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Außenansicht (48)

| 8. Dezember 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 198

Andreas Babler und seine Rückholaktion. Wo hernehmen« wird zum wichtigsten Problem der Sozialdemokraten und deren neuen Parteichef. Wo die Wählerinnen und Wähler hernehmen, die man verloren hat; vor allem an die FPÖ, teilweise auch an die Grünen. Nach der Positionierung und Strategie des Parteichefs bietet er der abhanden gekommenen Wählerschaft erstens seine Sympathie, er hat sie einfach alle gern, und zweitens Geld, das er sich vorher von den Reichen oder Steuerzahlern holt.

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Gegen mehr Geld hat niemand etwas. Doch wie geht es mit dem Angebot der emotionalen Nähe, dem Verständnis, dem Gernhaben, dem Mögen? Der österreichische Dialekt mit seiner wunderbaren Vielfalt von Wörtern und Deutungen zeigt unterschiedliches Verständnis des Wortes »Gernhaben«. In dieser Hinsicht hat sich der SPÖ-Chef noch nicht deutlich genug ausgedrückt.

Wer wie Andreas Babler ankündigt, Menschen in Österreich gernzuhaben, sie zu mögen, muss damit rechnen, dass nicht wenige mit »er kann uns mal gernhaben« reagieren. Vor allem in Wien, wo das größte Potenzial für jede Partei wartet, sind die Wahlberechtigten mit ihrer eher raunzigen und mürrischen Art nicht unbedingt mit (gespielter) emotionaler Nähe zu gewinnen, das geht ihnen auf die Nerven. Sie mögen es nicht, wenn einer zu nett und zu verständnisvoll auf sie zugeht. Sie misstrauen jeder Freundlichkeit, da sie von sich selbst wissen, dass sie meist gespielt, aufgesetzt und unwahr ist. »Was ist denn mit dem los?« – kommt meist als Frage, wenn einer die Runde der Bekannten mit positiver, schmalziger Zuneigung überrascht, und jedem ein Kompliment macht. Sie haben es nicht unbedingt gern, wenn sie jemand gernhat.

Bleibt das zweite Angebot: »Mit mir werdet ihr mehr verdienen und weniger arbeiten.« Das ist schon verlockender. Problem dabei, Babler sagt selbst, dass er das Geld noch nicht hat, das er verteilen will. Er hat jedoch Ideen, kenne jemanden, sogar viele, die genügend hätten, die es entweder freiwillig hergeben oder denen er es halt wegnehmen wird. Übertragen auf den realen Geldfluss bedeutet es, dass seine Zusage von einer anderen Zusage, einer Bereitschaft abhängig ist. Oder seinem Talent, es zu besorgen. Man steht sozusagen in der zweiten Reihe. In der ersten stehen jene, die das Geld sammeln und es dann zurückreichen zu denen, die weiter hinten warten.

Im Gegensatz dazu erlebt die Mehrheit, die von Lohn und Gehalt abhängig ist, dass jene, die Geld erwirtschaften – die Unternehmen – selbst entscheiden können, was sie mit dem Gewinn machen. Wenn schon mehr Geld, denken die meisten, dann lieber von jenen, die es nicht vorher von anderen besorgen müssen. Besorgen von Steuerzahlern, die aufgrund erfolgreicher Wirtschaftspolitik mehr verdienen, mehr Gewinn machen und daher mehr Steuer zahlen, was sich die SP-Regierung holt, um es zu verteilen.

Das klingt kompliziert, ist es aber nicht. Wenn A einen Betrieb führt und Gewinn macht, kann er C, seine Angestellten, besser bezahlen. Wenn B, die SP-Regierung, hofft, dass A Gewinne macht und mehr Steuern zahlt, die B kassiert und dann an C verteilt, ist das eine komplizierte und unsichere Angelegenheit – vor allem für C, denn die Erfahrung lehrt, dass B recht willkürlich mit den Steuern von A umgeht und C keinerlei Kontrolle darüber hat, im Gegensatz zum Verhältnis A zu C, wo C direkt über das Einkommen verhandeln könnte.

Bleibt das dritte Problem, die Zuwanderung, eines der wichtigsten Motive für Wähler und Wählerinnen der Freiheitlichen. Hier fehlt komplett das alternative und überzeugende Angebot der SPÖ. Einige Vertreter und Vertreterinnen der Partei forderten am Parteitag offene Grenzen, offene Korridore, damit auch alle Flüchtlinge Österreich erreichen könnten. Es geht hier nicht um die Bewertung dieses Vorschlags, doch wie lässt dieser sich mit dem Plan der Rückholung vereinigen? SPÖ-Bundesparteivorsitzender Babler kündigte an, Unterstützer der FPÖ wieder für die SPÖ zu begeistern. Wenn allerdings die Mehrheit der FPÖ-Wähler diese Partei bisher wählte, weil sie einen radikalen Antiimmigrationswahlkampf führt, so ist die Hoffnung, mit der Politik »Mehr Zuwanderung« diese zurückzuholen, etwa so realistisch wie mein Erfolg bei der nächsten Bundespräsidentenwahl – wobei, vom Alter her wäre ich grundsätzlich ideal geeignet.

Außenansicht #48, Fazit 198 (Dezember 2023)

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