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Tandl macht Schluss (Fazit 163)

| 29. Mai 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 163, Schlusspunkt

So kommen wir aus der Krise! Die Pandemie hat auf drastische Art und Weise aufgezeigt, wie vergänglich unser in den letzten 70 Jahren erworbener Wohlstand ist. Der Shutdown Mitte März war angesichts der damals exponentiell explodierenden Infektionszahlen unausweichlich. Es ergibt auch keinen Sinn, die Entscheidung von Bundeskanzler Sebastian Kurz vor unserem heutigen gesicherten und ungesicherten Wissen über das Virus zu evaluieren.
Aber spätestens seit einem Monat ist klar, dass die soziale Distanzierung und das Containment funktioniert haben. Unser intensivmedizinisches System ist nicht mehr gefährdet. Und zur »neuen Normalität« gehört es auch, das Aufkommen von »Superspreadern« zu verhindern. Daher werden Massenveranstaltungen solange verboten bleiben, bis – hoffentlich in den nächsten beiden Jahren – ein wirksamer und ungefährlicher Impfstoff gefunden ist.

Soziologe Manfred Prisching spricht im Fazitgespräch übrigens von vier Phasen, die den Ablauf einer Pandemie beschreiben. Die ersten beiden – jene der Todesangst und die der übergroßen Hilfsbereitschaft für besonders Betroffene – sind längst abgeklungen. Momentan befinden wir uns in der Phase der Wut. Wir sind also auf der Suche nach den Schuldigen. Die vierte Phase – »Rette sich wer kann« – bleibt uns Gottseidank erspart. Doch anstatt Schuldige zu finden, sollten wir effektive Wege aus der Wirtschaftskrise finden.

Der Budgetdienst des österreichischen Parlaments hat im Vorjahr, auf Initiative der Neos, eine Analyse der automatischen Stabilisatoren vorgenommen. Dabei wurden zwei Szenarien durchgespielt. Einmal ein Konjunktureinbruch wie im Jahr 2008 im Ausmaß von fünf Prozent; und einmal eine Konjunkturdelle mit einem Rückgang von etwa zwei Prozent. Das erfreuliche Ergebnis war, dass die automatischen Stabilisatoren unser Land bestens durch die letzte Krise geführt haben. Zu diesen Stabilisatoren zählen Transfer- und Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld, die gesetzlich fixierten Sozialausgaben, aber auch die Lohn- und Einkommenssteuer.

Fällt etwa das Bruttoeinkommen der österreichischen Haushalte um durchschnittlich 200 Euro, sinken die Nettoeinkommen nur um durchschnittlich 94 Euro. Höhere Einkommen werden durch den Steuereffekt stabilisiert, niedrige Einkommen durch Sozialtransfers. Ein ökonomischer Einbruch von beinahe zehn Prozent könnte sich dennoch als zu heftig für dieses System erweisen.

Daher tut die Politik gut daran, zusätzlich zu den automatischen Stabilisatoren, die derzeitigen Akuthilfen für die betroffenen Unternehmen zu langfristigen Programmen umzugestalten. Ob das budgetwirksame Ausmaß der durch Corona bedingten Staatsausgaben letztlich bei 20 Milliarden oder doch bei 50 Milliarden Euro liegen wird, lässt sich derzeit überhaupt noch nicht sagen, ist aber auch nicht wirklich relevant. Denn die Regierung muss die Geldschleusen so lange offen halten, bis unser derzeitiges BIP von 400 Milliarden Euro wieder erreicht ist. Sonst müsste sie den Menschen sagen, dass in Zukunft weniger Geld für Soziales, Gesundheit, Bildung oder Kultur zur Verfügung steht. Um wie viel weniger lässt sich einfach ausrechnen: Jeder Prozentpunkt, den unsere Wirtschaft weniger BIP als im Vorjahr erwirtschaftet, kostet den Staat über automatische Stabilisatoren auf derzeitigem Niveau jährlich etwa 1,3 Milliarden Euro.

Sollte unser BIP im Vergleich zu 2019 heuer tatsächlich um sieben Prozent einbrechen und danach auf den gewohnten Konjunkturpfad von 1,5 Prozent Wachstum einlenken, würde es bis 2025 dauern, bis das Niveau von 2019 wieder erreicht ist. Um diesen Wachstumspfad möglich zu machen, müssten daher bis 2025 zusätzlich zu den Akuthilfspaketen weitere 27 Milliarden Euro für die automatischen Stabilisatoren aufgewendet werden.

Derzeit betragen unsere Staatsschulden etwa 288 Milliarden Euro. Das sind 72 Prozent des BIP. Selbst wenn es in fünf Jahren 100 Prozent – also 400 Milliarden Euro – sein sollten, würde das unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Denn kein Staat der Erde kann es sich leisten, nach Corona auf das Wiederauferstehen seiner Wirtschaft – und damit den Wohlstand seiner Bürger – zu verzichten.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 162/163 (Juni 2020)

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