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Zur Lage (42)

| 23. November 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 77, Zur Lage

Kurz über das Ableben eines Diktators, einiges zu unserer Meinungsfreiheit und recht wenig über die GVB.

Was wird bleiben von Muammar Gadaffi? Das weiß ich nicht, das wird die Geschichte zeigen. Mir jedenfalls wird er als der Diktator in Erinnerung bleiben, von dem niemand genau weiß, wie man ihn schreibt, und mit dem viele inter- wie nationale Staats- und sonstige Chefs bis ins Frühjahr dieses Jahres hinein gut befreundet waren. Da hat dann plötzlich ein Paradigmenwechsel in der Beurteilung des Verursachers des Flugzeugabsturzes über Lockerbie stattgefunden.
Ich wollte jetzt noch anfügen, dass er wohl ein rechter Wüstenfuchs war, dieser Oberst, bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich das ob des Antiterrorismuspaketes unseres Gesetzgebers überhaupt noch darf, sind doch Verächtlichmachungen wahrscheinlich auch topografischer Natur in Kürze mit bis zu zwei Jahren Kerker bedroht.
Wie ich jetzt in Hinkunft für uns eine Lage schreiben soll, wo ab und an ein bisschen Ironie nicht fehlen kann, ist mir noch nicht ganz klar. Weil Ironie, das ist das Ironische, die könnte der böswillige Untersteller gar mit Häme verwechseln. Und dann hätte ich den Scherm auf: Nur damit Sie sich unterhalten, will ich nicht ins Gefängnis gehen.
Also lassen wir die Wüsten Füchse sein und kommen nach Österreich. Und da zur Politik. Weil über Politiker etwa darf ich auch in Hinkunft – irgendwo muss ja Meinungsfreiheit noch herrschen – herziehen, wie ich will. Solange diese nicht einer Religionsgemeinschaft angehören, auch einer nur in Quasiland anerkannten, etwa die Quasisatanisten, oder einfach nur schwul sind. (Ist die Verarsche der Bevölkerung eines nicht existenten Landes eigentlich auch mit Strafe bedroht?) Noch wer fällt mir gerade ein: Banker. Über die darf jeder schimpfen. Ist heutzutage eigentlich eh schon ein Schimpfwort geworden. Alle Schweizer sind Banker, werde ich hingegen nicht mehr schreiben dürfen. Gut, das stimmt ja auch nicht, aber auch, dass alle Schweizer langweilig wären, werde ich mir verkneifen müssen.
Sowieso nicht mehr eingehen darf man dann auf Themen sexueller Natur, sprich eine Verhöhnung aus geschlechtsspezifischen Argumenten heraus. Dass dies das Ende aller Dokusoaps im Fernsehen bedeutet, ist offenbar noch niemandem bewusst geworden: Jeder einzelne Protagonist der ATV-Sendungen »Gemeindebau« oder »Saturday Night Fever« ist demnach schon mit an Haxn im Häfn, um im Jargon zu bleiben. Es wird alles also noch fader werden. Freilich werden wir auch weiterhin über unseren Bundeskanzler uns amüsieren dürfen, der übrigens gerade 200000 Euro für seinen Internetstart auf Facebook und Twitter vorbereitet hat. (Die ÖBB soll als Werbeplattform nicht mehr so lukrativ sein.) Nur, bei Werner Faymann  muss man ja nichts dazuerzählen und die Pointe ist schon gelungen.
Ich werde mich also anderen Dingen zuwenden. Dem öffentlichen Verkehr zum Beispiel. Ich fahre ja recht gerne mit der Tramway. Zumindest wenn ich nicht mit dem Rad unterwegs bin, was ich meistens bin. Und nicht zu Fuß gehe, was ich auch gerne tue. Aber sonst fahre ich gerne mit der GVB. Dass die neuerdings Graz Linien heißen, haben wir hier schon besprochen, aber da reicht nicht einmal ein zweites Terrorismusgesetz, dass ich so jemals zur GVB sagen tät. Letztens fahr ich also mit dem Dreier und sehe ein Plakat, das mich auffordert, mir meine Studienkarte zu holen. Sechs Monate, ein ganzes Semester immerhin, um 141 Euro. Im ersten Schreck habe ich gedacht, die Welt ist schon untergegangen und ohne mein Zutun wurden endlich wieder Studiengebühren in Österreich eingeführt. Aber dann ist mir Gott seis gedankt eingefallen, dass ich sicher via Twitter davon erfahren hätte, wie sich die Ex-ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer ob solch menschenverachtender wie vernünftiger Maßnahme und mit ihr die anderen 99 Prozent (das sind die, die gegen alles und nichts derzeit auf den Straßen der westlichen Welt demonstrieren) dagegen verwehrt hätten.
Kann also nichts mit Studieren zu tun haben. Und jetzt vermute ich, sicher kann man sich ob solch kruder Sprache nicht sein, dass damit eine Studentenkarte gemeint ist, die – und das ist ausnehmend sinnvoll und seit Jahrzehnten in diesem sozial so kalten Lande üblich – allen in Ausbildung stehenden (jungen) Menschen einen günstigen Tarif ermöglicht. Wäre da nicht dieses neue Gesetz im Anzug, müsste ich mich wirklich fragen, welchen Pappnasen eine solche Worthülse einfällt, und wie viel Einfältigkeit dazugehört, ob der Vermeidung des Wortes Student einen vollkommen am Sinn vorbeigehenden Begriff zu erfinden. (Da wäre ja das gute alte Denglisch noch besser, eine Studycard etwa, sagt auch nichts aus, aber klingt wenigstens blöd.) So aber bleibt mir nur, betroffen zu schweigen und es Ihnen zu überlassen, diese Zeilen weiterzudenken. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage #42, Fazit 77 (November 2011)

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