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Außenansicht (40)

| 28. Februar 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 190

Von der scheiternden Empörungskultur. In den letzten Wochen gelang es den Freiheitlichen, mit gezielten Provokationen nicht nur ihren Wahlerfolg zum Gesprächsthema Nummer eins zu machen, sondern auch eine kollektive Empörung auszulösen, die in ihrer Wortwahl so identisch ist, dass es wie ein gut einstudierter Chor klingt. Kommentatoren in den Medien und Politiker aller anderer Parteien waren sich einig. Die Aussagen verschiedener FPÖ-Politiker zu Asyl, Zuwanderung und zur finanziellen Unterstützung der Opfer im Ausland ergaben den sogenannten »Knopfdruckeffekt«, ein den Erwartungen entsprechendes Reagieren auf Knopfdruck.

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Die Folgen sind absehbar. Jene, die immer schon den Freiheitlichen zustimmten, werden sagen: »Recht hat er.« Manche, die bisher eher andere Parteien vorzogen, werden vielleicht sagen: »Eigentlich hat er recht.« Andere, die bisher noch nie die FPÖ gewählt hatten und als treue Anhänger meist immer dieselbe Partei unterstützten, könnten sagen: »Na, so unrecht hat auch wieder nicht.« Was bleibt, ist eine inszenierte Brüskierung, die dieser Partei in ihrer Geschichte immer schon geholfen hat, den Kern ihrer Wähler zu behalten, und andere, die bisher zweifelten, für sich zu gewinnen.

Bleibt immer noch die emotional aufgeladene Aufregung und der Angriff gegen FPÖ-Wähler und Wählerinnen, dass sie sich »unanständig« verhalten würden, gäben sie dieser Partei ihre Stimme. Doch die Frage muss erlaubt sein: Ist das eine Motivation, das Wahlverhalten zu ändern? Sicher nicht, denn nichts macht mehr Spaß, als sich unanständig zu verhalten, es ist nahezu mit einem Lustgefühl verbunden. Sich schlecht zu benehmen ist die psychische Grundlage des Daseins des Österreichers und verleiht ihm die notwendige Stabilität. Unfreundlich, grantig, abwehrend, aufgeregt, aufbrausend, nörgelnd, kritisierend, die Puzzlesteine des Ichbewusstseins des Österreichers. Deshalb immer wieder die irritierende Statistik über Wien: Einerseits eine der lebenswertesten Städte der Welt, anderseits auch eine der unfreundlichsten.

Der Österreicher ist durch Ermahnung über schlechtes Benehmen nicht zu motivieren, dieses zu ändern; das wird schon nicht so schlimm sein, werden sie denken. Auf der Grundlage einer aufgesetzten, pseudomoralischen Aufregung wird es nicht gelingen, Wählerinnen und Wähler aus dem eigenen Eck zu holen. Und darum gehts doch in der Politik. Jeder Angriff hat letztendlich nur den Sinn, Stimmen für sich zu gewinnen, das bedeutet, eine Änderung des Wahlverhaltens einzuleiten. Wer jedoch gibt seine politische Vorliebe auf, weil ihm jemand erklärt, das Kreuzerl bei der FPÖ mache ihn zum Rassisten, Unmensch, Neonazi oder Fremdenfeind und symbolisiert ein asoziales Verhalten? All diese Vorwürfe, so erklären die Kritiker, könnte man loswerden, wenn man bei der nächsten Wahl sein Kreuzerl bei einer anderen Partei machen würde. Dann ist man weder Rassist noch Fremdenfeind und schon gar kein Nazi mehr. So einfach ginge das.

Der politische Dialog in unserer Demokratie gleitet auf diese Art und Weise auf ein Kindergartenniveau ab. Es geht nicht mehr um Richtig oder Falsch, es geht um die Guten und die Bösen. Wäre Wien ein anderes Wien ohne Flüchtlinge aus einem Kulturkreis, der nicht nur völlig anders ist, sondern bei vielen Fremden eine Verweigerung zu erkennen ist, den unterschiedlichen Alltag in der neuen Heimat anzunehmen? War das alte Wien besser als das neue? Das wurde nicht diskutiert. Doch damit würde die intelligente Sachlichkeit eines Dialogs in einer funktionierenden Demokratie beginnen. Die Bemerkung des FPÖ-Politikers als »rassistisch« zu verurteilen, ist einfach, in einem Satz erledigt. Ihm nachzuweisen, dass er inhaltlich nicht recht hat, und damit zu beweisen, dass er irrt und etwas Falsches sagt, wäre mühsam, braucht Recherche, Nachdenken, Argumente und längere Sätze, vielleicht sogar mehrere.

Um gegen Provokationen zu kontern, braucht es mehr als Schlagwörter. Intelligente Kritik könnte die Frechheiten als falsch, verleumdend und beleidigend nachweisen – jedoch ohne Nazi, Rassist, Unmensch und Fremdenfeind. Lasst sie einmal weg, diese paar Worte, die wiederholt werden wie das Klopfen eines Spechts gegen den Baum. Ist die Empörung berechtigt, dann sollte sie in einer Art und Weise kommuniziert werden, die korrigiert und überzeugt.

Außenansicht #40, Fazit 190 (März 2023)

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