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Corona und die Wirte

| 29. Dezember 2021 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 179, Serie »Erfolg braucht Führung«

Über Agilität im Gastgewerbe. Ein Gespräch von Carola Payer mit dem Grazer Gastwirt Rudof Zarfl über die Kunst, Ausnahmezustände zu managen.

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Rudolf Zarfl ist noch ein Gastwirt, wie er im Buche steht. Man hat das Gefühl, hier einfach willkommen zu sein, egal ob Frau Doktor, Student, Schüler, Bürger jeglicher Einkommensstufe. Was zählt, ist »Du bist Gast.« Es wird diskutiert, politisiert, philosophiert, Schach gespielt. Der Backhendl-Salat ist nach wie vor der Favorit. Es zählt nicht das stylische Design, sondern die unvoreingenommene Begegnung. Bei mir werden hier immer die eigenen Kindheitserinnerungen aktiviert, als ich mit meinen großen Brüdern ins Dorfgasthaus mitdurfte und stolz an meiner Limonade schlürfte und mit großen Augen und Ohren den staatstragenden Gesprächen lauschte. Rudolf Zarfl: »Der schwarze Adler ist wie meine zweite Heimat. Trotzdem muss ich schön langsam die Gastwirtschaft an mögliche Nachfolger abgeben. Er oder sie sollte die Gastronomie lieben und eventuell Koch sein. Also ein Koch mit einem Hang zur gutbürgerlichen, österreichischen Küche.«

Ort des Austausches
Rudolf Zarfl: »Ich merke jetzt bei jungen Leuten, dass sie wieder mehr Sehnsucht nach Ansprache haben. Da bleibt plötzlich das Handy in der Hosentasche. Ich mag das Gastgewerbe und mein Betrieb liegt mir am Herzen. Es gibt hier sehr viele ideelle und geistige Synergien mit meinen Gästen. Das müsste auch wieder viel mehr in den Fokus kommen, damit Mitarbeiter wieder mit Freude in die Gastro kommen. Das Gastgewerbe ist eine Dienstleistung, die zum allgemeinen Wohlbefinden der Gesellschaft beiträgt. Diese positiven, beziehungsorientierten Werte müssen aktuell verstärkt vermittelt werden. Wie auch in anderen Dienstleistungsberufen haben wir es gesellschaftlich verabsäumt, die Essenz des Berufes und die Wertschätzung zu vermitteln. Das Image und Ansehen müssen gehoben werden, aber auch das Sinnstiftende und die Breite dieser Tätigkeit. Die Zukunft der Gastronomie ist eine Mischung aus gutem Service, guter Ware am Tisch, aber auch die Kommunikation, Spaß und die persönliche Ansprache.«

Herausforderung Corona
Nichts ist mehr, wie es früher war. Kein Stein bleibt auf dem anderen. Auf, zu, 2G, 3G. Wie geht es Rudolf Zarfl damit? »Es ist eine enorme und kraftraubende Herausforderung, den Betrieb am Leben zu erhalten. Wir arbeiten mit verderblichen Lebensmitteln. Da brauchen wir eine enorme Flexibilität und ein gutes Händchen für den Einkauf der Waren. Wir sind laufend in der Schadensbegrenzung. Das schnelle Einstellen auf das geänderte Konsumverhalten in der Corona-Zeit war wesentlich. Die Mischung aus Bedienung im Lokal und Lieferservice ist die Zukunft. Daher haben wir auch in unserem Betrieb einen Lieferservice. Die Menschen feiern immer mehr zu Hause und wir liefern ihnen das Catering vom gesamten Geschirr bis zum Essen. Dafür war die Coronakrise ein absoluter Booster. Die Stammgäste nehmen das sehr gut an. Bestellungen werden ausnahmslos telefonisch angenommen. Wir haben keine Kooperationen mit großen Lieferservice-Agenturen. Wir machen das selbst. Wir haben die Planung der Vorratshaltung umgestellt. Kleines Lager, öfters einkaufen gehen. Der Zeitaufwand steigt, der Kohlendioxidabdruck ist viel größer, weil wir viel mehr fahren, und die Infrastruktur muss trotzdem voll erhalten werden, obwohl diese nicht voll ausgenützt wird. Das ist eine enorme Ressourcenverschwendung. Als kleiner Unternehmer sind eine effiziente und effektive Nutzung von Ressourcen ein wichtiger Wettbewerbs- und Überlebensfaktor. Ich glaube nicht, dass Entscheidungsträgern auf politischer Ebene bewusst ist, an welche Grenze der persönlichen Belastung sie kleine Unternehmer führt. Da wir klein sind, haben wir mit Personal, Gott sei Dank, weniger bis keine Probleme.«

Ausblick trotz enger Rahmenbedingungen
Rudolf Zarfl: »90 Prozent der Weihnachtsfeiern wurden abgesagt. Auch die Stammtische wurden durch die 2G-Regel zur Gänze storniert. Das ist ein echter Horror! Trotzdem: Ich möchte als uriges Gasthaus so lange überleben, dass ich aufgrund meines Seltenheitswertes zwischen der ganzen System- und Designgastronomie wieder ein Unikat und daher konkurrenzfähig bin. Wie schon erwähnt, erleben wir einen enormen Zulauf von sehr jungen Gästen. Das Bedürfnis nach Geselligkeit und persönliche Ansprache steigt. Vielleicht ist das ja auch ein Vorteil der Krise. Man hat wieder wahrgenommen, dass das Zusammensein und ein reales Gespräch eine Qualität für das eigene Leben haben.« Rudolf Zarfl zum viel diskutierten Personalthema in der Gastronomie: »Das Beste ist, selber Mitarbeiter aus- oder weiterzubilden. Mundpropaganda ist das wichtigste Recruitinginstrument. Persönliche Kontakte zu pflegen und viele Menschen zu fragen ist unabdingbar. Die Küche ist am schwierigsten zu besetzen. Der Job ist sehr stressbeladen, arbeitsintensiv und auch ein großes fachliches und organisatorische Können ist die Grundvoraussetzung.«

Rudolf Zarfl zur Regionalität in der Kleingastronomie: »Regionalität ist im Angebot unabdingbar. Im unteren Preissegment ist es schwierig, Produkte zu finden, aber wir schaffen es auch hier. Bei Feiern vereinbaren wir mit unseren Kunden die Qualitätsanforderungen und gestalten dann entsprechend den Einkauf. Der schönste Ausblick ist, dass ich jemanden finde, für den Der schwarze Adler genauso in Zukunft eine zweite Heimat wird und die ‚Grundversorgung Gasthaus‘ in der Leonhardstraße erhalten bleibt. Ich bleibe für die Zukunft optimistisch, alles andere würde meiner unternehmerischen Gesinnung nicht entsprechen.«

Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 179 (Jänner 2022), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 46)

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