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Tandl macht Schluss (Fazit 115)

| 29. Juli 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 115, Schlusspunkt

Der Euro ist zur Gefahr für die europäische Idee geworden. Selten wurden mit einem europäischen Projekt so große Hoffnungen verknüpft wie mit dem Euro. Doch die Idee der Gemeinschaftswährung war von Anfang an eine politische und keine ökonomische. Sie war der Preis für die deutsche Wiedervereinigung, den Deutschland für die Zustimmung von London und Paris leisten musste.

Der »Kanzler der Einheit« Helmut Kohl war als Anhänger eines europäischen Bundesstaates nur zu gerne bereit, diesen Preis zu bezahlen. Aus der Sicht des großen Europäers sollte der Euro die Schaffung eines europäischen Bundesstaates nämlich massiv beschleunigen.

Damit glaubten Großbritannien und Frankreich ein Instrument geschaffen zu haben, mit dem sie Deutschland unumkehrbar in Europa einbinden und – falls irgendwann doch wieder deutsche Hegemonietendenzen erkennbar werden sollten – wirtschaftlich kontrollieren können. Der Euro hatte aber auch aus Sicht der Ökonomen große Vorteile. Endlich konnte Europa als der mit Abstand größte Wirtschaftsraum der Welt ein echtes Gegengewicht zur globalen Leitwährung, dem US-Dollar, aber auch zum japanischen Yen aufbauen. Der Euro sollte sich zur mächtigen Waffe entwickeln, um Europa zur wachstumsstärksten Wirtschaftsmacht der Welt zu transformieren. Warnungen amerikanischer Ökonomen, dass eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskalpolitik scheitern müsse, wurden als politische Statements zum Schutz des Dollars abgetan.

Anstelle einer gemeinsamen Fiskalpolitik wurde das »No-bail-out-Prinzip« beschlossen. Es sollte gewährleisten, dass kein Euroland für die Verbindlichkeiten eines anderen herangezogen werden kann. Und mit den Maastricht-Kriterien wurde zudem ein Stabilitätsmechanismus eingeführt, der die europäischen Volkswirtschaften fiskalpolitisch aneinander heranführen sollte. Der deutschen Öffentlichkeit wurde jedenfalls vermittelt, dass der Euro ähnlich hart sein würde wie die D-Mark.

Doch nicht nur die ehemaligen Weichwährungsländer des europäischen Südens konnten den Verlockungen der niedrigen Zinsen, die der Euro mit sich brachte, nicht widerstehen und ließen ihre Staatsverschuldung weit über das Maastricht-Ziel von 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) hinaus schießen. Selbst das disziplinierte Deutschland beteiligte sich am Sündenfall, indem es mehrfach hintereinander gegen die Maastricht-Verpflichtung, die jährliche Neuverschuldung unter vier Prozent des BIP zu halten, verstieß.

Die Griechen hielten sich hingegen an gar nichts. Sie hatten den Euro nur bekommen, weil sich die USA für sie eingesetzt hatten. Alle wussten, dass die Wirtschaftsdaten, mit denen Griechenland seine wirtschaftliche Stabilität vortäuschte, gefälscht waren. Danach stiegen die griechischen Beamtengehälter zwischen 2001 und 2008 um 140 Prozent – im gleichen Zeitraum stiegen die Löhne in Deutschland nur um etwa 25 Prozent. Außerdem leistete sich Griechenland den größten Militärhaushalt aller EU-Staaten. Irgendwann im Jahr 2008 wurde das gesamte Ausmaß des griechischen Finanzdebakels bekannt. Und die Hilfsprogramme, mit denen die Griechen vorläufig im Euroraum verbleiben konnten, wurden zum Schutz der internationalen Gläubiger und zum Schaden der europäischen Steuerzahler aufgenommen.
Und noch immer wird der politische Albtraum, zu dem sich die Währungsunion längst entwickelt hat, von einer uneinsichtigen Politik künstlich am Leben gehalten. Die Tatsache, dass Griechenland zu 100 Prozent pleite ist, wird ignoriert und stattdessen versucht man um teures Geld weitere Zeit zu erkaufen.

Selbst wenn es keiner hören will: Die EU ist als Beitragstäter für die griechische Pleite mitverantwortlich.

Es wäre höchst an der Zeit, einen Schlussstrich unter die gescheiterte Gemeinschaftswährung zu ziehen und einen Plan B umzusetzen. Nicht nur aus finanziellen Gründen, denn teuer wird es auf jeden Fall. Ob ein Grexit ausreicht, oder ob die Einführung eines Nord-Euro den Ausweg darstellt, hängt davon ab, wann die Politik die Realitäten endlich akzeptiert. Besser es scheitert der Euro und nicht die europäische Idee.

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Tandl macht Schluss! Fazit 115 (August 2015)

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