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Zur Lage (50)

| 27. Juli 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 85, Zur Lage

Eigentlich nur über direkte Demokratie und dafür nichts über Stefan Petzner und Frank Stronach.

Wer Großes versucht, ist bewundernswert, auch wenn er fällt.« Mit diesem Sinnspruch Lucius Annaeus Senecas – Seneca der Jüngere, wie wir Wikipedianten sagen –, hat die Grazer Volkspartei kurz nach der Veröffentlichung des Ergebnisses der »BürgerInnenfrage 2012« ausnehmenden Sinn für Ironie bewiesen. Mir hat das den letzten Freitag erhellt und vor allem hat es mir endlich einen würdevollen ersten Satz für diese meine letzte Lage – zumindest vor der Sommerpause – geliefert. Eigentlich wollte ich uns diesmal ja ein »Best of Lage«  präsentieren (50 Lagen!), aber dann ist eben diese Grazer Bürgerbefragung dazwischengekommen.
Ich persönlich halte ja von der direkten Demokratie soviel wie etwa von Facebook. Überhaupt nichts, also wirklich gar nichts. Nicht, dass Sie jetzt denken, ich hielte Facebook für was Anrüchiges, Schlechtes oder sonstwie dem antifaschistischen Grundkonsens dieses Landes Widersprechendes. Es ist nur in letzter Konsequenz für nichts wirklich gut. Und schauen Sie, bei all den menschenrechtlichen Erfordernissen, die an eine mögliche direktdemokratische Fragestellung gestellt sind, bleibt ja in letzter Konsequenz nichts mehr Interessantes, um darüber abzustimmen. Und dafür, dass mich irgendeine Körperschaft darüber »entscheiden« lässt, ob ich für das »Eine Gute« oder das »Andere Gute« bin, sollte selbst dieser Körperschaft die Zeit fehlen.
Trotzdem finde ich es toll, dass Siegfried Nagl und die Grazer ÖVP sich den Mühen dieser Befragung unterzogen haben. Jetzt werden Sie denken, das sei widersprüchlich und ich schreibe Ihnen gerne, ja, das ist es. Erstens bin ich sowieso widersprüchlich und zweitens liegen solche Experimente mit Instrumentarien der direkten Demokratie ja voll im Trend der Zeit. Alle wollen das. Zumindest alle, deren Anliegen auf besonders offene Ohren der immer gerne modernen Medien(orgeln) treffen. Etwa die Piraten. Die sind ja sogar so direktdemokratisch, dass deren gerade gewählte Repräsentanten durch die sogenannte »Liquid Democracy« nach zwei, drei Tagen oft schon wieder ganz andere Positionen vertreten, als es die Piraten tun. »Liquid Democracy« ist zum einen ein dummdämlicher Begriff, bei dem sich noch niemand die Mühe gemacht hat, eine sinnvolle deutschsprachige Übersetzung zu liefern und soll zum Anderen eine »Mischform zwischen indirekter und direkter Demokratie« darstellen. Ganz genau hab ich das aber nicht verstanden. Da die (bundesdeutschen) Piraten, die bei allem und vor allem bei allen Anderen ganz besonders viel Wert auf »Transparenz« legen, auf einem ihrer letzten Parteitage eine »pressefreie Zone« eingerichtet haben – sozusagen eine »Zone der Intransparenz« –, nehme ich die Piraten nun nicht mehr ganz so ernst, wie ich sie ob ihres halblustigen Namens sowieso nie genommen habe.
Oder die Grünen. Die sind ja Weltmeister nicht nur im Erklären der eigentlichen Wirkungen der Welt, sondern auch in allen Fragen direkter Demokratie. Mit der kleinen Einschränkung halt, dass die Grünen nur dann dieser direkten Demokratie vertrauen, wenn im Vorfeld sichergestellt ist, dass eine Abstimmung so ausgeht, wie sie sich das wünschen. Oder besser: Wie sie wissen, dass es gut für die Welt ist. Im von den Grünen mitregierten Wien etwa, hat sich schon im Vorfeld abgezeichnet, dass eine etwaige Abstimmung über eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung nicht ganz im Sinne der Grünen ausgehen hätte können. Daraufhin hat diese demokratischste Partei von allen eine weise Entscheidung getroffen: Es gibt keine Abstimmung. Zumindest nicht vor der Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung. Später wolle man dann, vielleicht, eine Abstimmung abhalten.  Das ist sicher auch ein Zugang, im Großen und Ganzen erscheint mir da aber der Weg des Grazer Bürgermeisters der zumindest sympathischere zu sein. Aber egal.
Abschließend muss ich mir noch den Platz nehmen, um endlich auf den immer wiederkehrenden (und gleich zu lesenden) Schlußsatz einzugehen. Da schreibe ich von einer  »großen Koalition«. Damit ist – selbstredend – eine große Koalition auf Bundesebene gemeint. Die Alternativenlosigkeit – im Grunde geht es ja jetzt schon nur mehr darum, wird auf die Nationalratswahl 2013 eine Koalition aus SPÖ und ÖVP folgen oder müssen die Grünen zwecks Erreichung einer wenigstens einfachen Mehrheit mitregieren – ist es nämlich, die unsere Politikerverdrossenheit nährt und die das ganze Herumspielen mit der Demokratie notwendig erscheinen lässt. Ich wünsche Ihnen einen herrlichen Sommer! Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage #50, Fazit 85 (August 2012)

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