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Politicks Jänner 2021

| 24. Dezember 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 169, Politicks

Ohne Impfung drohen viele weitere Lockdowns
Die zahlreichen Impfgegner im Land stellen die verantwortlichen Politiker vor ein strategisches Dilemma. Um die Corona-Pandemie nachhaltig besiegen zu können, muss nämlich eine Herdenimmunität in der Bevölkerung erreicht werden. Doch dazu müssten sich entweder 70 Prozent der Menschen gegen die Krankheit impfen lassen oder sich über Infektion immunisieren.

Dass eine Durchseuchung keine Lösung sein kann, liegt wegen der zu erwartenden Zahl an Todesopfern auf der Hand. Denn selbst wenn die Mortalität tatsächlich »nur« bei jenen 2,7 Promille der Infizierten liegen würde, die der US-Virologe John Ioannidis in einer Metastudie nachgewiesen hat, wären das 17.000 österreichische Todesopfer. Die Todesrate von 2,7 Promille geht noch dazu von einer intakten medizinischen Versorgung aus. Bei einer ungehemmten Ausbreitung des Virus würden bekanntlich die Spitalskapazitäten innerhalb von wenigen Wochen zusammenbrechen. Die Zahl der österreichischen COVID-19-Toten läge daher um ein Vielfaches über 2,7 Promille.

Um die Pandemie zu besiegen, müssen daher rund 6,5 Millionen Österreicher – das entspricht den für die Herdenimmunität notwendigen 70 Prozent – so schnell wie möglich und ohne wenn und aber gegen das Virus geimpft werden.

Schützenhöfer befürwortet Impfpflicht
Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat Mut bewiesen, als er sich in einem TV-Interview eindeutig für eine Impfpflicht aus der Deckung wagte. Denn für den gestandenen Landespolitiker ist völlig klar, dass es ohne Impfung in absehbarer Zeit keinen Herdenschutz geben kann. Um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, müsste das ganze Land daher noch über viele Monate – wenn nicht sogar Jahre – ständig zwischen einem harten und einem leichten Lockdown hin- und herswitchen. Längere Öffnungsphasen wären wetterbedingt wohl nur in den Sommermonaten möglich. Noch vor Schützenhöfer konnte sich übrigens der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer für die Idee einer Impfpflicht erwärmen. Sowohl bei Stelzer als auch bei Schützenhöfer war das Geschrei der Impfgegner natürlich enorm. Daher ist es nach wie vor sehr unwahrscheinlich, dass es zu einer gesetzlich verpflichtenden Impfung kommen wird – selbst wenn sich ohne eine solche die Zahl der Corona-Toten um mehrere Tausend erhöhen wird.

Denn Impfungen sind in Österreich inzwischen ziemlich unbeliebt geworden. Und statt die Bevölkerung rational und transparent über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer niedrigen Impfrate zu informieren, reduziert sich die mediale Diskussion auf im Raum stehende staatliche Zwangsmaßnahmen. Und anstelle von Argumenten werden längst nur mehr Emotionen ausgetauscht.

Nur 17 Prozent wollen sich »ganz sicher« impfen lassen
Der Politologe Peter Hajek hat eine Umfrage durchgeführt, bei der nur etwa 17 Prozent der Bevölkerung angaben, sich »ganz sicher« gegen COVID-19 impfen lassen zu wollen. Hingegen erklärten 29 Prozent, »ganz sicher nicht« zur Impfung zu gehen. Diese Zahlen kennen auch die Politiker. Daher haben sich nicht nur die Populisten aus den Reihen der Opposition auf die Seite der Impfgegner geschlagen. Auch die Bundesregierung hat in dieser Frage immer wieder eindeutig Stellung bezogen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist »grundsätzlich« gegen eine Impfpflicht und auch der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober nimmt allem Anschein nach lieber weitere Tote in Kauf, als die grünen Wähler mit zu verärgern. Denn obwohl die Zulassungsstudien klar ergeben haben, dass sowohl der RNA-basierte Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer als auch der Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca zu den sichersten Impfungen gehören, die es überhaupt gibt, fehlen natürlich Untersuchungen über zwar unwahrscheinliche, aber dennoch nicht völlig auszuschließende langfristige Nebenwirkungen.

Jetzt gibt es unter den Impfverweigerern allerdings höchst unterschiedliche Typen. Da ist eine kleine, aber dafür extrem lautstarke Gruppe von Virusleugnern, die nicht nur die Existenz des Corona-Virus bestreitet, sondern generell alle Viruserkrankungen wie auch die Masern in Frage stellt. Aus ihrer eigenen Perspektive handeln sie natürlich völlig logisch: Sie wollen keine Impfschäden riskieren, weil es die Krankheit, gegen die eine Impfung schützen soll, ohnedies gar nicht gibt. Die Zahl der so Denkenden liegt jedoch im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Eine Herdenimmunität könnte daher trotz ihrer Weigerung, an der Corona-Impfung teilzunehmen, erreicht werden.

Impfverweigerer sind Solidaritätsverweigerer
Viel zahlreicher und damit gefährlicher sind hingegen die taktischen Impfgegner. Ihr Mittel der Wahl ist die Solidaritätsverweigerung. Sie versuchen von der Herdenimmunität zu profitieren und setzen darauf, dass die Pandemie verschwindet, weil sich genügend andere Menschen impfen lassen. So bleiben sie und ihre Kinder gesund, ohne sich dem Impfrisiko auszusetzen.

Wegen der niedrigen Impfbereitschaft stehen der Politik jedoch mehrere Hintertürchen offen, um einen indirekten Impfzwang herbeizuführen. Denn selbst jenen Politikern, die sich offiziell gegen eine Impfpflicht aussprechen, ist natürlich längst klar geworden, dass es keinen Weg aus der Pandemie gibt, der an einer Durchimpfung der Österreicherinnen und Österreicher vorbeiführt.

Im Epidemiegesetz ist übrigens für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, ausdrücklich eine Impfpflicht vorgesehen. Und zwar wenn sie von den zuständigen Gesundheitsbehörden angeordnet wird. Diese Bestimmung könnte auf Altenpfleger, aber auch Menschen, die im Bildungssystem arbeiten oder körpernahe Dienstleistungen, wie etwa Masseure und Friseure, ausgedehnt werden.

Die Impfpflicht durch die Hintertür
Viel eleganter und politisch attraktiver ist die indirekte Einführung einer Impfpflicht. Die meisten Bürger vermuten hinter dem Begriff »Impfpflicht« ausschließlich die Durchsetzung einer staatlichen Zwangsmaßnahme. Sie glauben, dass der staatlich beauftragte impfende Arzt – unter Strafandrohung für alle Zuwiderhandelnden – eine Injektion verabreichen wird. Dabei lässt sich die Durchsetzung der Impfpflicht relativ problemlos an private Organisationen und Unternehmen auslagern. Das heißt, die Bürger werden die Impfung zwar weiterhin ablehnen können. Damit wären sie dann aber von  zahlreichen privatwirtschaftlich organisierten Tätigkeiten ausgeschlossen. Ohne Impfung würde man daher nicht mehr fliegen, in ein Kino, Konzert oder ein Fußballstadion dürfen. Im Zuge der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit kann die Wirtschaft die Nichtgeimpften nämlich massiv diskriminieren. Und, was den wegen seiner patscherten Verordnungen leidgeprüften Gesundheitsminister erfreuen dürfte, nicht einmal der Verfassungsgerichtshof könnte etwas dagegen ausrichten, weil ein Diskriminierungsschutz nur bei rassischer, religiöser oder sexueller Diskriminierung existiert.

In Österreich gab es übrigens bis 1980 eine Impfpflicht gegen Pocken. Erst als die WHO die Ausrottung der Pocken verkündete, wurde diese aufgehoben. Es bestand schlicht keine Notwendigkeit mehr für die Impfung. Inzwischen hat die WHO eine weltweite Kampagne zur Ausrottung der Masern gestartet. Bis vor etwa hundert Jahren starben weltweit etwa drei Prozent der Neugeborenen an den Masern. Selbst 1998 gab es immer noch fast sechs Millionen Maserntote jährlich. Inzwischen war man zumindest in Amerika mit der Ausrottung der Masern erfolgreich. In Österreich ist man wegen der vielen Impfverweigerer bisher jedoch grandios gescheitert. Denn der medizinische Fortschritt hat dazu geführt, dass die Todesrate bei einer Maserninfektion nur mehr etwa ein Promille beträgt. Die Krankheit hat daher ihren Schrecken verloren. An Corona sterben fast nur hochbetagte Mitbürger. Die Jüngeren sind kaum gefährdet.  Daher wird ihnen nachgesagt, keinen Respekt vor einer Covid-19-Erkrankung zu haben. Vielleicht ist das der Grund, warum sich so viele nicht freiwillig gegen Corona impfen lassen.

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