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Im »Rüssel« steckt Bauer pur!

| 24. Oktober 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 147, Kunst und Kultur

Foto: Reinhard Werner/Burgtheater

Wolfgang Bauers »Rüssel« im Akademietheater. Ein nicht programmierter Steirischer-Herbst-Abend in Wien. Aufgezeichnet von Ernst Brandl.

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Keine Frage, dem Grazer Geist-, Leib- und Seelenpoeten Wolfgang Bauer ist es zu vergönnen. Wenigstens posthum ein Stück in Wien! Und das dazu noch im Weihetempel des deutschen Sprechtheaters – an der Burg im Akademietheater! Ein posthumer Ritterschlag für den Grazer Literaturavantgardisten.

Dieser für Bauer und Wien erfreuliche Umstand ist aber leider auch symptomatisch dafür, wie die Kulturhauptstadt Graz, wie die gefühlten und bestallten Kulturpolitiker und Kulturintendanten, TheatermacherInnen und SchauspielhauschefInnen aller Couleurs an der Mur, mit diesem Weltstar des absurden Theaters umgehen.
Aufführungsehren in Graz – vielleicht gar zur »Herbst«-Zeiten? Fehlanzeige! Da täten sich doch glatt »Volksfronten« auf!

Dafür sind die Kulturfronten was Bauer betrifft klar abgesteckt. Bauer ruht sanft in seiner Geburtsstadt. Und keiner, in Wirklichkeit keine, – weder die Schauspielhaus-Chefin noch die neue Chefin des »Steirischen Herbst«, hat dabei ein schlechtes Programmgewissen. Die Grazer Blauen hatten vor Jahren – einfach gestrickt wie sie sind – sogar eine Bauer-Büste beim Schauspielhaus gefordert; der Herzstich der Kulturschickeria für diese Idee war kurz und tränenlos – das spöttelnde Gelächter im Rathaus demaskierend. FPÖ und Bauer? Geht ja gar nicht! Nur in den Grazer Innenstadtlokalen ist die Legende Wolfi Bauer noch ein Untoter, findet dort seine Wiedergänger. Manch Wirte könnten da Bauer-Legenden erzählen, die burlesken Stoff für Bühnen-Klassiker böten. Kellneroriginale wissen in Graz mit Bauer-Anekdoten rezitativ besser umzugehen, als die von allen Provinzpiefkebühnen dieser Welt herbeigeflogenen DramaturgInnen in Graz. Bei erwachendem Bauer-Interesse, einfach den Chef-ober im »Oho« im Joanneumviertel, den »Herrn Ernst« (einst im Braun de Praun allseits geschätzter Szenedompteur), befragen: köstlich, sag ich Ihnen, wie die Speisen dort!

Auf den Grazer Bühnen freilich, für die Bauer sich die Seele aus dem Leib schrieb, da ist »der Wolfi« von der Speisekarte verschwunden. Bauers Bühnenwitz ist angeblich nicht mehr zeitgemäß. Welch absurde Ausrede! Die Kulturhauptstadt Graz – ja mit dem Steirischen Herbst eine ganze Kulturjahreszeit – hat den »Wolfi« schlichtweg vergessen, oder besser, gestrichen im besten Wortsinn des neuen Logos!

Eine echte Bauer-Burleske
Warum es nicht längst eine Stückpflege, eine Spielpraxis der Bauer’schen grenzgenialen Absurdistan-Darstellungen unserer heimatlichen Zustände gibt, ist nicht erschließbar. Dabei wären Bauers Bühnenstücke auch im Heute ein köstliches Abziehbild für das alltägliche Absurdistan. Und ich sag jetzt ausdrücklich nicht Olympia-Sehnsucht, U-Bahn-Träume oder Gondel- und Tiefgaragenphantasien …

»In Graz muss man nicht gewesen sein«, meinte schon Österreichs gefühlter Literaturnobelpreisträger Thomas Bernhard. Hoffentlich schafft diesem Bannstrahl endlich das – in Graz so vollmundig ausgerufene – Kulturjahr 2020 Abhilfe. Nur zur Erinnerung: 2020 ist Bauers Tod schon 15 Jahre lang vergessen. Leider!

Übrigens: Das Stück »Der Rüssel« am Akademietheater bot selbstredend einen völlig durchgeknallten, hoch performativen Bauer(n)-Schwank. Jedem Festival zur Ehre gereichend. Ein echtes »Herbst«-Erlebnis in Wien. Komödie? Nein, Tragödie – und zwar eine Grazer! Letzte Gelegenheit für Bauer-Bühnenfans am 18. November im Wiener Akademietheater. Bauer- und Herbstfans, ab nach Wien!

::: Zum Burgtheater

Ernst Brandl ist Aufsichtsratsmitglied im Steirischen Herbst und Intendant des Kulturforum Steiermark. Derzeit lebt er in Wien und ist Medienreferent von Verteidigungsminister Mario Kunasek.

Alles Kultur, Fazit 147 (November 2018) – Foto: Reinhard Werner/Burgtheater

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