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Kleine Oase

| 4. August 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 165, Fazitbegegnung

Foto: Heimo Binder

Es ist wahrscheinlich das kleinste Speiselokal von Graz. Eine Auslage, eine hohe Oberlichte, eine Glastür, allesamt hartholzgerahmt. Zwei Stufen und man steht im 15 Quadratmeter kleinen und fünf Meter hohen »By Maida«. Alles strahlt in warmen Farben, auch Maida ist ein einziges Lächeln, mit einer Frau dran. Neben den acht Plätzen im Inneren des Lokals locken in der warmen Jahreszeit noch acht Plätze in der Tischzeile entlang der Hausmauer.

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Wie in einer richtigen Oase breitet sich direkt davor, etwas zurückversetzt von der Straßenwüste der Kreuzung Münzgrabenstraße/Steyrergasse, ein Grünstreifen in Gestalt eines ebenfalls sehr kleinen Parks aus, mit fünf pubertierenden und zwei richtig großen Bäumen und sowie einem Rasen, einer Hecke und mehreren Parkbänken. Wie in einer Szenerie aus der Welt der Märklin-Modelleisenbahnen steht mitten in der Wiese auch noch ein mächtiger Betonmast, der über ein senkrecht aufsteigendes Kabelgewirr in luftiger Höhe das Stromnetz der hier vorbeifahrenden Straßenbahn versorgt. Für italienisches Improvisationsflair sorgen außerdem noch mehrere, hinter zwei selten gewordenen Telefonzellen und einem vereinzelten Busch versteckte Stromkästen, gezählte drei städtische Papierkörbe und ein einsamer Betontrog mit zur Zeit blühendem Oleanderbusch. Maida war sofort in das Lokal verliebt. Dabei ist sie als ehemaliger Flüchtling aus dem Jugoslawienkrieg keine realitätsferne Romantikerin. Nach Schulabbruch in Österreich, einer Friseurlehre in Wien und vielen Reisen entdeckte sie während eines bloß zweiwöchigen Aushilfsjobs bei ihrer Mutter in der Küche des Jufa-Fürstenfeld das Kochen und überzeugte den Chef im Haubenlokal von Schloß Kornberg mit den Worten »In Bosnien kann jede Frau mit 21 kochen«, sie einzustellen. Mit dem Zeugnis aus solchem Hause stand ihr in der Folge die Gastrowelt offen.

Einige Jahre tourte sie mit und ohne Hauben durch die Bundesländer, schließlich kochte und servierte sie im »Zimmer 37« am Wiener Karmelitermarkt – und zwar: »Nach einem ähnlichen Konzept wie heute.« Nach Reisen durch Argentinien und Chile die Erkenntnis, dass Wien zu laut ist, nach einem Frühstück bei »Rossian« am Grazer Kaiser-Josef-Platz die Erkenntnis, dass sie hier arbeiten will. Was sie dann für gut zwei Jahre auch tat. Bis mit 30 der Gedanke an Selbstständigkeit überhand- und Plan B zum Glück für ihre heutigen Gäste abnahm (irgendwas mit Matura und Kindergärtnerin). Bei ihrer Wohnungssuche in der Stremayrgasse machte die Hauswirtin sie auf das kleine freie Lokal ums Eck im selben Haus aufmerksam. Maida: »Der Raum hat mich sofort fasziniert.« Die vormalige Smoothiebar war ursprünglich angeblich ein Milchgeschäft, von dem die Gastrokonzession herrühren soll.

Ende August 2017 mietete Maida das Lokal und am 13. September sperrte sie bereits auf: eine Holztheke, zwei Induktionsplatten zum Kochen, vier Kühlladen für Getränke und Speisen, eine Abwasch, ein schmaler Geschirrspüler, eine Kuchenvitrine, eine italienische Kaffemaschine und die Registrierkassa – fertig. Geöffnet von 9 bis 16 Uhr, bis 11 gibts Frühstück, ab 12 Mittagessen solange der Vorrat reicht. »Ich kaufe in der Früh alles frisch am Kaiser-Josef-Markt ein«, erklärt Maida, warum erst im Laufe des Vormittags auf facebook verraten wird, was es gibt. Tatsächlich gibt es nur eine Hauptspeise und die kostet je nach den Preisen am Markt in der Regel zwischen 7,80 und 12 Euro, Besonderes wie Biolachsfilet und Eierschwammerl kann bis zu 15,20 Euro ausmachen. Zusätzlich gibt es täglich noch ein vegetarisches oder veganes Gericht. Qualität wird bei Maida ausdrücklich großgeschrieben, biologisch ist selbstverständlich, vieles kommt vom Biobauernhof mit Permakultur, wo sie mittlerweile mit ihrem Partner, 40 Schafen, drei Mangalitzaschweinen, Sulmtaler Hühnern und Cröllwitzer Puten wohnt. Meist gibt es auch eine Suppe und immer einige Imbisse wie Arepa (südamerikanische Maisfladen mit unterschiedlichen Füllungen) oder orientalisches Omlette. Menübeispiele? Süßkartoffelsuppe mit Halumi, Kalbschnitzel mit Parmesansauce, Röstkartoffel, Broccholi, Vogerlsalat mit Paradeiser. Das war im Jänner. Im Juli gabs Suppe mit buntem Marktgemüse, Wildschweinravioli in Salbeibutter oder Mozarellaravioli und grünen Salat. Und dazu die Atmosphäre einer Oase. Jetzt fragt aber niemand mehr, ob es geschmeckt hat – was glauben Sie denn?

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Maida Ferizovic wurde am 1. August 1987 im bosnischen Brcko, nahe der kroatischen Grenze geboren und kam 1991 mit viereinhalb Jahren mit ihrer Mutter als Flüchtling nach Österreich. Aufgewachsen in Fürstenfeld besuchte sie das Sportgymnasium Jennersdorf, machte schließlich eine Friseurlehre, entdeckte aber ihre Passion für das Kochen. Sie arbeitete in Haubenlokalen und betreibt seit 2017 »By Maida« in der Münzgrabenstraße 45.

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Fazitbegegnung, Fazit 165 (August 2020) – Foto: Heimo Binder

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