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Umbruch im Umfeld Gottes

| 26. April 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 152, Kunst und Kultur

Foto: Michael Petrowitsch

Michael Petrowitsch sprach mit Johannes Rauchenberger, dem Leiter des »Kulturzentrum bei den Minoriten«.

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Wenn man Johannes Rauchenberger dieser Tage trifft, muss man sich vor allem auf eines einstellen: auf Johannes Rauchenberger. Das heißt Gelassenheit, Konzentration und präzise Formulierung und all das in Zeiten eines massiven Umbruchs in seinem beruflichen Dasein.

Ich treffe Dich inmitten kirchenhistorischer Umwälzungen nach steirischem Brauch nach 20 Jahren deiner Tätigkeit als Minoriten-Chef. Wie anders sollte sonst die erste Frage lauten: Wie geht’s?
[längere Pause] Gut. [Pause] Wir sollen nach mehr als 45 Jahren bald raus aus dem Kloster.

Fliegt Ihr raus oder so? Warum?
Die Kirche befindet sich in groben Umbrüchen. Mittelfristig werden wir uns woanders hinbegeben, nämlich in das Stadtzentrum, um dort ein größeres Bildungszentrum und Kunstmuseum mitzuentwickeln. Da gilt es jetzt auch für mich, neue Pflöcke reinzuschlagen. Wir werden damit auch Teil eines größeren Stadtganzen. Da bin ich positiv gestimmt. Viel an Markenbildung geht natürlich verloren. Jedoch wird viel auf uns zukommen, da werden wir uns neuen Transformationsprozessen stellen. Ich hoffe, meine Kräfte reichen – ich bin schließlich gerade 50 geworden. [lacht] Solange das eine Kirche ist, die Räume öffnen will und sich nicht fröhlich gegenseitig nur lieb hat, bin ich frohgemut und ich kann das nur unterstützen. Momentan bricht einiges zusammen in unserer Gesellschaft, was etwa am radikalen Rechtsruck ersichtlich wird. Und es wird nicht rosiger werden, was in Zukunft passieren wird: da heißt es Stellung beziehen, solange es noch geht.

Nach 20 Jahren sozusagen »free solo« wirst Du nun quasi »beigeordnet«, gar untergeordnet einem großen Ganzen? Taugt Dir das?
Synergien andenken, Kräfte bündeln, macht jede Regierung. Diese Modewörter gehen also an niemandem vorüber, nicht einmal an der Kirche. Dort, wo es Sinn macht, macht es Sinn, da komme ich nicht aus. Wir waren lange so eine Art Binnenmarke, haben uns um Qualität bemüht, und ich will dafür auch weiterhin kämpfen. Im Hinblick darauf, dass wir auch zukünftig als mehrspartiges Kulturzentrum zeitgenössischer Kunst fungieren und das wiederum mit einem »eigen-artigen« Fokus auf Religion. Mein Ansatz von jeher war ja: Wie lässt sich Religion in der heutigen Kunst sichtbar machen und wie lässt sich Religion kritisieren, eben auf den Feldern von Kunst. Das Thema Religion hat es ja ohnehin schwer in unserer Wohlstandsgesellschaft. Und medial hat es die Kirche derzeit durch einen globalen Zusammenbruch an Glaubwürdigkeit  noch schwerer. »Stimmt die Basis von Religion?« das ist eine andere Fragestellung. Da pfeift derzeit viel Wind durch die Löcher, herrje.

Unterordnen war ja nie so Dein Ding …
Im Rückblick war das in der Tat ziemlich einzigartig. Ich bekam in den 20 Jahren keine einzige Weisung. Freilich – Machtgeschichten wurden damit auch anderswo geschrieben. »Der Herr Doktor ist nicht käuflich …«, hat Bischof Kapellari einmal süffisant gesagt. Also: Diese enorme Freiheit wusste und weiß ich zu schätzen, denn in Paralleluniversen ist das kaum der Fall. Bei gewissen Trends wie Marktanpassung machen wir nicht mit. Ich glaube, dass es die Aufgabe von Institutionen ist, nicht marktfähige Sachen zu zeigen, die einerseits die Tiefe von Kunst offerieren und dennoch basisch-gesellschaftspolitisch relevante Dinge formulieren. Als ich 1999 aufbauend auf Josef Fink hier angefangen habe, war schon viel da. Dennoch: Dass dieses »Projekt« fortgeführt werden konnte, war ein Zeitfenster, das wir genützt haben. Auf dem kirchlichen Boden mit zeitgenössischer Kunst derart zu kommunizieren gibt es in ganz Europa nirgends. Das weiß man hierorts oft nicht so zu schätzen. Derzeit werden sogar Teile unserer Sammlung, die ich in den letzten Jahren aufgebaut habe, im Dommuseum Mainz gezeigt. Dieser Blick von außen ist ja nur ein Beispiel. Das ist schon eine Internationalisierung unserer Arbeit …
Meine Art Politik zu machen und gesellschaftliche Debatten zu etablieren liegt eher bei künstlerischen Beiträgen, die auch »still« sein können. So verstehe ich »politische Kunst« mit »christlichem Hintergrund«.

Du, noch was, weil es mir gerade einfällt: Gibt es einen Gott?
Sehr viel, vielleicht sogar der Großteil von seinem »Umfeld« ist mir im Laufe meines Lebens zerbröselt oder wurde weggefegt. Aber im Kern wurde er bei mir dennoch nicht zerstört, im Gegenteil.  Ich glaube an ihn noch immer, ja, wirklich.

Alles Kultur, Fazit 152 (Mai 2019), Foto: Michael Petrowitsch

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