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Führung mit Herz

| 3. Juni 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 153, Serie »Erfolg braucht Führung«

Liebe geht durch den Magen. Ein Interview von Carola Payer mit Adrianna Dynkowska, Gründerin und Eigentümerin eines Lokals.

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Wer schon einmal das Vergnügen hatte, eine der schönen Städte von Polen zu besuchen, hat sie vielleicht schon mal gegessen: Pierogis, polnische Teigtaschen, die unterschiedlich gefüllt werden und zu einem der Lieblingsgerichte der Polen zählen. Im Interview mit Adrianna Dynkowska erlebt man ein sprühendes Energiebündel mit einer Sprachgeschwindigkeit, die sich fast selber überholt. Die Leidenschaft sprüht aus jeder ihrer Poren. Ihre Geschichte ist beeindruckend. In einer Zeit, wo man oft mit Menschen konfrontiert ist, die darüber klagen, wie mühsam ihre Arbeit ist, wie ausgelaugt und müde sie in diesem Digitalisierungs- und Changezeitalter sind, erklärt sie: »Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe mein Leben. Ich liebe, was ich tue.« Kein Jammern, kein Klagen. Das ist ziemlich erfrischend!

»Spaß haben wollen« statt »Job zum Überleben« als Gründungszünder
Adrianna Dynkowska hat in Polen Biologie und Publizistik studiert. Ihr Mann, der im Rahmen seiner Tierarztausbildung ein Praktikum in Graz machte, bekam dann das Angebot, in Graz zu bleiben. So kam auch sie ohne jegliche Deutschkenntnisse nach Graz. 1,5 Jahre hat sie auf der Uni intensiv Deutsch gelernt und, um ihr Leben zu finanzieren, die Ausbildung zur zahnarzttechnischen Assistentin gemacht. Jedoch einfach nur zu arbeiten, war ihr zu wenig. Sie wollte Spaß haben, bei dem was sie tut. Die Idee, ein Lokal zu eröffnen, das die polnische Nationalspeise Pierogi anbietet, war schon, seit sie nach Graz gekommen ist, in ihrem Kopf. Sie hat die Gastroszene beobachtet und dachte sich: »Die könnte noch bunter sein. Ich wollte da noch mehr Farbe reinbringen und etwas aus meiner polnischen Heimat herzeigen.« Diese Intention teilte zuerst niemand mit ihr.

Von der beherzten Idee zum realen Plan
Da spielte das Schicksal ihr Mazena Kupka in die Hände. Bei einem polnischen Verein lernte sie ihre jetzige Geschäftspartnerin, die aus Schlesien kommt, vor acht Jahren kennen. Endlich ein »Zeichen« am Gründungshimmel. Beide waren damals schwanger. Mazena Kupka lud Adrianna Dynkowska und ihren Mann zum Essen mit vielen verschiedenen polnischen Spezialitäten ein. Adriana Dynkowska war beeindruckt von der Qualität und sofort ist in ihr die Idee gereift, Mazena Kupka für ihre leidenschaftliche Vision zu gewinnen. In ihr sah sie die Spezialistin für die Produktion. Marzena Kupka hat die Gastronomie Fachschule in Rybnik, Polen, gemacht und hat einen Bachelor in Business Management. Weiters bringt sie aus ihrer Biografie die Ausbildung zur Masseurin und zur Buchhalterin mit. Auch Marzena Kupka lebt mit ihrem Mann, der Osteopath ist, und den 2 Kindern in Graz.

Vom Plan zum Businessplan
2013 stieg Mazena Kupka auf den Vorschlag ein. Ihre Ehemänner wussten noch nichts von der gemeinsamen Idee und dass in der Schwangerschaft drei Babys ausgetragen wurden. Der Businessplan für das dritte Baby wurde »heimlich« entwickelt. Zwei Jahre lang wurden im Kochlabor verschiedenste Varianten an Pierogis ausprobiert. Mehlarten, Füllungen, Zutaten, Mengen wurden variiert. Österreichische Versuchskaninchen mussten kosten, um den Geschmack der Österreicher zu erforschen. Adrianna Dynkowska: »Wir wollten wissen, welchen Geschmack hat Österreich, was mögen Österreicher? Zum Beispiel kam der Tipp für Mohn Pierogis von einer Testesserin. »Wir haben zum Beispiel erforscht, wie man die Pierogis süßt.« Locations wurden gesucht, Unterstützung von der Wirtschaftskammer eingeholt, Erfolgsrechnungen aufgestellt und letztendlich der Businessplan erstellt. 2015 wurde gegründet.

Mut zur Nische und zum kleinen Raum
Auf die Frage, was sie dazu bewogen hat, ihr Angebot so eng zu halten und ein Lokal, das ausschließlich ein einziges polnisches Nationalgericht anbietet, zu eröffnen, meint sie: »Unser Geheimnis ist, dass in unserem Produkt Herz und Leidenschaft stecken.« In den Ausführungen von Adrianna Dynkowska merkt man, dass Angst kein Thema ist, sondern die Überzeugung, eine wahnsinnig gute Idee zu haben und die leidenschaftlich zu verfolgen. Qualität war und ist den Geschäftspartnerinnen wichtig. »Ich kenne alle Leute, die mir zuliefern.« Biologische Haltung bei Hühnern und qualitativer Anbau und Produktion ihrer Zutaten sind dem Power-Team wichtig. »Da sparen wir nicht.« Täglich ein frisches Angebot am Teller zu haben, hat Priorität. Das Lokal zu vergrößern, davon ist sie nicht überzeugt. Qualität und Freude und nicht Größe sind das Ziel.

Pierogi ist Arbeiten im Team
Adrianna Dynkowska sagt: »Ich würde jedem empfehlen, im Team zu gründen. Ohne Mazena bin ich nicht ich und nicht Pierogi. Mazena holt mich immer wieder auf den Boden zurück. Sie ist ruhig und bodenständig, während ich schnell abhebe und davonschwebe.« Außer der gegenseitigen Unterstützung, die Stärken, Verhaltenstendenzen der Geschäftspartnerin in die richtige Dosis zu bringen, haben die beiden einen klaren Verantwortungsbereich. Mazena Kupka ist für die Produktion zuständig. Adrianna Dynkowska: »Sie ist der Kopf des Produktes. Sie optimiert Geschmack, ist zuständig für die Innovationen. Wir spintisieren hier auch viel gemeinsam und haben daran sehr viel Spaß. Gerade hatten wir wieder die Idee zu einer Brennnesselfüllung«. Adrianna Dynkowska hingegen ist für die Kommunikation und die Markt- und Kundenorientierung zuständig. Ihre Biologie-Ausbildung hilft ihr, den Hygienestandard im Lokal hoch zu halten.

Begeisterte Kunden und Liebe zum Produkt als Antreiber
Auf die Frage, was Adrianna Dynkowska trotz der Anstrengung eines Unternehmerinnen-Lebens motiviert, jeden Tag ihre Energie ins Geschäft zu investieren: »Begeisterte Kunden, die den Teller leer gegessen haben. Das freut mich. Weiters könnte ich unsere Pierogis jeden Tag essen. Ich liebe unsere Pierogis.« Disbalancen tanzt die Unternehmerin hinaus. »Ich bin eine Cholerikerin, es muss einfach alles raus. Ich liebe Tanz und Musik. Ich bin zufrieden mit dem, was ich mache, und habe das in Österreich gefunden, was ich liebe und mich glücklich macht. Unsere Pierogis verbinden Generationen. Von Alt bis Jung kommt alles zu uns. Ich liebe es, wenn im Lokal von Oma, Opa über Kinder bis zu den Enkeln alle sitzen und Pierogis essen.«

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 153 (Juni 2019), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 23)

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