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Tandl macht Schluss (Fazit 119)

| 22. Dezember 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 119, Schlusspunkt

Die Abgabenquote hat ein leistungsfeindliches Ausmaß erreicht. Wenige Tage bevor die Steuerreform in Kraft tritt, müssten eigentlich sämtliche Frühindikatoren nach oben zeigen, um den größten Wachstumsschub dieses Jahrtausends anzukündigen. Denn immerhin beglückt uns die Regierung mit der, so Bundeskanzler Werner Faymann, größten Steuerentlastung in der Geschichte der zweiten Republik. Doch weit gefehlt. Während für die USA 2016 ein Wachstum von drei Prozent prognostiziert wird, soll die österreichische Wirtschaft nur um 1,6 Prozent wachsen.
Eigentlich darf man nur dann von einer Entlastung sprechen, wenn der Finanzminister tatsächlich auf Einnahmen verzichten muss. Davon kann bei dieser Tarifreform aber überhaupt keine Rede sein. Den Lohn- und Einkommensteuerzahlern werden zwar fünf Milliarden Euro nachgelassen. Dabei handelt es sich ohnehin um Geld, das sich die Regierung nur durch die kalte Progression angeeignet hat. Die längst fällige Tarifreform wurde so lange verzögert, bis sich das Konzept der »Steuerreformverschleppung« einfach nicht mehr aufrechterhalten ließ. So ist im Jahr 2014 die Bruttolohnsumme der österreichischen Arbeitnehmer um 2,8 Prozent gestiegen. Im selben Jahr sind die Lohsteuereinnahmen jedoch um unglaubliche 4,7 Prozent gewachsen.

Und weil der Finanzminister nicht auf die fünf Milliarden verzichten kann, müssen halt andere Gruppen herhalten. Etwa drei Milliarden sollen durch die Registrierkassenpflicht, die Abschaffung des Bankgeheimnisses, die Vergrößerung der Steuerbemessungsgrundlage, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die als Grunderwerbsteuerreform getarnte Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie andere Vermögenssteuern hereinkommen. Etwa eine Milliarde will die Regierung tatsächlich in der Verwaltung einsparen. Als gelernter Österreicher weiß man jedoch, dass nicht in der Verwaltung, sondern ausschließlich bei den Investitionen gespart werden wird. Das geht relativ einfach, indem die Infrastrukturprojekte des Bundes verlangsamt oder nach hinten verschoben werden. Bleibt eine Differenz von etwa 850 Millionen Euro, die sich die Regierung über durch die Steuerreform ausgelöste Mehreinnahmen – sogenannte Multiplikatoreffekte – holen will.

Bereits vor zwei Jahren hat Österreich übrigens das ehemalige Hochsteuerland Schweden bei den Steuern und Abgaben hinter sich gelassen. Im wichtigsten globalen Standortranking – jenem des Schweizer Instituts für Managemententwicklung (IMD) – nimmt Schweden hinter den USA, der Schweiz und Hongkong inzwischen den sensationellen vierten Platz ein. Dass Österreich in wenigen Jahren von Rang elf auf Platz 26 abgestürzt ist, ist eine unmittelbare Folge des Reformversagens der Regierung. Verbesserungsbedarf hat Österreich aus Sicht des IMD beim Pensionsantrittsalter, bei den Verwaltungskosten und beim hohen Budgetdefizit. Das IMD spricht in Bezug auf Österreich außerdem von Engpässen im Bildungssystem und von viel zu hohen Energiekosten für die Betriebe. Während unsere Regierung streitet und Reformen verschleppt, weil sie sich vor der FPÖ fürchtet, hat Schweden seine Hausaufgaben gemacht. Österreich hat tatsächlich das Riesenproblem, dass es sich derzeit keine Absenkung der Abgabenquote leisten kann. Und das bei einer Belastung, die sich längst negativ auf die Leistungsbereitschaft der Unternehmen, aber auch jene der Arbeitnehmer auswirkt.

Anders als oft kolportiert, liegt es nicht an der arbeitsverweigernden Einstellung einer sogenannten »Generation Y«, die angeblich mehr Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance als auf ein Leben in materiellem Wohlstand legt und deswegen keine Überstunden mehr leisten will. Die Frage, warum niemand eine Stunde länger arbeiten will, wenn er über 70 Prozent des in Aussicht stehenden Zuverdienstes als Steuern und Sozialabgeben an den Staat abliefern muss, ist einfach zu beantworten: Weil es sich nicht lohnt!

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Tandl macht Schluss! Fazit 119 (Jänner 2016, 10/2015)

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