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Tandl macht Schluss (Fazit 187)

| 14. November 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 187, Schlusspunkt

Soziale Medien als Gefahr für die Demokratie. Soziale Medien wie Facebook werden immer mächtiger und mächtiger. Mit ihrem Aufstieg verschwindet auch die Meinungsvielfalt. Denn bei Facebook und Co legen geheime Algorithmen fest, welche Inhalte zu den Usern durchgelassen werden.  Sie treffen autonom die Entscheidung, welcher  Content beim User erscheint. Und angeblich weiß nicht einmal Mark Zuckerberg selbst, wie sein auf kommerziellen Erfolg getrimmter Algorithmus funktioniert. Aber vielleicht können wir ihm ja auf die Sprünge helfen. Facebook will nämlich jedem User einen Newsfeed präsentieren, der ihn vom Aussteigen abhält. Inhalte, von denen Facebook glaubt, dass sie am wertvollsten für den User sind, erscheinen ganz oben im Newsfeed. Und da es wesentlich mehr Inhalte gibt, als die User anschauen können, legt ein Algorithmus fest, in welcher Reihenfolge die Postings erscheinen.

Jeder andere User, mit dem man sich auf Facebook verbindet, jede Gruppe, in der man Mitglied wird, jede Seite und jedes Posting, das geliked oder gehated wird, und jeden Kommentar nimmt der Algorithmus als Indiz auf, was für den User bedeutsam ist. Damit entscheidet eine Maschine darüber, welche Informationen an die Bevölkerung gelangen und kein humanistisch gebildeter, demokratisch orientierter Chefredakteur.

Natürlich könnte diese Maschine auch die politischen Ziele ihrer Besitzer verfolgen. Aber so weit sind wir angeblich noch nicht. Das einzige Ziel des Algorithmus ist angeblich, die User dazu zu veranlassen, noch mehr Zeit auf Facebook zu verbringen, damit möglichst viel Werbung in die Newsfeeds gespielt werden kann.

Aber auch das ist ein großes demokratisches Problem. Der Algorithmus schickt nämlich jedem Facebook-Mitglied vor allem solche Beiträge, die bei anderen Usern mit ähnlichen Interessen gut angekommen sind. Die Sozialen Medien lassen dadurch Blasen von Gleichgesinnten entstehen, die sich in ihrer Weltsicht gegenseitig verstärken und bestätigen.
Dazu ein harmloses Beispiel. Der Algorithmus von Herrn Zuckerberg weiß aufgrund des Clickverhaltens, dass es sich bei einem bestimmten User um einen begeisterten Windsurfer handelt. Schließlich interessiert er sich für die Inhalte, die von anderen Windsurfern gepostet oder geliked werden. Daher schlägt ihm Facebook einige Windsurferusergruppen vor. Außerdem erhält er für den Bedarf von Windsurfern maßgeschneiderte Werbeangebote.

Es gibt aber auch weniger harmlose Beispiele. Der Algorithmus vernetzt auch Menschen, deren gemeinsame Schnittmenge sich auf einige radikale Standpunkte beschränkt. Die Gruppe der Impfgegner hätte etwa ohne Soziale Medien nicht zu verhetzten und radikalisierten Coronaleugner mutieren können.

Während Gesetzesbrüche wie Beleidigungen und Verhetzungen auf Facebook, zumindest in Einzelfällen strafrechtlich verfolgt werden können, findet der Messengerdienst Telegram im rechtsfreien Raum statt. Dort können sich die User zu offenen Gruppen zusammenschließen. Und zwar auch zu Themen die extremistisch oder gar kriminell sind. In autoritär geführten Staaten ist Telegram wegen dieser Freiheiten hingegen ein wichtiger Kanal, um den Widerstand zu organisieren. In Österreich wird Telegram vorzugsweise von der FPÖ genutzt. Und so sind inzwischen viele FPÖ-affine User davon überzeugt, dass die österreichische Präsidentschaftswahl gefälscht wurde, um eine Stichwahl zu verhindern.

Etwa ein Drittel der Bevölkerung bezieht ihre Informationen zum überwiegenden Teil aus den Sozialen Medien. Das ist bedenklich. Schließlich bestimmt ein geheimes – den Konzernen gehörendes – Computerprogramm,  die veröffentlichten Inhalte. Und diese Algorithmen werden aufgrund ihrer kommerziellen Ziele auch in Zukunft das Entstehen extremistischer Blasen fördern. Daher müssen diese Programme unbedingt einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden.

Jetzt mag Österreich zu schwach sein, um es mit Zuckerbergs mächtigem Meta-Konzern – zu dem auch Facebook, Instagram und WhatsApp gehören – aufzunehmen. Aber wo ist eigentlich die EU-Kommission ist, wenn sie einmal wirklich gebraucht wird.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 187 (November 2022)

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