Anzeige
FazitOnline

Politicks November 2023

| 10. November 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 197, Politicks

Hans Seitinger tritt wegen einer Erkrankung zurück
Mit Hans Seitinger verlässt der längstdienende Landesrat der Steiermark aus gesundheitlichen Gründen die politische Bühne. In einer emotionalen Erklärung gab er gemeinsam mit Landeshauptmann Christopher Drexler seinen Abschied aus all seinen politischen Ämtern bekannt, um sich in den nächsten Monaten seiner Genesung zu widmen. Seitinger ist 62 Jahre alt und wurde 2003 von Waltraud Klasnic in die Landesregierung geholt. Seine langjährige Tätigkeit war im Landwirtschaftsbereich von zahlreichen Initiativen zum Erhalt der bäuerlichen Familienbetriebe und damit der kleinstrukturierten Landwirtschaft geprägt. Im Bereich des Wohnbaus setzte er mit der Renaissance des Baustoffes Holz wichtige Schritte für den klimafreundlichen Wohnbau. Ebenfalls auf Seitinger zurückzuführen sind zahlreiche Infrastrukturprojekte im Bereich der Wasserwirtschaft u. a. zur nachhaltigen Trinkwasserversorgung des aufgrund des Klimawandels immer trockener werdenden steirischen Hügellandes.

Der Rücktritt des beliebten Kommunikators Seitinger löste zahlreiche Reaktionen aus. Seitinger genießt auch bei den steirischen Oppositionsparteien großen Respekt, die – obwohl inhaltlich oft anderer Meinung – die ausgezeichnete Gesprächsbasis mit dem beliebten ÖVP-Politiker hervorhoben.

Drexler geht mit umgebauten Regierungsteam in das Wahljahr
Obwohl Hans Seitinger zweifellos aus eigenen Stücken zurückgetreten ist, entspricht seine Nachfolgerin Simone Schmiedtbauer durchaus den Erwartungen. Schließlich war es naheliegend, dass sich die Karriere des 62-jährigen Seitinger aus Altersgründen dem Ende nähert, und die 49- jährige Schmiedtbauer galt als logische Kandidatin für die Landesregierung. Sie war Bürgermeisterin von Hitzendorf und hat als Europa-Abgeordnete einen guten Eindruck hinterlassen. Ankreiden kann man ihr nur, dass sie mit ihrem Nein zum Mercosur-Freihandelsabkommen den Standpunkt der Agrarlobby vertreten hat, anstatt auf die Argumente der wesentlich zahlreicheren steirischen Mercosur-Befürworter auf Arbeitgeberseite einzugehen. Aber als steirische Landesrätin kann sie sich ja immer noch auf einen Pro-Freihandelskurs begeben. Landeshauptmann Christopher Drexler hat mit Franz Titschenbacher – er folgt Seitinger als Bauernbundobmann nach – außerdem den wichtigsten bäuerlichen Interessenvertreter des Landes in seinem Team.

Zu einem Opfer der Umstände wurde Ex-Gesundheitslandesrätin Juliana Bogner-Strauß. Nachdem sie sich im alltäglichen Kleinkrieg mit den Gegnern der Spitalsreform aufreiben lassen musste, ließ sie sich vom Landeshauptmann davon überzeugen, dass es wohl das Beste sei, einem unverbrauchten Nachfolger Platz zu machen.

Neuer Gesundheitslandesrat ist der 41-jährige Arzt Karlheinz Kornhäusl. Wie Bogner-Strauß wird auch Kornhäusl im schwierigen Ressort die von Drexler auf Schiene gebrachte steirische Gesundheitsreform fortsetzen. Kornhäusl ist zu wünschen, dass er den Kleinkrieg mit all jenen, die aus Eigennutz einfach keine Änderungen in der Spitalslandschaft akzeptieren wollen, gut übersteht. Denn zur Jobbeschreibung von steirischen Gesundheitspolitikern gehört es längst, sich im Umgang mit jenen Stakeholdern zu bewähren, die einfach nicht über den Standpunkt, der durch ihren Standort vorgegeben ist, hinausblicken können; ganz so, als ob es weder einen Ärzte- und Pflegermangel noch ein Problem mit Fallzahlen oder explodierenden Kosten gäbe.

Wie lange ist das Pensionssystem noch finanzierbar?
Die Zahl der Österreicherinnen und Österreicher, die älter als 65 Jahre alt sind, wird sich in den kommenden 20 Jahren von 1,8 auf 2,6 Millionen erhöhen. Aufgrund eines vorzeitigen Pensionsantritts und des noch bis 2033 niedrigeren Frauenpensionsantrittsalters beträgt die Zahl der Pensionsempfänger jedoch schon heuer etwa 2,5 Millionen. Außerdem wird die potenziell arbeitsfähige Bevölkerung (die zwischen 20- und 64-Jährigen) in den nächsten beiden Jahrzehnten von 5,6 Millionen auf 5,3 Millionen schrumpfen.

Damit werden auch die staatlichen Zuschüsse an die Pensionsversicherung von derzeit 14 Milliarden Euro jährlich deutlich steigen. Schon jetzt hat Österreich mit 24.000 Euro die zweithöchsten Pensionisten-Einkommen innerhalb der EU. Dazu kommt ab 1. Jänner 2023 die inflationsbedingte Pensionserhöhung von 9,7 Prozent. Anders als in den Vorjahren, in denen meist nur die niedrigeren Pensionen voll angeglichen wurden, bekommen diesmal alle Pensionisten den vollen Inflationsausgleich. Nur bei Spitzenpensionen über 5.850 Euro wird die prozentuelle Erhöhung auf den Pauschalbetrag von 567 Euro (das entspricht 9,7 Prozent von 5.850 Euro) ersetzt. Die weitgehend einheitliche Pensionserhöhung ist grundsätzlich gerecht. Schließlich haben die besserverdienenden Pensionisten in ihrer Aktivzeit ja auch deutlich mehr in das Umlagesystem einbezahlt. Doch ist es auch gerecht, die aktiv im Berufslebenden Stehenden so massiv mit den Pensionen der geburtenstarken Jahrgänge zu belasten? Schließlich zahlen sie nicht nur ihre Pensionsbeiträge, sondern mit ihren hohen Steuern auch noch die staatlichen Pensionszuschüsse.

Es ist davon auszugehen, dass es auch für das kommende Jahr einen pauschalen Pensionsausgleich in voller Inflationshöhe geben wird. Schließlich wird mit großer Wahrscheinlichkeit erst im Herbst, also nach der Bekanntgabe der jährlichen Pensionserhöhung im August, gewählt. Und die Regierung wird es sich nicht mit dann bereits 2,6 Millionen Pensionisten verscherzen wollen.

Der Ruf nach Änderungen bei den Pensionen wird trotzdem lauter
Die langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems ist zum Diskussionsthema geworden. Kürzlich ging der industrienahe Thinktank Agenda Austria mit Einkommenszahlen an die Öffentlichkeit, die belegen, dass es seit der Jahrtausendwende eine deutliche Einkommensverschiebungen zugunsten der Alten gegeben hat. Im Jahr 2000 betrug das verfügbare Einkommen der Menschen über 65 Jahre noch 87 Prozent des Durchschnitts, 2022 waren es bereits 95 Prozent. in keinem anderen EU-Land gibt es so geringe Unterschiede bei den Medianeinkommen der Unter- und Über-65-Jährigen wie in Österreich. Außerdem liegt unser Land bei den jährlichen Medianeinkommen der Alten mit 24.000 Euro an zweiter Stelle im EU-Vergleich. Vor uns liegt nur das reiche Luxemburg mit 35.000 Euro. An dritter Stelle folgen die Über-65-Jährigen aus Deutschland mit 20.000 Euro. Vor wenigen Tagen forderte AMS-Chefin Petra Draxl die Erhöhung des Pensionsantrittsalters und auch der neue IHS-Chef Holger Bonin sprach sich in der ORF-Pressestunde klar für die Erhöhung des Regelpensionsantrittsalters auf 67 Jahre aus.

Rechnungshof fordert umfassende Pensionsreform
Die letzte Bundesregierung, die sich an eine umfassende Pensionsreform gewagt hatte, war jene von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Jahr 2004. Inzwischen gab es laut Rechnungshof zwar 29 maßgebliche Änderungen wie etwa die Einführung des Pensionskontos. Eine klare Strategie sei allerdings, so die Prüfer, nur teilweise zu erkennen.

Der Rechnungshof kritisiert unter anderem, dass sich die Pensionserhöhungen seit 2005 nur zweimal an einem vom Verbraucherpreisindex abhängigen Anpassungsfaktor orientiert hätten. In allen anderen Jahren lagen die Erhöhungen über der Inflation. Besonders das freie Spiel der Kräfte vor der Wahl 2019 wäre im Vergleich zu den Plänen der Schüssel-Reform von 2004 teuer für die Steuerzahler gewesen.

Die 2004 vorgesehenen Maßnahmen zur Sicherstellung des Pensionssystems werden von den jeweiligen Regierungen systematisch ignoriert. Von der ursprünglich vorgesehenen Pensionsautomatik – ein Algorithmus, der sowohl die steigende Lebenserwartung als auch die sinkenden Geburtenzahlen über die Stellschrauben Antrittsalter und Pensionshöhe anpasst – ist nichts übriggeblieben. Beim Pensionsalter gebe es keine Strategie. Das effektive Pensionsantrittsalter gehört laut Rechnungshof zumindest an das Regelpensionsalter angehoben.

In der Vergangenheit vertraten vor allem die Neos Positionen, die die jüngeren Beitragszahler vor übermäßigen Belastungen schützen. Sie fordern daher die Erhöhung des Pensionsantrittsalters, eine Pensionsautomatik und ein einheitliches Pensionskonto mit denselben Regeln für alle Versicherten. Außerdem müsse endlich Schluss sein mit jährlichen Extra-Pensionserhöhungen jenseits der Inflationsrate.

::: Hier im Printlayout online lesen

Politicks, Fazit 197 (November 2023)

Kommentare

Antworten