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Tandl macht Schluss (Fazit 144)

| 29. Juni 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 144, Schlusspunkt

Vor der Reform muss die Europäische Union die Spaltung überwinden. Der Zustand, in dem sich die Europäische Union präsentiert, ist erbärmlich. Darin sind sich alle einig. Doch in der Bewertung der Probleme stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber. So sehen etwa die Anhänger einer Multikulti-EU die Ursachen für das fatale Brexit-Votum in der populistischen Argumentation des damaligen UKIP-Vorsitzenden Nigel Farrage. Für die Gegner der Grenzöffnung im Jahr 2015 gilt hingegen ein völlig anderer Narrativ: Für sie ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der von ihr zugelassenen Massenzuwanderung für den Brexit verantwortlich.

Die Anhänger von Merkel bezeichnen sich selbst übrigens als »Proeuropäer«. Für ihre Gegner haben sie hingegen den Begriff »Euroskeptiker« parat. Natürlich sind diese Bezeichnungen objektiv nicht argumentierbar. Warum soll jemand gegen Europa sein, nur weil er wie die Osteuropäer gegen eine zügellose Migration ist? Trotzdem wurde sie in Österreich und Deutschland von den staatsnahen und sozialdemokratisch dominierten Medien übernommen. Trotzdem hat natürlich jeder Recht, wenn er Polen und Ungarn kritisiert. Er sollte das aber nicht wegen der dortigen Einstellung zur kulturfernen Zuwanderung tun, sondern wegen des Demokratieabbaus. Denn, wer an der Gewaltentrennung rüttelt, kann niemals ein echter Demokrat sein. Daher gehört so jemand auch nicht in die EU! Es ist eben kein Skandal, dass Orban, Kaczynski oder Zeman rechtsnationale Positionen vertreten.

Doch dazu müssten die selbsternannten »Proeuropäer« endlich begreifen, was Pluralität bedeutet. Denn rechtskonservative Regierungen sind völlig zu Recht im Amt, wenn sie über die notwendigen Parlamentsmehrheiten verfügen. Wer andere Positionen als die deutsche Kanzlerin vertritt, ist deshalb noch lange kein Feind der Demokratie. Und die »Proeuropäer« müssen auch realisieren, dass die gerne auch als »Rechtspopulisten« abgekanzelten Politiker recht haben, wenn sie Verfehlungen der EU-Institutionen anprangern. Man darf sich den ständigen Bruch der europäischen Verträge oder deren Relativierung durch nationale Regierungen oder EU-Institutionen nicht widerstandslos gefallen lassen!

Beginnen wir bei der Gemeinschaftswährung: Hätten die Regierungen in Paris, London, aber auch Berlin und Washington die Verdrehungen, mit denen sich etwa Griechenland oder Italien den Zugang zum Euro erschlichen haben, nicht bewusst ignoriert, wäre der europäische Süden wohl wettbewerbsfähig geblieben. Auch die Massenarbeitslosigkeit wäre ihm erspart geblieben.

Als einige Länder deshalb finanziell nicht mehr weiterwussten, wurde die nächste Regel verletzt: Um einen Flächenbrand zu verhindern, wurde gegen die No-Bail-out-Klausel verstoßen. Die starken Länder musst plötzlich für Schulden einstehen, die gar nie gemacht werden hätten dürfen. Die nächste Rechtsverletzung geschah beim Abbau der europäischen Binnengrenzen. Die Schlagbäume fielen, auch zu Ländern, die nicht fähig sind, ihre Außengrenzen zu schützen.

Die De-facto-Außerkraftsetzung der Dublin-Asylregeln aus vermeintlich humanitären Gründen war eine weitere Rechtsbeugung. Und obwohl das die »Proeuropäer« nicht wahrhaben wollen, entspricht die Asylpolitik von Polen oder Ungarn viel eher dem europäischen Konsens als die deutsche. Kürzlich hat sich sogar EU-Ratspräsident Donald Tusk für Asyl-Aufnahmezentren außerhalb der EU ausgesprochen.

Wenn die EU in einer immer stärker vernetzten Welt weiterhin eine Rolle spielen will, muss sie sich dringend reformieren. Europa muss schlagkräftig werden und sich vom politischen Anhängsel der USA zu einer globalen politischen Macht wandeln.

Reformen kann es nur geben, wenn die Anhänger der multikulturellen Migrationsgesellschaft damit aufhören, sämtliche demokratischen Entscheidungen zu bekämpfen, die ihnen nicht passen. Gleichzeitig muss aber auch Orban oder Kaczynski klar gemacht werden, dass es in einer Demokratie nicht verhandelbare Grenzen gibt. Grenzen, die selbst von der Mehrheit nicht aufgehoben werden dürfen. Dazu zählen nun einmal die Gewaltenteilung, die Medienfreiheit und der Minderheitenschutz natürlich auch.

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Tandl macht Schluss! Fazit 144 (Juli 2018)

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