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Mit Stille und Ruhe zum Erfolg

| 8. Dezember 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 198, Serie »Erfolg braucht Führung«

Carola Payer zur Hypothese von Stille und Ruhe als Wettbewerbsfaktoren.

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In der turbulenten Welt der Wirtschaft und einer Gesellschaft, in der die Unruhe rundherum scheinbar immer größer wird, wird Stille und Ruhe immer mehr als zu knappes und ersehntes Gut erlebt. Daher bahnt sich auch schon seit längerem eine stille Revolution an. Menschen kultivieren wieder bewusster ihre Auszeiten und die Generation Z fordert vehement ihre »Work-Life-Balance« ein. Ein Rückzug auf die Alm, um aufzutanken, Wanderungen am Jakobsweg, um zur Besinnung zu kommen, und Meditationspraktiken gewinnen an Beliebtheit. In negativer Form wird die Sehnsucht nach Ruhe in Überlastungssymptomen, wie Depressionen, psychischen oder physischen Erkrankungen und langen Reha-Aufenthalten, ausgelebt. Aber nicht nur im Persönlichen, auch in den Unternehmen wird Stille und Ruhe möglicherweise zum neuen Erfolgsfaktor. Der ruhige Mitarbeiter, das ruhige Team, das ruhige Unternehmen wird zum Gegenpol von »immer schneller, höher, weiter«. Business kommt bald nicht mehr von always beeing busy.

Stille als Personalentwicklungsmaßnahme
Still-sein-Lernen ist wie Laufen, Malen oder ein Musikinstrument lernen. Es braucht Bewusstsein, Haltung und Übung. Stille kommt nicht von heute auf morgen wieder in unser Leben. Wenn wir in sie eintauchen, wird uns erst bewusst, wie wenig wir noch in der Lage sind, sie zuzulassen. Stille wirft uns auch auf uns selbst zurück, weil Themen und Gefühle wieder Raum bekommen, die nicht nur Angenehmes in sich bergen. Aber gerade die Verdrängung dieser Gefühle hat uns so stark und anpassungsfähig und erfolgreich gemacht. Sehr erfolgreiche Menschen können sehr hart zu sich selbst sein, gut durchbeißen, andere unter Druck setzen und sie geben vor allem alles. Oft so lange, bis sie nicht mehr können. Zu lernen, bewusster Pausen einzulegen, den Lärm der Informationsflut zu reduzieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wird zum Überlebens- und Leistungsfaktor. Daher sieht man immer mehr Seminarmaßnahmen in Plänen der internen Akademien wie: Resilienz, Achtsamkeitstraining, Meditations- und Atemtechniken, Yoga, Qi Gong.

Die stille Führungskraft
Immer mehr Manager setzen auf bewusste Pausen der Stille und des Rückzugs, um ihre Batterien aufzuladen und klare Perspektiven zu entwickeln. Stille und Ruhe sind keine Luxusausnahmen mehr, sondern werden als essenziell für eine vielfältige Wahrnehmungsfähigkeit, langfristige Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden erkannt. Der alte Spruch »In der Ruhe liegt die Kraft« erhält seine Renaissance. Entscheidungen werden in einem dynamischen und komplexen System immer schwieriger. Die Gefahr, falsch zu entscheiden, ist sehr groß. Klarheit und Kreativität kommen immer mehr aus der Fähigkeit, den Geist aus seiner Verwirrtheit und Gestresstheit in Ruhe zu bringen. Meditation, ein jahrtausendealtes Instrument zur Förderung von Achtsamkeit und innerer Ruhe, findet zunehmend Einzug in die Führungsetagen von Unternehmen. Führungskräfte sehen in der regelmäßigen Praxis der Meditation eine Möglichkeit, mit dem ständigen Stress umzugehen und die eigene geistige Klarheit zu fördern. Ruhe und Gelassenheit wird zum Zeichen von innerer Souveränität und zum »neuen Charisma«.

Das stille Team
Glück und Zufriedenheit ist etwas, was man vor allem im Miteinander findet. Das Miteinander zu entwickeln braucht Zeit. Daher wird in einigen Organisationen auch darauf geachtet, dass Teams neben ihren zielgerichteten Projektmeetings, aktiven Arbeitssettings und informellen Teamveranstaltungen ihr Miteinander reflektieren können. In dieser »unverplanten« Zeit kann man oft überraschend tiefe Erfahrungen machen, die das Teamleben im Alltag verändern. Das braucht aber Raum und Zeit und ist oft nicht mit einer einmaligen Maßnahme abgetan. Schrittweise kann in Ruhe immer mehr Tiefe und die Fähigkeit, wahrhaftig Emotionen und Dissonanzen anzusprechen, entwickelt werden. Die Fähigkeit, gegenseitig in jeder Situation in der Wertschätzung zu bleiben, wird kultiviert. Das Still-Sein im Sinne von aufmerksamem Zuhören und Verstehen-Wollen statt ständigem Reden und das eigene Selbstverständnis zu verteidigen, kann geübt werden. Perspektivenvielfalt für weitere kreative Prozesse wird dadurch gefördert und die Fähigkeit, ein gemeinsames Verständnis für verschiedene Themen zu entwickeln. Aus »Zweckbündnissen« werden schlagkräftige Teams.

Die stille Organisation
Die moderne Organisation badet in der Zwischenzeit schon eher frustvoll als lustvoll in einem Meer der Informations- und Reizüberflutung. Die Vielfalt an Prozessen, Tools und digitalen Möglichkeiten, die ursprünglich eingeführt wurden, um die Arbeit zu erleichtern, werden zum Informationsalptraum. Der Emailcheck am Morgen wird zum Ritt über die Reizwellen. Das Wesentliche zu erkennen, kann nicht mehr zur individuellen Entscheidung werden. Daher gibt es in einigen Organisationen schon die Tendenz zur Reduktion an Möglichkeiten. Einigung auf weniger Chatfunktionen, einfachere Prozesse, bewusstere Überlegungen beim Einführen von neuen Systemen. Weiters wird viel daran gearbeitet, wesentliche Informationen wieder überblicksmäßiger darzustellen und in kurzen Besprechungen (»Stand-up-Meetings«) ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln. Auch der Trend zu Selbstorganisation kann langfristig zur Ruhe und einer neuen positiven Dynamik beitragen, weil Entscheidungen dort getroffen werden, wo am meisten Knowhow, Erfahrung und Berührung mit den Stakeholdern vorhanden ist. Der Stress, aus der Perspektive einer Managementebene zu entscheiden, wo kein Bezug besteht, wird genommen. Manager können sich dann anderen Aufgaben widmen. Führungsarbeit wird in den Teams geleistet. Die Führungskraft kann ihre Kraft gezielter woanders einsetzen. Einige Unternehmen haben sogar schon sogenannte »stille Räume« eingerichtet, in denen Mitarbeiter und Führungskräfte für kurze Phasen dem Lärm entfliehen können, um sich zu sammeln und zu reflektieren.

Man man zou!
Über Jahrzehnte wurde in der Wirtschaft der Slogan »Nur der Schnelle hat eine Chance gegen die Konkurrenz« als Gesetz des Marktes propagiert. Dabei ist viel entwickelt worden, aber auch einiges – wesentliches – auf der Strecke geblieben. Das Resultat ist eine Überflussgesellschaft, die viele nachhaltige Prinzipien auf der Strecke gelassen und die natürlichen Rhythmen der Natur belächelt hat. Viele Menschen wollen und können dieser Geschwindigkeit nicht mehr standhalten. Ein Grund, warum Arbeit auch zunehmend negativ konnotiert wird. Wir müssen den Gegenpol wieder füttern. »Man man zou!« sagt man in China, wenn sie sich verabschiedet. »Geh langsam!«  

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 198 (Dezember 2023), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 65)

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