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Mit dem Oldtimer durch Asien

| 19. November 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 118, Fazitreise

Foto: Walter Fischer

In 43 Tagen um den halben Globus quer durch acht Länder. Zwei jung gebliebene Entdecker und ihr Oldtimer auf der legendären Seidenstraße über 16.000 Kilometer von Berlin nach Peking.

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Wer eine Reise von Berlin nach Peking machen will, tut dies heutzutage für gewöhnlich per Flugzeug. Wenn aber der Weg das Ziel ist, dann gibt es wenige Alternativen, die für die beiden Abenteurer Hans Naglreiter (56 Jahre) und Walter Fischer (70 Jahre) verlockender wären, als sich in einem 42 Jahre alten Mercedes 240D Oldtimer auf große Fahrt zu begeben. Für viele andere allein der Gedanke ein Wahnsinn, für die beiden Freunde ein Jugendtraum und die wahrscheinlich schönste Reise zweier Oldtimerfans mit mehr als 16.000 Kilometern voller Nervenkitzel.

::: Text und Fotos von Walter Fischer

Begonnen hatte alles während eines Oldtimertreffens, wo dann aus einer simplen Idee der Plan für eine ungewöhnliche Tour reifte. Man beschloss nach einigem Überlegen, sich der »New Silk Road Rallye«, der von einem auf China spezialisierten Reiseveranstalter organisierten Rallye entlang der Seidenstraße, anzuschließen.

Der Beginn eines langen Weges
Berlin, 31. August 2014. In der deutschen Bundeshauptstadt fällt der Startschuss am prominenten Kurfürstendamm und wir beginnen unsere Reise über Polen, Weißrussland, Russland, Kasachstan, Usbekistan und Kirgistan bis in die chinesische Hauptstadt. Von gut befahrbaren Straßen und einsamen Dörfern inmitten der polnischen Föhrenwälder geht es zuerst einmal nach Warschau. Ein guter Einstieg in die Anfänge unwegsamer Gegend, die uns in Pinsk (Weißrussland) mit seinen Rokitnosümpfen erwartet.

Das erste Mal ist es uns Abenteurern dann in Homel etwas mulmig zumute. Die zweitgrößte Stadt Weißrusslands gilt als eines der durch die Katastrophe von Tschernobyl am meisten kontaminierten Gebiete. Ein Hinweis für andere Reisende – der eingeschränkte Genuss von Waldnahrungsmitteln ist sehr empfehlenswert. Worauf man in Homel noch verzichtete, genießen wir in Wolgograd in vollen Zügen – Straßenmärkte voller regionaler Köstlichkeiten, wie Sonnenblumenöl, Kürbisse, Melonen, eingelegte Pilze, Tomaten, Kartoffeln, Karotten, Äpfel und allerlei mehr. Das bunte Treiben lässt einen bald die traurige Berühmtheit der Stadt Wolgograd im Zweiten Weltkrieg – damals noch unter den Namen Stalingrad – fast vergessen.

Österreicher mag man eben
Zu einem besonderen »Souvenir« aus dem nun fernen Österreich kam ein Kollege der örtlichen Polizei im Raum Wolgograd. Nachdem wir aufgrund einer vermeintlichen Missachtung von Verkehrsregeln angehalten wurden, erlauben wir uns, dem Beamten eine rosa Packung der bekannten Wiener Waffelspezialitäten zu überreichen. Den Polizisten wohl im Glauben lassend, wir hätten darin finanzielle Köstlichkeiten verpackt, konnten wir unsere Fahrt wieder fortsetzen. Wer hätte gedacht, dass österreichische Naschereien auch im Ausland so beliebt sind …

Auf dem Weg nach Astrachan treffen wir auf die wohl größte Ansammlung von Schlaglöcher, die es jemals gegeben hat. Abgelenkt durch die Landschaft der wunderbaren Kalmückischen Steppe und einige vorbeiziehende Kamele bemerken wir erst spät, dass unser Oldtimer doch nicht so fit ist wie wir. Aber alles der Reihe nach. An der Brücke von Europa nach Asien, also am Ural, ist alles noch in bester Ordnung. Wir passieren Grenzposten, überstehen stundenlange Visaprozeduren und unerklärliche Wartezeiten an menschenleeren Grenzübergängen. Hier ist viel Geduld gefragt. Interessanterweise finden wir in Usbekistan heraus, dass unser europäischer Verdauungsapparat keine Freude mit dem hier beliebten Baumwollöl hat. Damit es unserem Mercedes nicht auch so geht, müssen wir regelmäßig auf teuren Schwarzmarktdiesel zurückgreifen. Als wir endlich eine normale Tankstelle finden, entdecken wir, dass auch bei undichtem Treibstoffschlauch jeder Tropfen genutzt wird. Wer weniger benötigt, besorgt sich seinen Treibstoff einfach am Straßenrand, wo er in Plastikflaschen und Kanistern verkauft wird.

Von Schafen und Gipfeltreffen
Wer sich auf die historischen Spuren der Seidenstraße begibt, kommt an der Stadt Buchara nicht vorbei. Früher ein wichtiges Zentrum für den Handel mit Baumwolle, liegt es nun pittoresk umgeben von Wüstensand und den auf Baumwollfeldern grasenden Karakulschafen. Wir genießen das historische Flair einer vergangenen Handelsmetropole und begeben uns weiter nach Samarkand. Das hat heute rund 360.000 Einwohner und gehört zu den ältesten Städten der Welt. Wir treffen auf 2.750 Jahre Geschichte, die bis zum heutigen Tag nichts an Faszination eingebüßt hat. Bei der Fahrt über den Kamchikpass an der Grenze zu Tadschikistan erblicken wir zum ersten Mal das atemberaubende Panorama der schneebedeckten Gipfel des Tianshangebirges.

Die Siedlung Sary Tash, das Winterquartier der Nomaden, liegt hier auf 3.400 Meter über dem Meeresspiegel. Unser Treffen mit den Gipfeln geht auch an unserem Oldtimer nicht spurlos vorüber. Bei minus 3 Grad Celsius brauchen wir eine extra Vorglühphase. Dafür belohnt uns ein herrlicher Ausblick auf die uns umgebenden Siebentausender. Langsam nähern wir uns dem Reich der Mitte. Hohe Pässe, schwer passierbare Straßenwindungen und mehr Kuh- und Pferdeherden als Menschen. Aber die atemberaubende Landschaft des Pamir Highway, der in weiterer Folge auf die Tibetische Hochebene führt, entlohnt für viele aufreibende Situationen.

Wo China beginnt
Schließlich sind wir in China angekommen. Das macht sich auch gleich an den guten Straßenverhältnissen bemerkbar. Und doch fühlen wir in Kashgar, dem wichtigen Handelszentrum der antiken Seidenstraße, eher eine orientalische als ostasiatische Atmosphäre. Die ehemalige Oase hat sich in den vergangenen Jahren zu einer modernen Stadt mit historischem Kern entwickelt. Inmitten der tief beeindruckenden Tibetischen Hochebene entdecken wir den kleinen Ort Huatugou. Eine aufstrebende Kleinstadt, die von der Erdölförderung lebt und von Mongolen und Tibetern bewohnt wird. Normalerweise ist der Ort für Ausländer nicht passierbar. Wir hatten glücklicherweise eine Ausnahmegenehmigung bekommen und fuhren fast unbeobachtet – siehe Bild – durch die faszinierende Umgebung. Leider nützt manchmal auch die beste Genehmigung nichts – wir müssen den Ort aufgrund polizeilicher Anordnung dennoch frühzeitig verlassen.

Auf dem Wege von Lanzhou nach Baoji erreichen wir eine neue »Rekordgeschwindigkeit« von 15 Kilometern in einer Stunde. Die Straßen sind hier nahezu unpassierbar. Unser Handyempfang hat uns schon lange vorher verlassen, und nach zwölfstündiger Irrfahrt kommen wir endlich an unserem Tagesziel Baoji an. Es wird Zeit für weniger Aufregungen. Da kommt es gut zupass, dass wir unser Abenteuer in der Wüste Taklamakan fortsetzen. In der zweitgrößten Sandwüste der Welt suchen wir vergebens Zeichen von Leben. Dafür verzeichnen wir Temperaturunterschiede von bis zu 75 Grad Celsius zwischen Tag und Nacht. Am Ende haben wir es geschafft – Peking liegt vor uns.
Das Fazit: 16.000 Kilometer Abenteuer, 10.000 Fotos, bewegende Landschaften und faszinierende Menschen, unendlich viel Staub, aber noch mehr unvergessliche Erinnerungen an die großartigste Reise unseres Lebens.

Weitere Informationen
Das deutsche Reisebüro China Tours bietet mit der »New Silk Road Rallye« Auto- und Oldtimertouren mit dem eigenen Fahrzeug nach Ostasien an. newsilkroad.de

Fazitreise, Fazit 118 (Dezember 2015); Foto: Walter Fischer

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