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Tandl macht Schluss (Fazit 195)

| 18. August 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 195, Schlusspunkt

Wie mächtig wird die geplante Brics-Währung? Die Ankündigung von »Russia Today«, dass die Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) eine goldgedeckte digitale Gemeinschaftswährung einführen wollen, hat die Politik und die Finanz- und Wirtschaftswelt nicht sonderlich erschüttert. Denn dass die Brics-Länder gerne die ökonomische und damit politische Vormachtstellung der USA abschütteln würden, ist nichts Neues. So hat sich im Ukraine-Krieg kein einziges Brics-Mitglied den westlichen Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Und auch Chinas Initiative zur Annäherung zwischen Saudi Arabien und dem Iran ist als Versuch zu werten, den Brics-Raum mittelfristig zu erweitern und damit eine antiwestliche Allianz zu stärken. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Ankündigung von Russia Today tatsächlich auf einer gemeinsamen Initiative basiert, oder ob Putin – vielleicht sogar im Auftrag von XI Jinping – nur einen Versuchsballon starten ließ. Aber selbst wenn beim Brics-Gipfel Ende August in Südafrika, wie von vielen Medien kolportiert, eine entsprechende Einigung verkündet wird, ist noch lange nicht gesagt, dass es die geplante neue Währung tatsächlich schaffen kann, den Dollar in seiner Rolle als globale Leitwährung ernsthaft herauszufordern. Vor einigen Jahren ist bekanntlich auch der Euro spektakulär daran gescheitert, den »Petro-Dollar« durch einen »Petro-Euro« zu ersetzen.

Aber irgendwann, wenn sich die »grünen Wasserstofftechnologien« endlich durchgesetzt haben, braucht die Welt den Ölstandard, der den Dollar zur krisenresistenten Leitwährung des fossilen Zeitalters gemacht hat, ohnehin nicht mehr. Aber so weit wird es wohl erst sein, nachdem die USA längst von China als größte Volkswirtschaft der Welt abgelöst worden sind. Schließlich hat auch das britische Pfund seine Rolle als globaler Standard für internationale Finanz- und Warengeschäfte eingebüßt, nachdem die USA die Briten von ihrer globalen wirtschaftlichen Spitzenposition verdrängt hatten.

Dass aber ausgerechnet ein Goldstandard – außer mit Gold soll die neue Brics-Währung auch durch andere Rohstoffe wie Silber oder Seltene Erden gedeckt werden – das unglaublich flexible Dollarsystem ersetzen kann, ist trotzdem undenkbar. Schließlich würde eine goldgedeckte Währung alle hochverschuldeten Staaten in eine gewaltige Krise stürzen. Ein Goldstandard eignet sich ausschließlich für Staaten in einer Aufschwungsphase, die ihre ständig teurer werdenden Sozialsysteme mit hohen Exportüberschüssen finanzieren können. Mit einer goldgedeckten Währung können ausufernde Schulden gar nicht erst entstehen. Allein die USA verschulden sich jährlich um etwa 1,5 Billionen Dollar. Das ist eine kontinuierliche Ausweitung der Geldmenge, die nur durch das Versprechen zukünftiger ökonomischer Erfolge gedeckt ist. Auch viele andere Staaten kämpfen mit Verschuldungsgraden von deutlich über 100 Prozent ihrer Bruttoinlandsprodukte. Global gesehen würde ein Goldstandard die Ausweitung der Geldmenge verhindern. Wirtschaftliche Krisen wären dadurch nicht nur häufiger, sondern auch heftiger. Auch die ökonomische Bereinigung im Zuge einer Krise würde wesentlich massiver ausfallen. Übrig bleiben würden finanzstarke Konzerne, die sich die erfolgversprechendsten Unternehmen herauspicken könnten, weil diese keine Kredite mehr bekommen, um ihr Wachstum oder kurzfristige Liquiditätsengpässe zu finanzieren. Staatliche Rettungspakete wären ebenso wie Anleihenkäufe nur möglich, wenn entsprechend Gold hinterlegt wäre. Befürworter des Goldstandards sprechen zwar von einem nachhaltigeren Wachstum, aber sie vergessen bei ihrer Rechnung die immensen Schuldenberge, deren Abbau gewaltige Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Wohlstand hätte.

Grundsätzlich wäre ein Bedeutungsverlust des Dollars, wenn er mit der Abnahme der globalen wirtschaftlichen Bedeutung der USA einhergeht, sogar zu begrüßen; und zwar sowohl von allen anderen Volkswirtschaften als auch den USA. Die US-Notenbank Fed könnte dann nämlich endlich eine Geldpolitik betreiben, die keine Rücksicht mehr auf die restliche Weltwirtschaft nehmen muss. Und auch die Geldpolitiken aller anderen Volkswirtschaften wären durchschlagskräftiger, weil niemand mehr auf den Dollar ausweichen würde.

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Tandl macht Schluss! Fazit 195 (August 2023)

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