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Zur Lage (98)

| 31. März 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 151, Zur Lage

Nur ein kurzer Gedanke zu Francis Fukuyama, schon etwas mehr über das endlich erreichte Paradies auf Erden, über einen Besuch bei unseren nächsten Verwandten und gar nichts über Pflaumenfotografen und Schülerstreiks. Und über ein Keks.

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Der Francis Fukuyama hat im Grunde schon recht gehabt, er war nur zu früh dran. Und damit meine ich jetzt nicht, dass etwa morgen die Welt untergeht und die Geschichte endlich – nur zwanzig Jahre nachdem Fukuyama das postuliert hat – zu ihrem Ende kommt, nein, ganz was anderes. Wir haben nämlich das Paradies auf Erden erreicht. Zwar ganz ohne dass eine qualifizierte Weltöffentlichkeit das mitbekommen hätte, aber doch. Wir können nämlich, erstmals in der Geschichte des modernen Menschen, gute von bösen Menschen kinderleicht – möchte ich schreiben – unterscheiden.

Wobei, beim »modernen Menschen« ist mir jetzt eingefallen, ich war mit meinen Kindern und meiner besten Frau am letzten Wochenende im Tiergarten Schönbrunn. Und abgesehen davon, dass meine große Kleine und auch meine kleine Kleine jetzt ein Pony brauchen, ein echtes versteht sich, und abgesehen davon, dass dieser Tiergarten sehr, sehr besuchenswert ist, hat sich da eine wunderschöne Szene abgespielt, die ich ihnen nicht vorenthalten will. Wir schlenderten gerade so dahin, als ich en passant des kurzen Dialogs eines Wiener Bobos mit seinen beiden Kindern anhörig wurde. Noch eine Zwischenbemerkung: Ich lehne ja solche kurzen Zuschreibungen ab, die immer nur scheitern können an der Realität; aber was würde es mir für Mühe bereiten, da diesen netten Mann – modisches Barterl, intellektuell akzentuierende Brille, niemals geraucht (Annahme!), nachhaltige Kleidung (aus Erfahrungswerten begründete Annahme!), Grünwähler (quasi fix) und sicher nur im Winter flugreislich nach Übersee jettend (übliches Verhalten in der Szene) – Ihnen näher zu beschreiben, um wenigstens die »Stimmung« für Sie einzufangen. Da erscheint mir »Bobo« dann doch sinnvoll, zumindest aber praktisch.

Dieser Wiener Bobo hat also zu seinem Nachwuchs, ich habe nur diesen einen Satz gehört, voller Ernst des immer auf Augenhöhe befindlichen Partners der Entwicklung seiner Kinder und mit einem klein wenig an Pathos angereichert gesagt: »Und jetzt kommen wir zu unseren nächsten Verwandten: den Affen.«

Ich lass’ das einfach so stehen, weil ich nämlich mitten drin zurück im eigentlichen Thema bin. Es wird jetzt Leser geben, die werden sich denken: Und? Wo ist da die Geschichte? Aber es wird auch zwei, vier Leser geben, die – wie ich gerade – aufgestanden sind und sich vor lauter Lachen nicht mehr einkriegen. »Zu den Affen.« Herrlich.

Aber es ging ja ums Paradies. Und ums Unterscheiden zwischen Gut und Böse. Da, wo wir Katholiken noch eine Inquisition brauchten, und dort, wo Regime und Diktatoren das Instrument der Folter einsetzen mussten, da brauchen wir heute nur mehr eine Frage stellen: »Greta. (Dafür oder dagegen.)« Der Kanon dieser Fragen wird regelmäßig erweitert, schon länger etwa ist »Trump. (…)« oder auch »EU. (…)« dabei, unter den ersten waren »Grenzen. (…)«, »Abtreibung. (…)« oder »Ehe für alle. (…)«. Wichtig ist da vor allem, man muss natürlich jede der im Kanon befindlichen Fragen »richtig« beantworten; auch im Paradies braucht es eine gewisse Ordnung! Ich bezeichne das übrigens als »SS-Prinzip«. Super oder eben Sau. Dass ich persönlich leider nicht immer »Super« – und damit insgesamt jedenfalls »Sau« bin, beunruhigt mich schon ein wenig. Angesichts der Bedeutung dieses Prinzips, dieser wahren Offenbarung für die ganze Menschheit, bleibe ich aber weiterhin frohen Mutes. Und frohen Mutes brauch’ ich mich jetzt nicht mehr hier mit Ihnen an vermeintlich wichtigen, großen Themen abarbeiten. Was hätte ich verschreiben müssen an Zeilen über etwa diesen Pflaumenfotografen, der mir als Bürger der Stadt Graz sozusagen ins Gesicht schlägt und mir sein goldenes Ehrenzeichen vor die Füße und ins Rathaus zurückschmeißt, nur weil ein anderer Kunstgänger, einer der mit den hohen intellektuellen Anforderungen eines Pflaumenfotografen nicht mithalten kann, auch so ein goldenes Zeichen bekommen hat. Egal, unwichtig. Lächerlich. Oder die ganzen rechtsbrechenden jungen Menschen, die da scharenweise am letzten Freitag die Wiener Innenstadt bevölkert haben, um ihre Solidarität mit dem Planeten und der Prophetin und Atomstrombefürworterin Greta Thunberg auszudrücken, das hätten ja zwei Extraseiten werden müssen. Pipifax, nicht mehr mit mir. Sollen sich andere Beckmesser daran abarbeiten.

Ich kann mich endlich dem Kleinen, dem Detail widmen. Wie etwa der neuen Verpackung der »Prinzen Rolle« von »De Beukelaer«. Alleine deren Ankündigung im Internet »Prinzen Rolle mit dem Wiederverschluss. Einfach auf, einfach raus, einfach zu«, hat selbstredend schon für ordentliches Ungemach bei mir und hoffentlich bei jedem anderen nächsten Verwandten des Affen gesorgt. Die erste »neue« Rolle hat dann aber alle Befürchtungen bei Weitem übertroffen. Hier wurde eine – schlechte – Antwort auf eine nur von Dolmen und vielleicht von Pflaumenfotografen gestellte Frage gegeben.

Niemand, ich wiederhole, niemand hat diesen »Wiederverschluss« gebraucht. Es funktioniert auch nicht »rollengemäß«, weil man ja jetzt nicht mehr von oben nach unten die – wahrlich köstlichen – Keks aus der Verpackung nimmt, sondern irgendwo im unteren Drittel ein Keks herausnehmen muss. Die so darüber entstehende Luftblase sorgt für eine derartige Unruhe unter den einzelnen Prinzen-Rollen-Stücken, dass diese sich aneinanderreibend an den Kanten abstoßen und die – schon immer den Genuss begleitende – Bröselentwicklung noch weiter angeregt wird. Ich prangere das an! Und spiele mit dem Gedanken, mittels einer Internetpetition an »De Beukelaer« für Abhilfe zu sorgen. Vielleicht unterstützt mich Greta Thunberg.

Zur Lage #98, Fazit 151 (April 2019)

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