Anzeige
FazitOnline

Sechs Menüs im Eleven

| 18. August 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 195, Fazitbegegnung

Foto: Andreas Pankarter

Wo bekommt man in Graz Speisen wie gefüllte Paprika oder Cevapcici oder Djuvec-Reis auch so, wie sie jeweils sein sollen? Manchmal eventuell bei Mutti, einverstanden, sicher aber im »Eleven«, bei Arsim Gjergji.

::: Hier im Printlayout online lesen

Der neununddreißigjährige Wirt aus dem Kosovo serviert seit nunmehr mehr als sieben Jahren Balkanküche und mediterranes Essen in der Kaiserfeldgasse. Für jene, die gern zwischen 11 Uhr 30 und 15 Uhr essen, verspricht er täglich sogar sechs verschiedene Mittagsmenüs. Das heißt inklusive Suppe und Salat, so wie wir es eben von Mutti kennen. Und das zu verschiedenen, aber sehr moderaten Preisen. Schließlich kosten Meeresfrüchte nicht gleich viel wie Früchte. Oder Paprika. Zum Beispiel. Das ist würdig und recht, sagte dazu der Hausverstand. Soll heißen: keine Abzocke – in Zeiten wie diesen eine seltene Wohltat. Ja, Kostenwahrheit ist ein wundersames Tier, wenn auch immer in Begleitung ihrer berechnenden Schwester, der Kalkulation. Aber die ist Sache des Wirts. Und der macht die Sache offenbar gut.

So gut, dass die meisten der Stammgäste ihn als Freund ansehen. Und die meisten der Gäste sind wiederum Stammgäste. Wer ist dieser Arsim? Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen in einem Dorf namens Stublla auf 1000 Meter Seehöhe, lernte er das Leben von einer ganz anderen Seite kennen, als wir »Westler« es gewohnt sind: »Wir wissen es oft gar nicht zu schätzen, dass wir in Österreich in einer sehr angenehmen Welt leben, etwa mit einem funktionierenden Gesundheitssystem, mit geregelter Strom- und Wasserversorgung – jenseits der Grenzen ist das nicht immer so. Und wenn dann eine Krise wie Corona kommt, ist man schnell überfordert, weil wir das gar nicht kennen. In ärmeren Länder war das gar nicht so ein Drama, wie die meisten glauben. Zumindest ist das meine Interpretation.« Tatsächlich hat er sein Restaurant während der Coronazeit mit steter Essensausgabe im Gassenverkauf, mit Ideen wie Weinangebot und -verkauf für seine Lieferanten, mit viel Fleiß und ohne eine einzige Kündigung des Personals so gut über die Runden gebracht, dass er heute sagen kann: »Man muss diese Zeit nicht immer nur negativ bewerten. Bei uns hat sich dabei eine größtmögliche Kundenbindung entwickelt. Man hat gemerkt, dass die Leute darauf geschaut haben, dass »mein Wirt« das überlebt, die Solidarität und das Miteinander waren sehr groß. Es war eine Krise und ich habe dabei gesehen, dass der Mensch in der Krise zusammenhält – das bleibt.«

Arsim Gjergji war 15 Jahre alt, als er nach dem Kosovokrieg (1998 bis Juni 1999) im November 1999 im Rahmen einer Familienzusammenführung mit seinen fünf Geschwistern und der Mutter nach Graz gekommen ist, wo sich seit dem Ende des Bosnienkriegs bereits sein Vater befand. In der Schule am Borg-Hasnerplatz war für ihn im wahren Wortsinn alles neu: Deutsch, Englisch, Latein – ohne jegliches Vorwissen. Dort hat er hierzulande den Ersten getroffen, der an ihn geglaubt hat, als sein Lehrer zu ihm gesagt hat: »Du wirst bei uns maturieren.« Der Lehrer hat recht behalten, heute ist auch er ein Freund. Ab 17 begann er mit diversen Gastrojobs, es folgten das Bundesheer und sechs Jahre bei einer großen Versicherung im Außendienst. 2016 übernahm er schließlich das Lokal und nannte es »Eleven«. Woher der Name? »Um etwas Persönliches in eine harte Branche einzubringen. Mein erstes von drei Kindern wurde am 11. 11. 2011 geboren.« Sein Gastrokonzept ist letztlich so gut aufgegangen, dass sich zu den acht Mitarbeitern noch weitere neun in Gratkorn gesellen, wo er mit dem »Wirtshaus Gratkorn« seit dem Vorjahr ein zweites Lokal im dortigen Kulturhaus betreibt. Sein 14- bis 16-Stundentag hindert ihn nicht, sich auch politisch zu engagieren. Bei der letzten Gemeinderatswahl in Graz kandidierte er auf Platz 5 der SPÖ, was sich knapp nicht ausgegangen ist. Es ist kein Geheimnis, dass Michael Ehmann wohl noch heuer zurücktreten wird, wodurch Arsim Gjergji als Gemeinderat fix nachrücken würde.

Arsim Gjergji wurde am 14. Juni 1984 in Stublla im Kosovo geboren, hat fünf Geschwister, der Vater war Lehrer. Heute ist er mit Albina verheiratet und hat drei Kinder. Als er 1999 nach Graz kam, konnte er nur Albanisch und etwas Serbisch, maturierte schließlich am Borg-Hasnerplatz. Er begann ein Jusstudium, arbeitete sechs Jahre bei einer Versicherung, wurde 2016 als Wirt mit dem »Eleven« selbstständig und betreibt mittlerweile ein zweites Lokal in Gratkorn. Er rückt wahrscheinlich noch heuer in den Grazer Gemeinderat nach. eleven-graz.at

Fazitbegegnung, Fazit 195 (August 2023) – Foto: Andreas Pankarter

Kommentare

Antworten