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Tandl macht Schluss (Fazit 148)

| 28. November 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 148, Schlusspunkt

Der steirische Einzelhandel braucht Sie! Jetzt! Haben Sie sich in den letzten Tagen nicht auch über die Preispolitik im Einzelhandel gewundert? Warum um alles in der Welt rufen selbst gestandene Kaufleute und erfolgreiche Handelsketten eine »Black Friday Woche« aus, starten eine epische Rabattschlacht und machen sich so die umsatzstärkste Zeit im Jahr kaputt?
Sie tun es aus Angst! Angst davor, noch mehr Marktanteile an den immer stärker werdenden Onlinehandel zu verlieren. Wie so vieles kommt der »Black Friday« aus den USA. Er hat eigentlich mit dem Onlinehandel überhaupt nichts zu tun, sondern bezeichnet den Fenstertag nach Thanksgiving. Erntedank ist nach Weihnachten das wichtigste Familienfest im Jahreslauf, das immer am vierten Donnerstag im November gefeiert wird. Das ist das Familienessen mit dem Riesentruthahn, der in schlechten Sitcoms immer im Backrohr anbrennt.

Da die Amis an ihren Fenstertagen ebenso gerne frei nehmen wie die Österreicher, hat der Handel früh damit begonnen, mit dem »Black Friday« das Weihnachtsgeschäft einzuläuten. Mit der Zeit hat sich daraus der mit Abstand umsatzstärkste Tag des Jahres entwickelt. Die meisten Geschäfte öffnen um fünf Uhr in der Früh und sind bis Mitternacht offen. Um die Kundschaft anzulocken, gibt es Rabatte und Werbegeschenke. Inzwischen gilt der »Black Friday« als wichtiger Konjunkturindikator: Läuft in den USA der »Black Friday« gut, dann läuft das ganze Weihnachtsgeschäft und die Wirtschaft gut.

Um dem Familieneinkaufstag »Black Friday« etwas entgegenzusetzen, startete Amazon mit dem »Cyber Monday«. Das ist der auf das Thanksgiving-Wochenende folgende Montag. 2017 war das für Amazon laut eigenen Angaben erstmals der umsatzstärkste Tag des Jahres mit einem Plus von 30 Prozent gegenüber 2016.

Mit dem Black Friday des stationären US-Handels hatten unsere Kaufleute natürlich kein Problem, doch seit Amazon auch bei uns die »Cyber-Monday-Week« mit stündlich wechselnden Onlineschnäppchen eingeführt hat, herrscht bei den meisten stationären Händlern Panik. Dabei gibt es dafür eigentlich keinen Grund. Es ist ohnehin seit langem klar, dass es standardisierte Markenerzeugnisse von der Playstation bis zum Geschirrspüler irgendwo im Internetz immer billiger gibt. Und so werden inzwischen, nur um keine Marktanteile einzubüßen, selbst hochwertigste Hightechartikel ohne nennenswerten Gewinnaufschlag zur völligen Unzeit knapp vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts abverkauft.

Die Motive der Onlinehändler für die »Cyber-Monday-Week« liegen auf der Hand. Die Internethändler wollen sich noch vor dem ersten Einkaufssamstag ihren Anteil am Weihnachtsgeschäft sichern. Denn je näher Weihnachten rückt, desto geringer ist das Vertrauen der Käufer in die Post oder irgendwelche anderen Paketdienste, dass das geplante Geschenk noch rechtzeitig bis Weihnachten eintrifft.

Der stationäre Einzelhandel als einer der wichtigsten Arbeitgeber des Landes, leidet aber nicht nur unter der immer härter werdenden Onlinekonkurrenz, sondern auch an der unglaublichen Kannibalisierung durch ständig neue Einkaufsflächen auf der grünen Wiese.

Jene Bereiche der Grazer Innenstadt, in denen der Einzelhandel noch voll funktioniert, werden von Jahr zu Jahr kleiner. Das führt inzwischen trotz Hochkonjunktur zu extremen Leerständen, weil die Hausbesitzer mangels Frequenz ihre Mietvorstellungen nicht mehr durchsetzen können. Deshalb fehlt es ihnen auch immer öfter an Geld für Sanierungen und Investitionen und so verödet nicht nur die Annenstraße. Auch anderen Straßenzügen droht ein ähnliches Schicksal.

Natürlich kann die Pirsch nach dem billigsten Angebot während »Cyber-Monday-Week« im Internet großen Spaß machen. Wem es Freude bereitet, stundenlang am Rechner zu hängen, soll das daher auch tun. Allerdings ohne sich in ein paar Wochen – im Jänner- oder Feberloch – darüber zu wundern, dass die Tochter der nette Nachbarin auf einmal auch am Vormittag Zeit hat, um ihren Hund Gassi zu führen. Denn ihren Job im Einzelhandel ist sie womöglich los, weil es andere cool finden, mit Onlineschnäppchen ein paar Euro einzusparen.

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Tandl macht Schluss! Fazit 148 (Dezember 2018)

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