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Wandern in Postkarten

| 29. Juli 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 115, Fazitreise

Foto: Katharina Zimmermann

Salz in der Luft und Wind im Haar – die Amalfiküste wurde als Ganzes zum Weltkulturerbe ernannt. Dementsprechend viel Gewusel findet auf den Stränden und Dorfplätzen statt. Doch man kann dem entrinnen und mit viel Weitblick über den Dingen wandern.

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Fischerboote liegen im Hafen und im Dorf stapeln sich die pastellfarbenen Häuser wie Schuhschachteln: quadratisch, praktisch, gut. Harmonisch sind sie aber allemal. Enge, betonierte Gassen ziehen sich wie kleine Adern durch das Häusergestrüpp, manchmal sieht man auch Kopfsteinpflaster. Doch nicht nur deswegen, sondern auch wegen der schwindeligen Steigung kann man die Stöckelschuhe vor dem Amalfiurlaub getrost daheim lassen. Da ein Zitronenbaum, dort eine wilde Aloe-Pflanze: Immer wieder erinnert die mediterrane Flora daran, dass sie auch noch da ist. Dies könnte die Beschreibung fast eines jeden Dorfes der Amalfiküste auf der Sorrentinischen Halbinsel sein.

Blickt man näher, merkt man, dass der Glanz etwas abblättert und die Wände bald wieder einen Anstrich brauchen würden. Doch genau dieser morbide Charme ist es, der dazu einlädt, die Kamera zu zücken und zu fotografieren. Es ist 17 Uhr, vor »Olga’s Alimentari« im winzigen Nerano haben sich wieder ein paar eingesessene Einheimische auf die Bank gesetzt, um das Treiben auf der Straße und am gegenüberliegenden Dorfplatz zu beobachten – über den Platz spannt sich ein tief hängendes Volleyballnetz. Ein paar Touristen schlecken an ihrem Eis und tragen damit einen touristischen Wettkampf mit der Hitze aus, den schon Generationen vor ihnen verloren haben.

Durch die Pfanne zum Paradies
Santa Agata bildet das Tor zum westlichen Teil der Amalfiküste. Das ist der vor dem die Insel Capri wie eine müde Schildkröte zu schwimmen scheint. Schroff und steil ist die Küste da wie dort. Und schön ist sie auch. Da muss man sich nicht zu den Massen in Amalfi oder Positano gesellen, um in den Genuss von hoch schwebenden Wanderpfaden zu kommen, die wild umwuchert ihr kampanisches Dasein fristen. Mittlerweile ist Hochsommer und die Hitze legt sich wie ein nasses Tuch über die ganze Halbinsel. Ein bisschen streichelt der Wind vom Meer her die ohnehin schon mit Sonnenbrand bedeckte Haut, denn irgendwann hat man sicher vergessen, sich einzuschmieren. Von Nerano geht der Pfad zu einem kleinen Strand: der Baia di Ieranto. Für viele ist das die schönste Bucht der ganzen Halbinsel. Das haben sowohl Odysseus als auch die alten Griechen sowie die Römer begriffen, die hier einen Tempel errichtet haben beziehungsweise Minerva angebetet haben. Die Ruinen stehen heute noch, die Bucht hat ihren Charme nicht verloren. Das klare, saubere Wasser und der etwa 30 Meter lange Minisandstrand gehören zu den schönsten Fleckchen in ganz Italien. Und nicht nur deswegen, weil man eine eineinhalbstündliche Wanderung hinter sich hat, die man am besten entweder früh morgens oder abends bewältigt, denn dann sind die Temperaturen noch erträglich. Denn steil geht es hinauf zum Wanderweg und ebenso steil die Stufen herunter, in der Mittagssonne würde man dabei gegrillt werden. Da helfen dann auch die grauen Eminenzen, die Olivenbäume, nicht mehr. Selbst die Wolfsmilchgewächse haben jetzt, über den Sommer, schon ihr Blätterkleid abgeworfen.

Gut bestrandet
Nach Massa Lubrense in Kampanien kommen diejenigen Reisenden, die gerne zwischen den Zeilen lesen, dafür werden sie aber nachhaltig glücklicher sein, ohne das schreiende Amalfi oder Positano gesehen zu haben, auf denen die touristischen Trampelpfade schon längst ausgetreten sind. Oder eben die Schüler der kleinen Meeresschule »Unimare«, die vom Österreicher Martin Möstl betrieben wird und Schülern das Leben im Meer näherbringen soll. Mit Schnorchel und Maske bewaffnet, sieht man in den türkisblauen Stränden unter der Wasseroberfläche beinahe alle Mittelmeerfische, über die man im Biologieunterricht gelernt hat. Brassen, Grundeln und Petermännchen schlängeln sich durch die bewachsenen Unterwasserlandschaften, vorbei an orangen Anemonen und Seegras. Die dazugehörigen Strände sehen aus wie im Urlaubsbilderbuch.

Etwa Marina del Cantone mit seinen 30 Häusern, die in die natürlichen Felsen gebaut wurden wie ein Amphitheater, oder Recommone, zu dem man in nur zehn Minuten über Stock und Stein wandert mit seinen zwei Höhlen. Dabei lässt man auch die Vegetation nicht aus – das Gelb des Ginsters oder die frechen Zitronen – alles hebt sich wunderbar ab vom Blau des Himmels und den Tintenfarben des Meeres. Hin und wieder blickt man auf mittelalterliche Ruinen, deren geflüsterte Geschichten über die glorreiche Vergangenheit vom Wind geschluckt werden. Silberne, bewirtschaftete Olivenhaine treffen auf duftenden, sich durch Steine kämpfenden Rosmarin. Und hin und wieder sonnt sich eine Eidechse am Stein. Es riecht würzig zwischen Neapel und Salerno und der Postkartenmotive gibt es genug. Die findet man wortwörtlich an jeder Ecke.

Den Göttern folgen
Die Bucht von Ieranto ist eine Sache, etwas ganz anderes ist der Götterpfad, der Sentiero degli Dei. Er ist bekannt und dementsprechend abgetrampelt. Doch schön und empfehlenswert bleibt er doch. Einst waren diese Wege die einzige Möglichkeit, wie man am Land von Ort zu Ort kam. Die Landmenschen sammelten Nüsse und Kastanien und tauschten sie mit den Meeresleuten, die Salz und Fische zu bieten hatten. Das war noch lang bevor die Fiat Pandas und die kleinen dreirädrigen Vespatransporter die Küstenstraßen besiedelten. Da nützte man noch Trampelpfade und Maultiere erledigten die Schlepperei. Heute ist der Weg ein freiwilliger und natürlich: das Ziel! Der Startpunkt liegt in Praiano, dem Ort, der irgendwie dazwischen steht. Und zwar nicht nur geografisch, sondern auch was den Tourismus anbelangt, denn er ist immerhin der authentischste weit und breit. Der englische Koch Jamie Oliver schwört auf Praiano und kommt immer wieder gerne hierher.

Ob er auch den Aufstieg zum Konvent San Domenico macht, weiß man nicht. Fest steht, dass man dort immer von einem jungen Mann empfangen wird, der diverse kalte Getränke oder auch Kaffee im Angebot hat. Die Klosterkirche ist ebenso einfach wie schön und unter der Pinie lässt es sich herrlich in die Ferne schweifen. Gleißend geht es weiter über Stock und Stein, doch hat man erst einmal die Ebene des Pfades erreicht, kommen bis nach Nocelle keine gröberen Höhenunterschiede mehr dazu. So wandelt man 500 Meter über dem Tyrrhenischen Meer und wundert sich, warum man immer wieder von diesem Ausblick überwältigt wird. Dann gesteht man sich selbst ein, dass dieser tatsächlich göttlich sein muss. Und ist glücklich.

Weitere Informationen
zur Amalfiküste bieten die Webseiten amalfikuesteitalien.de (deutsch) sowie positano.com, amalfiscoast.com und amalfitouristoffice.it (englisch und italienisch).

Anreise erfolgt am besten mit dem Zug oder Flugzeug nach Neapel. Von dort kann man dann mit dem Mietwagen die Gegend erkunden.

Fazitreise, Fazit 115 (August 2015); Foto: Katharina Zimmermann

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