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Von Enten und Monstern

| 13. April 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 171, Fazitbegegnung

Foto: Sascha Pseiner

Achdé, der Zeichner von Lucky Luke, bezeichnet Florian Satzinger als einen »der besten Zeichner seiner Generation« und ernennt ihn rundweg zum »Master of the ducks«. In der internationalen Comicszene gilt der Grazer als »Carl Barks auf Steroiden« – Barks war eine Disney-Legende, der bekannteste Zeichner der Duck-Familie von Entenhausen.

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Denn welche Charaktere Satzinger aus Cartoon-Enten schneidert, schnitzt, hämmert, zeichnet sprich kreiert, ist atemberaubend und ergibt schon längst ein eigenes, schier grenzenloses Universum, das sich aber keineswegs auf Enten beschränkt. Es umfasst auch critters and monsters, Kreaturen und Ungeheuer, die von den fantastischen Welten in Satzinger Kopf zeugen. »Aber es gibt immer eine Verbindung zur Realität«, erklärt der 50-jährige, »das macht den Cartoon fast zu einer Urkunde.« Er sagt das vor einem Donald-Bild auf den bis zu 27 Meter langen Transparenten in den Kasematten am Grazer Schloßberg, wo noch bis 18. April seine Ausstellung »Duckland« läuft. Donald sitzt dabei in seinem bekannten roten Auto, auf dessen Nummerntafel statt »313« das Wort »FAT« prangt und das aufgeblasen ist, wie die Fat Cars von Erwin Wurm, der seine Künstlerkarriere in Graz begann. Zugleich hat er statt seiner Matrosenmütze eine Banane auf dem Kopf, die mit Klebeband befestigt ist, was auf die aufgeklebte Art-Basel-Banane von Maurizio Cattelan verweist, der wiederum in Graz ausgestellt hat. Sämtliche Motive dieser Ausstellung haben nämlich einen Graz- oder Steiermark-Bezug, so etwa Johannes Kepler mit Planetarium, Fritz Pregl mit Chemieutensilien oder Inge Morath mit Lama – allesamt natürlich als Enten dargestellt und jeweils mit kurzen, erklärenden Texten versehen, zum Beispiel für das Lama-Motiv. Da Florian Satzinger ein Künstler ist, gibt es mehreren Ebenen zu entdecken, das macht die Ausstellung vielschichtiger und noch amüsanter. So pickt etwa eine ganze Ente (Duck) mit Klebeband, englisch Duct-tape, an der Wand, was einerseits ein Wortspiel ist, andererseits darauf anspielt, das Cattelan tatsächlich auch seinen Manager (kurz) an die Wand geklebt hat. Die ganze Wand ist erkennbar eine Bücherwand, tatsächlich hat sie Satzinger dem Spitzweg-Gemälde »Der Bücherwurm« entnommen. Die nächste Ebene ist sophisticated, wobei genaue Beobachtung hilft. Zum Beispiel steht auf einem Eck der Bibliothek »Lunar Excursions« und auf der Kanone mit der eine nicht näher beschriebene Ente in die Wand geschossen wird, das Wort »Columbiad«. Das ist jene Kanone, mit der Jules Verne in einem Roman Raumfahrer zum Mond schießt.

Genauigkeit und Witz, vulgo Esprit, sind neben der Technik (und einigen anderen Faktoren) untrügliche Kenngrößen von Kunst, für die bloß groß und bloß artig noch lange nicht großartig bedeutet. Satzingers Kunst ist großartig. Das kommt nicht von ungefähr. Der schon im Zeichenunterricht als begabt geltende Schüler liest während eines angefangenen Studiums der Phililogie in einem Magazin eine Anzeige einer Kunstakademie in Kanada und geht für ein Jahr an das Institute of Media Arts in Vancouver und setzt seine Ausbildung anschließend an der Middlesex University in London fort, zeichnet Maskottchen für Werbeagenturen und erstellt in den Anfängen des Internets eine eigene Homepage: »Das hat die Vizepräsidentin von Disney Worldwide, Lenora Hume, gesehen und mich wegen einer Mitarbeit angeschrieben. Daraus wurde zwar nichts, aber es war die richtige Richtung.« Mit der Umstellung von Homepage und Weblog auf Englisch, entstanden die Kontakte zu Studenten und zur Branche. Schließlich wurde er von Produktionsfirmen eingeladen.

Florian Satzinger ist nicht Comiczeichner, sondern »Character Designer«. Das heißt, er entwirft Charaktere, die entweder neu sind oder er entwickelt bereits bestehende weiter. Er designt die Form, das Volumen, die Silhouette, nicht die Striche: »Die fangen die Figur nur ein.« Diese muss von allen Seiten, von links wie rechts, von oben und von unten so ausgestaltet sein, dass sie von Dritten übernehmbar ist. Das sind dann jene, die die Figur animieren – und zwar für den Film und das TV. Der klassische Zeichtrickfilm, so Satzinger, ist fast ausgestorben, seine Arbeit wird von 3-D-Designern benötigt, genauer für die 3-D-Animationen der neuen Filme. Was nach Holywood klingt, ist es auch: Die Auftraggeber des Grazers heißen Disney, Zanuck Company, ReelFX-Studio und Warner Brothers. Für letztere war er etwa für die Bösewichte bei einem Scooby-Doo-Kinofilm zuständig.

Satzinger hat allein auf Instagram mehr als 100.000 Follower auf der ganzen Welt, international genießt er gewissermaßen Kultstatus und ist schlichtweg ein Star. Erstmals ist ein eigenes Comicheft geplant: Comicautor Denis Pierre Filippi hat sich an ihn gewandt, um einen Donald-Duck-Band zu produzieren.

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Florian Satzinger wurde am 6. Juni 1970 in Graz geboren. Sein Vater war Architekt, seine Mutter Journalistin, er hat drei Geschwister. Matura im BORG Monsbergergasse. Seine Ausbildung zum Character Designer absolvierte er unter anderem in Vancouver, Kanada und in London, GB. 2009 erhielt er den prestigeträchtigen Nemoland-Award in Florenz. Über Aufträge von Studios wie Disney und Warner Brothers sind bereits Figuren wie Donald Duck, Mickey Mouse, Daffy Duck, Bugs Bunny, Pinky und der Brain sowie Scooby-Doo über seinen Zeichentisch gewandert. Zwischendurch hält er Gastvorträge an Filmhochschulen im In- und Ausland.   paperwalker.com   fb.com/paperwalker

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Fazitbegegnung, Fazit 171 (April 2021) – Foto: Sascha Pseiner

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