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Politicks Mai 2014

| 25. April 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 102, Politicks

Scheitert die elektronische Gesundheitsakte?
Wenige Monate vor Start der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) warnt Ärztekammerpräsident Herwig Lindner vor massiven Datenschutzproblemen und einem Informationsdebakel. Die Ärzte sehen mit Elga das Zeitalter des „gläsernen Patienten“ anbrechen. Es besteht die Gefahr, dass auch Unbefugte sensible Patientendaten abrufen können. Der IT-Experte und Psychiater Dietmar Bayer sorgt sich hinsichtlich sensibler Diagnosen – etwa psychische oder chronische Infektionserkrankungen. Derzeit sieht der Gesetzesentwurf eine „Opt-out“-Möglichkeit vor, die den Patienten erlaubt, sich von Elga abzumelden. Angesichts der massiven Sicherheitsbedenken drängen die Ärzte jedoch auf eine „Opt-in“-Klausel. Elga soll nur auf Patienten Anwendung finden, die sich ausdrücklich bereiterklären, dass ihre Daten vom Arzt weitergegeben und auch für Apotheker, Vorsorgeeinrichtungen oder Therapeuten elektronisch einsehbar werden.

Poker um die Bankenabgabe
Bei den Banken herrscht nach wie vor große Aufregung wegen der Neuordnung der Bankenabgabe. Das Problem ist, dass es sich bei der Abgabe um eine Substanzbesteuerung handelt, die von der Bilanzsumme berechnet wird und unabhängig davon anfällt, ob eine Bank Gewinne oder Verluste schreibt. Außerdem wird nicht berücksichtigt, mit welchem Risiko die Geschäfte behaftet sind, die getätigt werden. Den österreichischen Banken sollen so jährlich 650 Millionen Euro aus abgeknöpft werden. Geld, das aus Sicht der Institute die Kredite verteuert und der Wirtschaft fehlen wird. Fakt ist auch, dass die österreichischen Institute viel stärker belastet werden als etwa vergleichbare deutsche.

Mit der EU-Bankenunion kommen jedoch weitere Belastungen auf die Institute zu. Der EU-Notfallfonds soll im Endausbau mit 55 Milliarden Euro gefüllt sein, bis zu 350 Millionen jährlich sollen 10 Jahre lang von den österreichischen Banken beigesteuert werden. Die Banken wollen ihre Einzahlungen in den EU-Fonds nun zumindest mit der Bankenabgabe gegenrechen. Doch der Bundeskanzler Werner Faymann will angesichts der leeren Kassen – und wohl auch aus ideologischen Gründen – hart bleiben. Die SPÖ sieht die Bankenabgabe als Preis dafür, dass der Staat für ein stabiles Finanzsystem haftet und den Banken auch zum Höhepunkt der Finanzkrise mit Partizipationskapital ausgeholfen hat. Die Banken hätten dadurch auch Wettbewerbsvorteile, etwa in Form von günstigeren Refinanzierungskosten.
Doch davon wollen die Banken wiederum nichts wissen. Und so werden die Verhandlungen mit aktionistischen Maßnahmen begleitet. Erste-Bank-Chef Andreas Treichl und RLB-Oberösterreich-General Heinrich Schaller haben zuletzt sogar damit gedroht ihre Zentralen aus Österreich ab zu siedeln. In der Regierung glaubt man zwar nicht, dass die Banken ihre Drohung in die Tat umsetzen werden. Dennoch hat Finanzminister Michael Spindelegger einen Runden Tisch zu dieser Causa angekündigt. Die Aufrechnung der EU-Notfallmittel mit der österreichischen Abgabe ist also nicht vom Tisch.

Reformpartnerschaft I vor dem Finale
Mit dem Budget 2015 hat die Reformpartnerschaft I ihren Zweck erfüllt. Ob es eine Neuauflage braucht, ist angesichts der Schuldenbremsen und Stabilitätsbestimmungen, mit denen die sich die gesetzgebenden Körperschaften inzwischen zu mehr Budgetdisziplin verpflichtet haben, unklar. Fakt ist jedoch, dass es dem Land gut getan hat, dass nun dreieinhalb Jahre lang zwei Parteien miteinander und nicht gegeneinander regiert haben. Ob es eine Reformpartnerschaft II geben wird, hängt auch aber nicht nur von den handelnden Personen ab. Wenn die SPÖ Landeshauptmann Franz Voves davon überzeugen kann, ein weiteres Mal anzutreten, ist ohnehin alles klar. Dann kann sein Gegner eigentlich nur Hermann Schützenhöfer heißen, weil sich jeder andere mögliche Kandidat gegen Voves aufreiben würde. Und da ein Rücktritt unmittelbar nach der Wahl den Wählern nicht gefällt, müssten die beiden dann wohl noch ein bis zwei Jahre weitermachen, bevor sie in den verdienten Politruhestand gehen dürften.

Falls Voves nicht mehr antritt, gibt es auch für Hermann Schützenhöfer keinen Grund, länger zu bleiben. Als Kronprinz gilt der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl. Er ist wohl der einzige, der derzeit einen Wahlsieg für die ÖVP erreichen kann. Auch eine Reihe dahinter präsentiert sich die ÖVP gut aufgestellt. Der neue Gesundheitslandesrat Christopher Drexler hat vom ersten Tag an gezeigt, dass er bereit ist, sich den Herausforderungen seines Ressorts zu stellen. In einem Rechnungshofrohbericht wurden zahlreiche Baustellen des steirischen Pflegewesens aufgezeigt. Dazu kommt das Dauerfeuer von FPÖ, Grünen und Kommunisten gegen den Pflegeregress, der wohl irgendwann in den nächsten Monaten fallen wird. Drexler geht die Probleme jedenfalls offensiv an und hat auch vor heißen Eisen wie den Verträgen mit den Pflegeheimbetreibern keine Angst. Auch die neue ÖVP-Klubchefin Barbara Eibinger liefert bisher eine einwandfreie Performance ab. Und dem routinierten Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann gelingt es gemeinsam mit WK-Präsident Josef Herk immer besser, die kritischen steirischen Wirtschaftstreibenden beim Wirtschaftsbund und damit bei der ÖVP zu halten. Auch der Bauernbund zeigt sich unter dem neuen Obmann Johann Seitinger in gewohnter Geschlossenheit. Doch in ihren historischen Erfolgsfaktoren liegt auch die größte Schwäche der Volkspartei. Gefahr droht von den Neos. Denen gelingt es – zumindest in den Umfragen –, jene bürgerlichen Schichten anzusprechen, die mit der bündischen VP-Struktur und der damit einhergehenden Klientel-Politik längst nichts mehr anfangen können. Zu den potenziellen Neos-Wählern gehört das Bildungsbürgertum, dem sich neben den Grünen nun eine weitere Alternative bietet, genauso wie die immer größer werdende Gruppe der Freiberufler, die sich von der ÖVP nicht mehr vertreten fühlt, weil sie ihnen außer einer extremen Abgabenlast nicht viel zu bieten hat. Wer für die Neos antritt, ist noch offen – und für die Wähler wahrscheinlich egal, denn die Strahlkraft von Matthias Strolz reicht locker auch über den Semmering. Die größte Spannung herrscht in Bezug auf die SPÖ. Wer die Nachfolge von Franz Voves antreten wird, ist bisher nicht nach außen gedrungen. Als aussichtsreicher Kandidat gilt Soziallandesrat und Basis-Urgestein Sigfried Schrittwieser. Aber auch Verteidigungsminister Gerald Klug, Finanzlandesrätin Bettina Vollath und Bildungslandesrat Michael Schickhofer werden immer wieder genannt. Aus parteistrategischer Sicht wäre es ein Irrsinn, den Neuen oder die Neue ohne LH-Bonus ins Rennen zu schicken. Sollte es daher tatsächlich zu einem Wechsel kommen, wäre es also dafür höchst an der Zeit. Aber auch in der nächsten Reihe ist die SPÖ gut aufgestellt. Finanzsprecher Johannes Schwarz gilt als designierter Nachfolger von Klubobmann Walter Kröpfl und auch der 27-jährige Murauer Max Lercher machte als Parteigeschäftsführer auf den bisherigen Stationen der SPÖ-Tour durch die Regionen keine schlechte Figur.
Bei der Nationalratswahl hat die SPÖ stark an die FPÖ verloren. Gut möglich, dass es die Freiheitlichen auch bei der Landtagswahl darauf anlegen, die vermeintlichen Reformverlierer um sich zu scharen. Die Voraussetzungen für einen weiteren freiheitlichen Wahlerfolg sind jedenfalls gegeben. Gewählt wird voraussichtlich im September 2015. Aufgrund der Proporzabschaffung wird es in der Steiermark erstmals eine echte Koalitionsregierung geben. Und obwohl alles für eine Reformpartnerschaft II spricht, sind daneben arithmetische Mehrheiten sowohl von SPÖ und FPÖ als auch von ÖVP und FPÖ wahrscheinlich.

EU-Wahl – Drei Steirer werden es schaffen
Dem nächsten EU-Parlament werden 18 Österreicher angehören. Wenn die Umfragen nur einigermaßen stimmen, werden ÖVP und SPÖ jeweils 5 Sitze, die FPÖ 4 und Neos und Grüne jeweils 2 Mandate erreichen. Damit werden drei Steirer den Sprung nach Europa schaffen. Ausgerechnet für die steirische ÖVP wird sich erstmals seit 1995 kein EU-Mandat ausgehen. Die ehemalige Justizministerin Beatrix Karl ist auf dem sechsten Listenplatz gereiht und hat damit keine Chance. Besser sieht es da bei der SPÖ aus. Der Brucker Jörg Leichtfried sitzt auf Listenplatz drei und wird damit wieder fix dem EU-Parlament angehören. Er gilt auf europäischer Ebene als Tierschutzexperte. In Österreich hat er sich mit seinem Engagement gegen die „Gigaliner“ – das sind überlange LKW mit bis zu 60 Tonnen Gewicht – einen Namen gemacht. Für die FPÖ geht der Obmann der steirischen Landtagsfraktion, Georg Mayer, an den Start. Mayer war ursprünglich auf Listenplatz vier gestartet und ist durch das Ausscheiden von Andreas Mölzer auf Platz drei vorgerückt. Damit kann er bereits seine Koffer packen und sich auf den Weg nach Straßburg bzw. Brüssel machen. Wer Mayer als FPÖ-Klubobmann nachfolgen wird, ist noch nicht nach außen gedrungen.

Für die Überraschung schlechthin sorgte der 25-jährige Stefan Windberger aus Graz. Er ist ein politisch völlig unbeschriebenes Blatt, war 2009 Mitbegründer der „Julis“, der Jungen Liberalen, und schaffte bei der Neos-Vorwahl mit einem eloquenten Auftritt und offensichtlich vielen guten Freunden, die für ihn votiert haben, auf Anhieb den zweiten Listenplatz.

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Politicks, Fazit 102 (April 2014)

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