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Tandl macht Schluss (Fazit 193)

| 10. Juni 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 193, Schlusspunkt

Wie wird Österreich attraktiver für qualifizierte Migranten? Den meisten Unternehmern ist längst klar, dass das heimische Arbeitskräfteangebot nicht ausreicht, um die offenen Stellen besetzen zu können. Daher fordern sie gezielte Anwerbekampagnen in den Schwellenländern, um möglichst viele einigermaßen gut ausgebildete arbeitswillige Auswanderer nach Österreich zu holen. Doch das ist alles andere als einfach! Schließlich haben alle Industriestaaten das gleiche Problem. Und überall dort, wo die österreichischen Unternehmen rekrutieren wollen, stehen sie im Wettbewerb mit attraktiveren Einwanderungsdestinationen. Selbst wenn inzwischen alle anerkannten – aber auch die meisten abgelehnten, jedoch nicht zur Ausreise verpflichtbaren Asylwerber – in Österreich arbeiten dürfen und auch wollen, löst das die Probleme nicht. Vielen fehlen einfach die Mindestqualifikationen für einen Job. Sie bräuchten zuerst einen Pflichtschulabschluss und anschließend eine Berufsausbildung.

Bis auf die FPÖ haben die österreichischen Parteien daher längst realisiert, dass Österreich nicht länger »kein Einwanderungsland« bleiben kann. Nach Einschätzung der Industriellenvereinigung leidet Österreich im Wettbewerb um ausländische Fachkräfte bereits massiv unter jenem ausländerfeindlichen Image, das von der FPÖ befeuert wird. Das Schlagwort von der »Festung Österreich« spreche sich herum und das sei bereits deutlich spürbar, erklärte kürzlich der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill, vor dem Verband der Auslandspresse. Auch WKÖ-Präsident Harald Mahrer schlug gegenüber der Tageszeitung »Die Presse« in dieselbe Kerbe: Eine Partei wie die FPÖ, die »Mauern aufziehen« will, sei, so Mahrer, schlecht für ein exportorientiertes Land, das außerdem von internationalen Touristen abhängig sei. Er könne sich auf Bundesebene daher nur schwer eine Zusammenarbeit mit Menschen vorstellen, die das Land, in einer Festung Österreich einmauern wollten, so Mahrer.

Das Erfolgsmodell der FPÖ ist tatsächlich relativ simpel. Sie weist ihre Wähler einfach immer wieder darauf hin, dass unser hervorragendes Sozialsystem nur dann reicht, wenn es nicht durch unkontrollierte Massenzuwanderungswellen wie etwa im Jahr 2015 oder auch im Vorjahr überfordert wird. Und dass ein Sozialsystem nur dann Bestand haben kann, wenn die Sozialausgaben nicht schneller wachsen als die Wirtschaft, die es gemeinsam mit den Arbeitnehmern bezahlt, liegt auf der Hand. In einer hoch produktiven, weitgehend wissensbasierten und automatisierten Volkswirtschaft finden halt nur qualifizierte Arbeitnehmer einen Job.

Das wirkt sich trotz des Arbeitskräftemangels fatal auf jenes Fünftel der heimischen Erwerbsbevölkerung aus, das es nur zu einem Pflichtschulabschluss gebracht hat, weil es ihm am geistigen Potenzial für umfassende Qualifizierungsmaßnahmen mangelt. Unter diesen Geringqualifizierten liegt die Arbeitslosigkeit daher bei unglaublichen 25 Prozent.

Der Fachkräftemangel gilt unter allen Experten als riesige Bedrohung für den gesellschaftlichen Wohlstand. Da es jedoch allen Industrienationen ähnlich geht, bedroht er zumindest nicht die Wettbewerbsposition des Wirtschaftsstandorts.

Wie man es deutlich besser machen kann als Österreich, beweist der angloamerikanische Raum. Nordamerika gilt als besonders tolerant gegenüber gut qualifizierten Migranten. So fährt man in Kanada seit vielen Jahren sehr gut damit, potenzielle Zuwanderer nach einem Punktesystem zu klassifizieren. Als Folge dieser gesteuerten Zuwanderung verfügen etwa 45 Prozent der in den letzten fünf Jahren in Kanada Zugewanderten über einen Universitätsabschluss. Und selbstverständlich erreichen in Kanada auch die meisten Kinder der Migranten einen akademischen Abschluss. Damit übertreffen sie den Nachwuchs der gebürtigen Kanadier bei weitem. Bei uns hingegen liegen die Bildungsabschlüsse von Migranten der zweiten Generation dramatisch hinter jenen der Einheimischen.

Kanada beweist, dass man aus der Zuwanderung ein Geschäft machen kann, von dem auch die eingesessene Bevölkerung profitiert. Um jedoch qualifizierte Zuwanderer zu motivieren, auch Österreich in Erwägung zu ziehen, darf man diese nicht durch eine pauschale Ausländerfeindlichkeit abschrecken.

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Tandl macht Schluss! Fazit 193 (Juni 2023)

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