Voves sah sich daher Anfang des Jahres dazu gezwungen, die »Integrationsunwilligkeit« gewisser Migrantengruppen gezielt zu thematisieren. Schon damals war klar, dass es gefährlich sein würde, sich auf das gleiche Spielfeld wie die FPÖ zu begeben. So war etwa Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer klug genug, sich nicht in eine Debatte treiben zu lassen, bei der sich beide Reformpartner gegenseitig, mit jeweils noch härteren Sanktionsvorschlägen gegen etwaige Integrationsverstöße, zu übertrumpfen versuchen. Mit den Worten »Ich will niemanden links und schon gar niemanden rechts überholen!« wollte Schützenhöfer – im Gegensatz zu Voves – das Breittreten dieses sensiblen Themas in einem Wahljahr verhindern.

Der Landeshauptmann hatte zudem völlig unterschätzt, wie laut der Aufschrei der SPÖ-Linken wegen seiner Forderung, gegen integrationsunwillige Migranten vorzugehen, sein würde. Daher versuchte Voves einige Wochen später zurückzu-rudern. Und so hat das Land Steiermark – nach dem Motto »Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis!« – Anfang März eine sogenannte Integrationskommission ins Leben gerufen. Landesamtsdirektor Helmut Hirt, Landespolizeidirektor Josef Klamminger, die Rektorin der Pädagogischen Hochschule, Elgrid Messner, sowie der Bildungsexperte Bernd Schilcher sollen bis Herbst rechtliche und politische Handlungsempfehlungen zu Integration und Integrationsunwilligkeit vorlegen.

Ärgerlich nur, dass die Landtagswahl bis dahin längst entschieden ist und die Reformpartner den Wählern nicht vermitteln können, für wen wir unsere Grenzen in den nächsten Jahren öffnen müssen und für wen wir sie besser schließen sollten.

ÖVP: Schützenhöfer setzt auf »Reformotor«
Während die Reformpartner mittlerweile in ganz Österreich zahlreiche Bewunderer haben, lassen die künftigen Oppositionsparteien FPÖ, Grüne, KPÖ und auch die Neos kaum ein gutes Haar an ihnen. Insgeheim schielen die Herausforderer nach wie vor auf die Unterstützung aus den Reihen der zahlreichen Reformverlierer. Und dass es die gibt, steht fest. Schließlich wurden landauf, landab die jahrzehntelang aufgeblähten Strukturen erstmals zurückgefahren: So wurde mit der Bezirks- und der Gemeindereform nicht nur die steirische Landkarte neu gezeichnet, sondern zahlreiche Gemeindeämter und mehrere Bezirkshauptmannschaften eingespart. Und auch die Zahl der Dienststellen innerhalb der Landesregierung wurde deutlich reduziert. ÖVP-Spitzenkandidat Hermann Schützenhöfer ist sich natürlich bewusst, dass die Strukturreformen zahlreiche Steirer um ihre Karrierechancen gebracht haben. Deshalb verweist er bei seinen Reden auch immer darauf, dass die Reformpartner mit der Verkleinerung von Landesregierung und Landtag auch bei sich selbst gespart hätten.
Als Reformdividende sieht er einen Spitzenplatz der Steiermark im Wirtschaftsranking der österreichischen Bundesländer. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, fordert er seinen Wählern jedoch weitere notwendige Reformen und der Wirtschaft noch höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung ab. »Wir brauchen mehr Arbeit und Wirtschaft, mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung, und wir brauchen einen starken Lebensraum mit neuen Formen der Mobilität«, fasst er sein Programm bei seinen Wahlkampfauftritten zusammen. Schützenhöfer will die ausgedünnten steirischen Randregionen stärken und in den Mittelpunkt der politischen Anstrengungen stellen. Mit einem Regionalressort, das sich gezielt um die Anliegen der Abwanderungsregionen kümmert. Seine Zauberformel heißt »Chancengleichheit der Lebensräume«. Jedem Steirer sollen von der Politik die gleichen Chancen geboten werden, ganz egal ob er im Zentralraum oder in einer Randregion aufwächst. Was bei Kinderbetreuung und Bildung noch einigermaßen machbar erscheint, wird bei der Chance auf gleichwertige Arbeitsplätze schwierig. Der ÖVP-Chef will sein Ziel mit einem Regionalbonus bei Landesförderungen und mit neuen Mobilitätskonzepten erreichen. Das das nur den (teuren) Ausbau des öffentlichen Verkehrs bedeuten kann, liegt auf der Hand.
Wenige Tage vor der Wahl zeigen sämtliche Umfragen die SPÖ zwei bis vier Punkte vor der Volkspartei. Schützenhöfer appelliert an die Steirer, so zu wählen, dass die notwendigen Reformen mutig weitergeführt werden können: »Eine Partnerschaft braucht immer zwei starke Säulen. Sie kann nur funktionieren, wenn sich die Partner auf Augenhöhe begegnen.« Der Wahltag wird zeigen, ob dieses Konzept des Nichtangriffspaktes aufgeht.

Wenig Rückenwind für die ÖVP aus Wien
Zu einem schlechteren Zeitpunkt für den wahlkämpfenden Hermann Schützenhöfer hätte die Finalisierung der Steuerreform wohl nicht beschlossen werden können. 13 Tage vor dem Wahltermin einigten sich Rot und Schwarz im Parlament nicht nur auf die Tarifreform, sondern auch auf die vollständige Gegenfinanzierung der Entlastung durch die als Grunderwerbsteuerreform getarnte Wiedereinführung der Erbschaftssteuer, das Ende des Bankgeheimnisses und die Registrierkassenpflicht für Kleingewerbetreibende. Auch dass als Draufgabe zwar eine Belegaufbewahrungspflicht für die Kunden, jedoch (noch) keine Sanktionen gegen etwaige Verstöße beschlossen wurden, kann man nur als Verhöhnung der Wähler bezeichnen. Besonders verbittert ist der ÖVP-Wirtschaftsflügel. Die Unternehmer fühlen sich von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling – beide kommen aus dem Wirtschaftsbund – verraten. Und auch dass die Familien einmal ein Kernanliegen der ÖVP waren, geht aus der Politik der rotschwarzen Bundeskoalition nicht hervor. Nach mittlerweile 28 Jahren ÖVP-Regierungsbeteiligung zählt Österreich in Bezug auf sein Steuersystem zu den familienfeindlichsten Ländern der Welt.

Voves für 20-Stundenwoche und »Vereinigte Staaten von Europa«
Das alte System sei dabei, an die Wand zu fahren, erklärte Landeshauptmann Franz Voves kürzlich gegenüber »Puls 4«. »Wir brauchen einen neuen Zugang, wie wir die Wirtschaft so führen, dass es für alle ein Auskommen gibt, ansonsten gibt es Krieg«, erklärte er der erstaunten Reporterin, und wenn die Arbeitslosigkeit in Europa jetzt noch um eine Nuance ansteige, dann könne das Feuer bald lodern. Seine Forderung nach einer 20-Stundenwoche begründet Voves mit der nächsten digitalen Revolution: »Seriöse Studien sagen, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren weltweit 150 Millionen Arbeitsplätze verlieren werden, weil noch gescheitere Computer und Roboter den Menschen ablösen werden.« Die Antwort sei eine Arbeitszeitverkürzung. Man werde sich fragen müssen, wann wir einmal 20 Stunden arbeiten werden und den Rest des Tages mit sinnvoller gemeinnütziger Arbeit verbringen, so der Landeshauptmann.

Die Politik sei, so Voves, allerdings nicht in der Lage, zu reagieren, sondern sie werde von multinationalen Großkonzernen »overruled«: »Ich glaube, dass man sich fragen wird müssen, ob eine Wirtschaftsordnung, die ausschließlich Gewinnmaximierung und Konkurrenz in der Vordergrund stellt, nicht von einer Wirtschaftsordnung abgelöst werden muss, wo es um Gemeinwohl und Kooperation geht.«

Im Weiteren forderte Voves eine wesentlich stärkere Bekämpfung von Monopolen und Oligopolen. Die Politik gegenüber Konzernen zu stärken sei allerdings nur mit erhöhter europäischer Kooperation möglich. Er sei daher für die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa.

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Politicks, Fazit 113 (Juni 2015)

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