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Zum Thema (Fazit 88)

| 26. November 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 88, Fazitthema

Wie viel Demokratie verträgt ein Unternehmen? 2012 – im UN-Jahr der Genossenschaften erlebt die Genossenschaftsidee eine Renaissance. Gemeinsam etwas erzeugen oder vermarkten bei so wenig Kapitaleinsatz und Risiko wie möglich, das hat schon etwas. Tatsächlich bietet sich die Organisationsform der Genossenschaft für zahlreiche Wirtschaftsprojekte fernab der traditionellen Landwirtschaft an, bei denen ein gemeinsamer ökonomischer Zweck verfolgt wird. In Deutschland, wo ein ähnliches Genossenschaftsgesetz gilt wie in Österreich, wurden in den letzten zehn Jahren etwa 1.500 Genossenschaften gegründet, darunter viele, bei denen die Mitglieder gemeinsam Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen wollen. Genossenschaften sind nichts Neues. So beweist die größte steirische Genossenschaft Raiffeisen täglich, wie erfolgreich Unternehmen sein können, die den Kunden gehören.

Voraussetzung für diesen Erfolg ist allerdings eine enge und möglichst ausgewogene Verzahnung zwischen den Mitgliedern und dem Management. Denn zu viel Basisdemokratie verträgt sich genauso wenig mit den Zielen eines nachhaltig erfolgreichen Unternehmens wie eine Struktur, bei der die Mitglieder nichts zu sagen haben und bei der sich das Management praktisch selbst verwalten kann, ohne das Eigentümerrisiko nehmen zu müssen. Die Wirtschafts- und Bankenkrise hat dazu geführt, dass sich auch in Österreich rund um ATTAC-Mitgründer Christian Felber ein Verein zur Schaffung einer sogenannten „Demokratischen Bank“ auf Genossenschaftsbasis gegründet hat. Felber will 20 Millionen Euro an Mitgliedsbeiträgen einsammeln, um eine Genossenschaftsbank zu gründen, die Sparguthaben verwaltet und Kredite vergibt, ohne jedoch Profite zu maximieren. Das Ganze soll zudem möglichst demokratisch und transparent organisiert werden und eine möglichst breite Basis in der Gesellschaft haben – „Raiffeisen für Linke“ sozusagen.

Ob Felbers „Demokratische Bank“ je etwas anderes werden kann als Spielwiese kruder Verschwörungstheoretiker des globalen Finanz- und des Schuldgeldsystems? Die Finanzmarktaufsicht verweigert jedenfalls die Zulassung und will, dass die Bank Mitglied einer zugelassenen Bankgenossenschaft wird. Das sind in Österreich nun einmal Banken nach dem System Raiffeisen und Volksbanken nach dem System Schulze-Delitzsch. Da Menschen mit einem linken Hintergrund weder mit Friedrich Wilhelm Raiffeisen noch mit Hermann Schulze-Delitzsch viel anfangen können, kommt das für die „demokratischen Banker“ natürlich nicht infrage. Dabei war Raiffeisen ein „Gemeinwohlökonom“ erster Güte und von seinem evangelischen Glauben her motiviert, die Darlehenskassen zu gründen, damit Menschen nicht durch Wucherzinsen um ihre Existenz gebracht werden.

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Zum Thema, Fazit 88 (Dezember 2012)

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