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Mammon, Mönche und Mormonen

| 28. Mai 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 103, Kunst und Kultur

Foto: Werner Kmetitsch

Warum prangt auf dem Bühnenvorhang des Opernhauses Graz das überdimensionale Abbild einer Dollar-Banknote? A: Um die Leserschaft eines bekannten Grazer Wirtschaftsmagazins zu »La Favorite« zu locken, einer der 5 meistgespielten der insgesamt 74 Opern des Belcanto-Meisters Gaetano Donizetti? Oder B: weil Regisseur Sam Brown und Bühnenbildnerin Annemarie Woods nichts mit dem Spanien des 14. Jahrhunderts anfangen können und die Handlung daher kurzerhand ins Mormonen-Milieu der USA der 1960er-Jahre verlegt haben?

Richtig ist Antwort B, auch wenn es in dem Stück mitnichten um Geld und Gold geht, sondern um Liebe, Ehre und Religion. Mit tragischem Verlauf und Ausgang – weil aber die Übertitel die korrekte deutsche Übersetzung des französischen Originaltexts mitzulesen erlauben, kann das Publikum die Ungereimtheiten der Regiefassung synchron nachvollziehen, und das ist mitunter recht komisch.

Im Original verliebt sich der junge Mönch Fernand in eine schöne Unbekannte und verlässt ihretwegen das Kloster. Wie das freilich bei den Mormonen funktionieren soll, die ja weder Mönchswesen noch Zölibat kennen, sondern im Gegenteil eher der Polygamie zuneigen, bleibt ein Geheimnis des Regisseurs. Besonders skurril die Szene, als der Obermormone dem Bürgermeister (im Original: König Alfons XI.) eine päpstliche Bannbulle überbringt, weil dieser seiner Mätresse Leonor (der »Favoritin«) anstatt seiner Angetrauten den Vorzug gibt. Und zwar in einer quirligen Flughafenankunftshalle, wo alsbald auch Fernand eintrifft, als gefeierter Kriegsheld mit Koffer und Dienstpistole. Allerdings wohl kaum von der Schlacht gegen die Mauren. Vietnamkrieg?

Greyhound-Bus mit schrill gekleidetem Damenchor, Oval Office statt königlichem Hof, Sargtischlerei statt Klosterkirche – die reichlich beliebigen Schauplätze sind adrett in Szene gesetzt, aber leider der falsche Film.

Mit der richtigen Tonspur: Die Sänger der drei Hauptpartien machten diese letzte Premiere vor der Sommerpause zu einem Höhepunkt der Saison. Als Fernand der grandiose Tenor Yijie Shi, der aus Schanghai stammt, in Graz studiert hat und auch hier wohnt. Als Alfons XI. der Bariton Andrè Schuen, der mit seiner sehr männlichen Erscheinung auch optisch überzeugt. Und in der Titelpartie die Altistin Dshamilja Kaiser, die das meiste Gesangspensum zu bewältigen hat und eine ergreifende finale Sterbeszene hinlegt. Fazit: trotz der Mätzchen ein eindrucksvoller Opernabend.

Text von Harald Steiner, Foto von Werner Kmetitsch
Alles Kultur, Fazit 103 (Juni 2014) – Onlinelayout

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