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Außenansicht (41)

| 6. April 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 191

Eigeninitiative statt Empörung. Einer der meist kritisierten Punkte in dem Regierungs-Abkommen zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich ist das Werbeverbot für die Corona-Impfung. Inhaltlich lässt sich da schwer etwas dazu zu sagen. Das Thema ist ebenso belastet wie das Rezept für die Original-Sachertorte. Ich würde es eher in die Schublade für politische Kuriositäten ablegen. Zu einer ernst gemeinten Diskussion zu diesem Thema sehe ich mich ausserstande.

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Worüber sinnvollerweise schon diskutiert werden könnte bzw. sollte, sind die Reaktionen und möglichen Konsequenzen. Die Verteidiger der Impfung reagierten mit Empörung und Wut und prophezeiten, dass ein Verbot Menschenleben kosten, oder schwere Erkrankungen die Folgen sein könnten. Die Skeptiker der Impfung erlebten das Verbot als Rettung vor einer »Verstümmelung« ihres Körpers und ihrer Freiheiten.

Versuchen wir uns die Realität jenseits der Debatte vorzustellen. Da gibt es einerseits Politikerinnen und Politiker, die aus welchen Gründen auch immer die Impfung ablehnen – mit einer entsprechenden Unterstützung für diese Position in Teilen der Bevölkerung. Auf der anderen Seite behaupten Politiker und deren Unterstützer, dass die Impfung eine notwendige Reaktion auf die Gefahr einer Infektion sei. Was könnte Aufgabe und Verantwortung der Regierung in dieser Auseinandersetzung sein? Was wären die Konsequenzen einer Entscheidung? Bedeutet ein Verbot der Bewerbung – wie immer man dazu steht – auch eine geringere Impfbereitschaft?

Eine emanzipierte Gesellschaft würde eine solche Entscheidung als Herausforderung erleben, und entsprechend darauf reagieren. Aktionsgruppen würden sich bilden, die eine Verweigerung der Bewerbung durch die Regierung nicht nur versuchen auszugleichen, sondern sogar zu übertreffen. Mit Spendenaktionen könnten Plakate ganz Niederösterreich schmücken, lokale Zeitungen freie Inseratenflächen bieten, Ärztevereinigungen aktiv werden und Patienten informieren. Werbung und Information sind keine Privilegien einer Regierung, im Gegenteil, die freie Wirtschaft mit all ihren kommunikativen Möglichkeiten ist einer behördlichen Informationskampagne überlegen. Sie hat Zugang zu den verschiedensten Medien und den notwendigen finanziellen Mitteln. Einen wichtigen finanziellen Beitrag für solche »privaten« Informationsstrategien könnten die Hersteller der Impfungen leisten.

Doch in Österreich beschränkt man sich eher auf die Aufregung, die Empörung ist wichtig, das Aufzeigen des Versagens politischer Parteien. Die Empörung »von unten nach oben« hat Tradition. Die »da oben« sind schuld, sie haben versagt, sie arbeiten nur in die eigenen Taschen, sie belügen uns, sind alle korrupt und es geht ihnen nur um die Macht. Das Kollektiv bildet sich schnell, wenn es um Kritik geht, es bewegt sich langsam oder gar nicht, wenn es um Eigeninitiative gehen soll. Eine ähnliche Reaktion wäre denkbar auf die Ankündigung, die Finanzierung der Renovierung der jüdischen Friedhöfe nicht zu übernehmen. Auch hier fehlte die Antwort mit der entsprechenden Selbständigkeit und dem Selbstbewusstsein. Keine SPÖ-Gruppe hat sich bisher gemeldet mit der Ansage, bei einem Ausbleiben der finanziellen Mittel für die Friedhöfe würden sie diese Verantwortung übernehmen.

Geht es tatsächlich um Friedhöfe und um Nichtgeimpfte? Oder sind die Themen des Regierungsprogramms eine Auflistung von protestwürdigen Entscheidungen, geeignet für einen Aktionismus, jedoch ungeeignet für Aktivitäten zur Lösung der Probleme. Natürlich ersetzt die Aktivität nicht die Verantwortung der Regierung. Sie würden sich jedoch ergänzen. Meinungen machen sich selbständig wie Federn nach einer Polsterschlacht. Eine Struktur zu schaffen, die sich auf ein reales Thema konzentriert, um es zu beeinflussen und zu verändern, ist eine andere Dimension; wesentlich aufwendiger und komplizierter. Und mit dem Risiko, zu scheitern verbunden.

Empörung ist eine mutlose Aktivität. Ein paar Sätze auf Twitter ist in ein paar Minuten erledigt. Mit Gleichgesinnten eine Organisation zu schaffen, die eine politische Entscheidung ausgleicht, sie wert- und folgenlos zurücklässt ist das Meisterwerk einer engagierten demokratischen Gesellschaft. Es scheint, dass wir noch weit davon entfernt sind.

Außenansicht #41, Fazit 191 (April 2023)

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