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Die ÖVP hat die Koalition gesprengt

| 30. Oktober 2019 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 157, Politicks

Foto: Wolfgang Spekner

SPÖ-Chef Michael Schickhofer glaubt an die Chance, Erster zu werden und eröffnet den Wahlkampf mit dem Slogan »Schichtwechsel«. Mit Michael Schickhofer sprach Peter Wagner.

Kann Ihnen Ihr Rückzug aus den Bundesparteigremien nicht auch so ausgelegt werden, dass sie als erster Offizier frühzeitig ein sinkendes Schiff verlassen?
Wie Sie wissen, hat die steirische ÖVP ohne Grund die funktionierende Koalition gesprengt und mit FPÖ und Grünen Neuwahlen vom Zaun gebrochen. Wir wollten diese Neuwahlen nicht und die Bevölkerung will diese Neuwahlen nicht. Ich habe immer gesagt, dass die Arbeit für das Land und die Steirerinnen und Steirer im Vordergrund stehen muss. Deswegen ist für mich klar: Volle Kraft für die Steiermark. Ich werde meine bundespolitischen Funktionen bis auf Weiteres nicht wahrnehmen, weil die Steiermark vorgeht.

Glauben Sie, dass Sie angesichts des Zustandes der Bundes-SPÖ Ihren inhaltlichen Positivwahlkampf aufrechterhalten können?
Die Leute haben gegenseitiges Hick-Hack doch längst satt. Die Politik ist gewählt, um zu arbeiten – und das erwarten sich die Steirerinnen und Steirer auch von mir. Wir haben bereits das 300-Euro-Pendlerticket, den Pakt für Arbeit, ein Sicherheitspaket und ein Klimaschutzpaket vorgeschlagen – und in der Landesregierung beschlossen. Das Land muss immer vorgehen. Das erwartet sich die Bevölkerung ja von der Politik.

Alle Demoskopen gehen davon aus, dass Platz eins bei der Landtagswahl fix an die ÖVP geht. Was entgegnen Sie denen?
Wenn die Umfragen immer richtig liegen würden, wäre Donald Trump nie Präsident der Vereinigten Staaten geworden. Die Steiermark braucht einen frischen Wind und einen Generationswechsel an der Spitze. Ich trete an, um die Nummer eins zu werden, und biete den Wählerinnen und Wählern eine zukunftsorientierte und ehrliche Politik, wo der Handschlag wieder zählt, eine Alternative zu Schwarz-Blau.

Kommt das bei den Wählern gut an, wenn Sie von einer Generationenwahl reden und Hermann Schützenhöfer wegen seines Alters die Kompetenz absprechen?
Gestern und morgen ist keine Frage des Alters! Gestrige Politik ist, wenn man sich nicht für die Zukunftsfragen oder den Klimaschutz interessiert. Politik von morgen krempelt die Ärmel auf, Politik von morgen ist Politik auf Augenhöhe und Politik von morgen greift unsere wichtigen Zukunftsfragen aktiv auf. Es geht um zeitgemäße Umwelt- und Klimapolitik, um Sicherheit und um lebenswerte Städte. Graz versinkt jeden Tag im Verkehrsstau, wir brauchen hier ein neues Denken, mit Stadt und Land gemeinsam.

Sie haben in Ihren Donnerstags-Pressekonferenzen zahlreiche Initiativen bekanntgegeben. Dazu gehört etwa das Top-Ticket für Pendler. Bis wann ist mit einer Umsetzung zu rechnen?
Ich möchte das Pendlerticket bis spätestens Mitte 2020 in die Realität umgesetzt sehen. Der Verkehrsverbund führt ja schon – aufgrund meines Vorstoßes – die Gespräche.

Und wie sieht es mit den Maßnahmen Ihres Beschäftigungspaktes aus? Die Wiedereinführung der Aktion 20.000 wurde ja vom Bund bereits initiiert.
Zum Teil, ja. Darüber bin ich sehr dankbar. Wir starten bereits. Ich bin davon überzeugt, dass wir allen Steirerinnen und Steirern über 50, die es schwer am Arbeitsmarkt haben, wieder eine Perspektive geben müssen. Arbeit ist Würde, das ist mir ganz wichtig.

Zahlreiche steirische Industrieunternehmen stehen vor der Einführung von Kurzarbeit. Was kann die Landespolitik in dieser Lage tun?
Genau deswegen habe ich meinen Pakt für Arbeit vorgeschlagen – und in der Regierung beschlossen. Wir weiten die Arbeitsstiftungen massiv aus – gemeinsam mit den Unternehmen. Wir sorgen heute schon für die wirtschaftliche Lage von morgen vor. Gerade jetzt wäre es wichtig gewesen, keine Neuwahlen vom Zaun zu brechen, sondern zu arbeiten.

Sie werfen Hermann Schützenhöfer vor, dass er mit der Wahlvorverlegung sein Wort gebrochen hat. Wie ist Ihr persönliches Verhältnis inzwischen?
Der Koalitions- und damit Wortbruch kam völlig unerwartet. Hermann Schützenhöfer hat die Steiermark ohne Grund und ohne Not in Neuwahlen gestürzt. Wenn parteitaktische Überlegungen dominieren und Wien reinregiert, ist das ein dramatisches Zeichen. Wenn der Handschlag nicht mehr zählt, ist das natürlich sehr schwierig.

Ist der erste Wortbruch nicht schon im Jahr 2015 durch Franz Voves passiert, als viele SP-Funktionäre nicht verstehen konnten, dass er den LH-Sessel an die ÖVP verschenkt hat?
Damals stand Schwarz-Blau im Raum. Wie Sie wissen, ist Franz Voves bitter enttäuscht von der steirischen ÖVP und Hermann Schützenhöfer persönlich. Das war eine Sache zwischen den beiden Personen.

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Politicks Spezial, Fazit 157 (November 2019); Foto: Wolfgang Spekner

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