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Schafft nach der SPÖ auch die Volkspartei den notwendigen Neustart?

| 30. Mai 2016 | 2 Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 123

Österreich hat einen neuen Bundespräsidenten. Und wer immer das ist – Drucklegung dieser Ausgabe war vor dem 22. Mai –, die Welt wird sich wohl noch weiter drehen. Österreich hat auch einen neuen Bundeskanzler. Christian Kern hat bei seiner ersten Pressekonferenz als Politiker nur Stunden vor der Angelobung durch Heinz Fischer einen ausnehmend und beachtenswert kompetenten wie sympathischen Eindruck gemacht.

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In den ersten 48 Stunden nach seinem Amtsantritt überschlugen sich die durchwegs positiven bis sogar hymnischen Reaktionen der heimischen Presse. Natürlich gab es im weiteren Verlauf dann auch Mahnungen, der Mann könne das alles gar nie einhalten, was ihm da zugeschrieben wurde und – zurecht  – wurde auch bald darauf hingewiesen, dass die politische Grundpositionen Kerns eigentlich nicht klar seien.

Für mich ist Kern dennoch jedenfalls ein Lichtblick. Er hat es zumindest mittelfristig geschafft, die SPÖ vor einem Auseinanderbrechen zu bewahren und konnte offenbar den moderaten als auch den links bis extrem linken Flügel der Partei vorerst befrieden. Natürlich glänzt Kern nicht zuletzt deswegen besonders, weil die Latte nach Werner Faymann bereits im Keller gelegen ist. Trotzdem gibt mir seine erfrischend neue Herangehensweise an den Job des Kanzlers Zuversicht, dass die Bundesregierung den (vor allem auch) gefühlten Stillstand in diesem Lande beendet.

Auch sein neues Team stellt auf den ersten Blick – es sind halt Sozialdemokraten – zumindest keine Hürde für diese Aufgabe dar. Mit Muna Duzdar, Rechtsanwältin und Gemeindepolitikerin in Wien, wird auch erstmals eine Muslima Staatssekretärin. Das ist grundsätzlich, bei all den schon stattfindenden Diskussionen, ob man das jetzt bemerken dürfe oder nicht – natürlich darf und soll man! –, eine gute Sache und ein weiteres Zeichen, dass die Dinge in Sachen Integration und Multikulturalität in Österreich bei weitem nicht so  schlecht stehen, wie gerne behauptet wird. (Wie es Duzdar denn mit Israel hält, wird die Zeit zeigen.) Ich kann also der Regierung nur alles Gute wünschen.

Wenn ich aber an die ÖVP, den Juniorpartner in der Koalition denke, gibt es wenig bis gar nichts, was mit gut zu beschreiben wäre. Kern hat davon gesprochen, dass es jetzt »endgültig die letzte Chance« für die Regierung sei. Bei der ÖVP befürchte ich, die ist schon vorbei. Zumindest wenn es Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nicht gelingt – am besten noch in der Woche nach der Stichwahl – spürbar darzustellen, dass auch die Volkspartei willens ist,  »Reformkraft« zu beweisen. Das kann nach meinem Daführhalten einzig und alleine mit einer Regierungsumbildung bzw. einem ordentlichen Personalaustausch der gesamten Bundesebene gelingen. Die Minister Sophie Karmasin (Familie), Hans Jörg Schelling (Finanzen) und Wolfgang Brandstetter (Justiz) sowie Staatssekretär Harald Mahrer sind jedenfalls disponibel und sollten umgehend ersetzt werden. Genug fähiges Personal hat – man möchte es vielleicht nicht glauben, ich bin aber überzeugt, dass dem so ist – die ÖVP vor allem in den Ländern jedenfalls. Und der Klubobmann Reinhold Lopatka, der es geschafft hat, noch bevor sicher war, dass Kern neuer Kanzler wird, diesen – sachlich zwar gar nicht nur ungerechtfertigt übrigens – anzupatzen zu versuchen. Die gerade in der Koalitionsarbeit zentrale Aufgabe eines Klubobmannes kann Lopatka nicht mehr sinnvoll ausüben.

Zudem muss sich auch die Partei neu aufstellen, wie weit Peter McDonald als Generalsekretär dazu in der Lage ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Wichtig wäre es aber jedenfalls, sich all der überkommenen Strukturen (Bünde; Beziehung Bund zu Ländern etc.) zu entledigen, innerparteiliche Demokratie (Internet! Hallo?) wenigstens beginnen, Realität werden zu lassen und sich klar zu positionieren. Ob jetzt als christdemokratisch, liberal- oder nur konservativ soll dabei Ergebnis eines internen Prozesses sein. Die total verschwommene, pseudomodernistische, auf linksliberalen Zuruf viel zu viel gebende Nichtposition wird auf kurz (und nicht lang!) die ÖVP das Schicksal der ehedem großen italienischen »Democrazia Cristiana« erleiden lassen. Als Mitglied der ÖVP und als Österreicher hoffe ich inständig, dass es meiner Partei gelingt, dies zu verhindern. Glauben tu ich es bald nicht mehr.

Editorial, Fazit 123 (Juni 2016)

Kommentare

2 Antworten zu “Schafft nach der SPÖ auch die Volkspartei den notwendigen Neustart?”

  1. Christa Klepej
    31. Mai 2016 @ 09:35

    …….Glauben tu ich es bald nicht mehr.

    Ich auch nicht. Aber wie sagt man so schön:

    Die Hoffnung stirbt zuletzt!

  2. Christian Klepej Christian Klepej
    31. Mai 2016 @ 12:29

    Genau. Ganz zuletzt :)

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