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Politicks April 2023

| 6. April 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 191, Politicks

Schwarz-Blau in NÖ: Skandal oder demokratiepolitische Normalität?
Die Empörung auf Twitter und bei vielen Politkommentatoren ist riesig, weil es die niederösterreichische ÖVP unter Johanna Mickl-Leitner gewagt hat, sich – entgegen dem Meinungs-Mainstream urbaner Linksliberaler – auf ein Arbeitsübereinkommen mit der niederösterreichischen FPÖ unter Udo Landbauer einzulassen. Tatsächlich bekämpften sich ÖVP und FPÖ im Landtagswahlkampf mit harten Bandagen. Landbauer – er hat als halber Iraner selbst einen Migrationshintegrund – bezeichnete Mikl-Leitner etwa als Moslem-Mama. Und zwar weil in Niederösterreich angeblich bewusst versucht werde, »den Islam als zu uns gehörig darzustellen«. Die ÖVP wiederum konnte in den letzten Tagen vor der Wahl gegenüber den Umfragen noch einige Prozentpunkte aufholen, indem sie erfolgreich mit Rot-Blau drohte. Die Drohung war deshalb für manche Wähler glaubwürdig, weil sich SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl nicht davon distanzieren wollte, mit FPÖ-Hilfe Landeshauptmann zu werden.

Die Wahl endete für die ÖVP aber auch für die SPÖ desaströs. Die VP verfehlte ihr Minimalziel von 40 Prozent und die SPÖ fiel hinter der FPÖ auf den dritten Rang zurück. Während Mikl-Leitner sich innerparteilich halten konnte, wurde SPÖ-Chef Franz Schnabl vom Wiener SPÖ-Mitglied Sven Hergovich, er war niederösterreichischer AMS-Chef, abgelöst.

Als ihn die ÖVP zu Koalitionsgesprächen einlud, sah der von den Medien rasch im linken SPÖ-Spektrum positionierte Hergovich seine Stunde gekommen.  Sein Versuch, mit 28 Forderungen in die Verhandlungen zu gehen, wurde von der ÖVP brüsk zurückgewiesen. In einem zweiten Anlauf versuchte es Hergovich mit fünf Bedingungen, die er zur »Conditio sine qua non« erhob.

Dabei handelte es sich um folgende Bereiche:
– Kostenlose Ganztagsbetreuung im Kindergarten;
– Job-Garantie für Langzeitarbeitslose  in ganz Niederösterreich;
– Heiz-Preis-Stopp für niederösterreichischen Haushalte;
– die Anstellung pflegender Familienangehöriger beim Land Niederösterreich;
– mindestens ein Bankomat in jeder Gemeinde
– und eine Standortgarantie für sämtliche Polizeiinspektionen

Jetzt hätte die teilweise Umsetzung dieser SPÖ-Forderungen durchaus Ergebnis eines konstruktiven VP-SP-Koalitionspaktes seine können. Die SPÖ bezifferte die jährlichen Kosten mit etwa 400 Millionen, die ÖVP mit 700 Millionen Euro. Doch Hergovich überreizte sein Blatt, indem er folgenden markigen Sager nachlegte: »Bevor ich ein Übereinkommen unterzeichne, in dem nicht alle diese Punkte enthalten sind, hacke ich mir die Hand ab.«

Die ÖVP startete noch einen weiteren Versuch, beendete dann aber die Gespräche mit der standhaften SPÖ. Und so kam es trotz der vielen offenen Wunden schließlich zu Schwarz-Blau in Niederösterreich. Die FPÖ konnte ihr Versprechen, Mikl-Leitner nicht zur Landeshauptfrau zu wählen, zumindest formal halten, und zwar indem die FPÖ-Abgeordneten bei der Landeshauptmannwahl ungültige Stimmzettel einwarfen. Daher reichten die Stimmen der ÖVP für eine Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen.

Und so beherrscht die schwarzblaue Renaissance seither die zahlreichen Polit-Talkshows der Privatsender. Dort gehen linke und rechte Diskutanten aufeinander los, um sich in ihren Resümees schließlich darauf zu einigen, dass an sämtlichen Problemen, die die Republik von Corona über die Illegale Masseneinwanderung bis zur Inflation heimsuchen, die ÖVP schuld ist.

Inhaltlich konnte sich die niederösterreichische ÖVP in ihren Kernthemen übrigens weitgehend durchsetzen. Die FPÖ ist mit den Zuständigkeiten für Verkehr, Sport und Europa ebenfalls zufrieden. Außerdem sieht das Übereinkommen bei jenen Corona-Strafbestimmungen, die später vom VfGH später aufgehoben wurden, die Rückzahlung der Strafen vor.

Programmatische Steiermark-Rede von LH Drexler
Die Steirische Volkspartei nutzte den Josefitag für die erste »Steiermark-Rede« von Landeshauptmann Christopher Drexler. Vor einem ausgesuchten Publikum aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur bekannte sich Drexler klar zum Wettbewerbsföderalismus. Drexler sprach von einem Ideenwettbewerb um bessere Chancen für die Zukunft, den die Steiermark gewinnen wolle.

Drexler sieht im Klimaschutz die größte Herausforderung unserer Zeit. Die Steiermark könne auch im globalen Kontext etwas dazu beitragen, die Umwelt und Lebensgrundlagen zu erhalten. Dazu gehöre auch, den ambitionierten Weg zur steirischen Energiewende fortzusetzen. Gleichzeitig gab Drexler das Bekenntnis ab, dass die Klimawende zur nur durch technologischen Fortschritt in einem technologieoffenen Umfeld zu schaffen sei.
Im Bildungsbereich verwies Drexler auf aktuelle Erfolge in der Kinderbetreuung. Gleichzeitig forderte er eine aktivere steirische Bildungspolitik von der Elementarpädagogik bis zu den Fachhochschulen und Universitäten.
Als eine der größten Herausforderungen adressierte Drexler den Arbeitskräftemangel, weil dieser längst nachhaltig den Wohlstand bedrohe. Daher bekannte er sich klar zur Arbeitsmigration und gegen eine generelle Arbeitszeitverkürzung.

Steiermark-Herz soll sich zur Dachmarke diversifizieren
Seit dem Vorjahr wird versucht, das Grüne Tourismusherz von der Tourismus- zur Standortmarke zu diversifizieren. Dazu wurde Tourismusgesellschaft STG unter ihrem neuen Geschäftsführer Michael Feiertag zur Tourismus und Standortmarketing GmbH mit den Bereichen Tourismus- und Standortmarketing umgebaut.

Landeshauptmann Christopher Drexler sieht das grüne Herz bereits als Bestandteil der steirischen Identität. LHStv. Anton Lang sieht im Steiermark-Herz einen Türöffner, der nicht nur in Wirtschaft und Tourismus, sondern auch in Verkehr und Mobilität riesige Chancen bietet. Ressortzuständig für Wirtschaft und Tourismus ist Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl. Sie will die hohe Bekanntheit des Herzes für alle Vermarktungsbereiche des Standortes Steiermark nützen. In Zukunft soll das Steiermark-Herz daher auf den Gesamtauftritt des Standortes Steiermark im internationalen Wettbewerb einzahlen.

SPÖ-Mitgliederbefragung statt Parteitagsentscheidung
Pamela Rendi-Wagner, Hans-Peter Doskozil oder doch Andreas Babler? Nach jahrelangen Querschüssen des burgenländischen Landeshauptmanns gegen die gewählte SPÖ-Spitze soll es nun durch eine Mitgliederbefragung zum Showdown kommen.  Stimmberechtigt sind etwa 140.000 SPÖ-Parteimitglieder. Danach soll das Ergebnis in einem Bundesparteitag, statutenkonform abgesegnet werden.

Die erste Direktwahl in der SPÖ konnte übrigens die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus für sich entscheiden. Anders als im Bund war sie in Graz jedoch die einzige Kandidatin für den Parteivorsitz. Dabei wurde sie von 91 Prozent der abstimmenden 1.000 Parteimitglieder gewählt.

Aufgrund ihrer guten persönlichen Erfahrungen begrüßt Kampus den Weg der Bundes-SPÖ und hält die Einbeziehung der Parteimitglieder in diese Entscheidungen für wesentlich. So sei vor der Landtagswahl im nächsten Jahr auch geplant, den nächsten steirischen SPÖ-Landesparteivorsitzenden in einer Mitgliederbefragung zu fixieren.                                                                                                                               

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Politicks, Fazit 191 (April 2023)

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