… um Deutschland klein zu halten?
Johannes Tandl | 28. August 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Aktuell
Wurde der Euro geschaffen, um Deutschland auch nach Wiedervereinigung politisch und wirtschaftlich kontrollieren zu können? Wie groß die Ängste in Frankreich im Jahr 1991 vor dem mächtigen Nachbarn tatsächlich waren, wurde erst kürzlich bekannt. Und auch, dass Deutschland die Wiedervereinigung niemals bekommen hätte, wenn es die D-Mark nicht aufgegeben hätte.
Als Österreich im Jahr 1995 der Europäischen Gemeinschaft beitrat und gemeinsam mit Schweden und Finnland aus der „Zwölfer-„ die „Fünfzehnergemeinschaft“ machte, waren die Weichen zu einer nachhaltigen Schwächung Europas längst gestellt. Denn, wie sich erst 20 Jahre nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ herausstellte, war Frankreichs ehemaliger Staatspräsident François Mitterrand Zeit seines politischen Lebens von der französischen Urangst vor dem deutschen Erbfeind geprägt. Im wiedervereinigten Deutschland sah er daher nicht einen Wirtschaftsmotor für ganz Europa sondern vor allem eine enorme Bedrohung für Frankreich. Entgegen seiner Selbstdarstellung als Freund der Deutschen versuchte er die Zusammenführung beider deutscher Staaten daher mit allen diplomatischen Mitteln zu verhindern.
Wie mittlerweile geöffnete britischen Regierungsakten zeigen, rückte Mitterrand gegenüber der britischen Premierministerin Margaret Thatcher seinen vermeintlichen Busenfreund Helmut Kohl sogar in die Nähe von Adolf Hitler. Auch Thatcher stand einem wiedererstarkten Deutschland skeptisch gegenüber, ließ sich jedoch von ihrer Administration davon überzeugen, dass die Ängste des französischen Präsidenten völlig überzogen seien. Den Unterlagen von Thatchers außenpolitischem Berater Charles Powell zufolge, soll Mitterrand argumentiert haben: „Würde sich Bundeskanzler Helmut Kohl durchsetzen, könnte Deutschland mehr Boden gewinnen, als es Hitler je getan habe, und Europa müsse die Konsequenzen tragen.“
Die Entschädigung, welche Frankreich schließlich für sein „Placet“ zur deutschen Wiedervereinigung erhielt, war eine gemeinsame Währung, die vor allem dem Ziel dienen sollte, Deutschland zu kontrollieren und gegebenenfalls in die Knie zu zwingen. Und so stießen die Historiker bei der Öffnung französischer Archive im Jahr 2009 unter anderem auf folgendes Mitterrand-Zitat, das einem Gespräch mit dem polnischen Diktator General Jaruzelski im Jahr 1989 entstammt: „Auch wenn Deutschland heute freundlicher agiert als Hitler, wollen wir diese Wiedervereinigung mit allen Mitteln verhindern… Wir müssen brutal vorgehen. Die Deutschen wollen das (gemeint war die Oder-Neiße-Grenze) alles nicht.“
Das deutsche Magazin FOCUS versuchte zwar, sich 2009 mit der dubiosen historischen Rolle des 1996 verstorbenen François Mitterrand auseinanderzusetzten. Ein Aufschrei der deutschen Politik und der deutschen Öffentlichkeit über diesen Verrat des französischen Präsidenten blieb dennoch aus. Zu tief streckte Europa bereits in der aktuellen Krise und als Voraussetzung für deren Lösung galt bis zuletzt ein unbelastetes Verhältnis zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem damaligen französischem Amtskollegen Nicolas Sarkozy.
Dass der Euro ohne vernünftige Rahmenbedingungen eingeführt wurde, hat also politische Ursachen und ist demnach ein Kollateralschaden jener Politik, mit der Deutschland die Wiedervereinigung zu erreichen versuchte, solange diese politisch durchsetzbar war, weil Russland nach dem Fall des Kommunismus auf dem Boden lag. Helmut Kohl war bereit, den von ihm geforderten Preis zu bezahlen. Dabei hat ihn auch die Hoffnung getrieben, dass sich der Euro ähnlich wie die Vergemeinschaftung der kriegswichtigen Produktionsmittel in der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ aus dem Jahr 1951 zu einem Vehikel zur Beschleunigung europäischen Integration entwickeln würde.
Die deutsche Regierung schlug daher sämtliche Warnungen gegen eine überhastete Euro-Einführung als propagandistisch motiviert aus dem Wind und hoffte, dass sich zumindest die großen Euro-Mitgliedsstaaten an die vereinbarten Stabilitätskriterien halten würden. Griechenland verdankt seine Aufnahme in die Eurozone übrigens nicht nur den systematisch gefälschten Zahlen, die es nach Brüssel übermittelte – was dort gespielt wird, war ohnehin längst bekannt – sondern dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Dieser setzte sich erfolgreich dafür ein, das wirtschaftlich gescheiterte Griechenland für seine NATO-Bündnistreue mit der Teilhabe am Euro zu belohnen.
Der Euro verschleierte die Folgen der Schuldenpolitik
Die Stabilitätskriterien waren tatsächlich das Papier nicht wert, auf dem sie formuliert waren und ausgerechnet Deutschland und Frankreich waren die ersten großen Länder, die sich nicht an die vereinbarte Defizitobergrenze von drei Prozent hielten. Dennoch profitierte Deutschland in der Vergangenheit von den Konstruktionsfehlern des Euro, denn dadurch konnte sich auf einmal halb Europa teure deutsche Autos leisten.
Die Regierungen der ehemaligen Weichwährungsländer nutzten das niedrige – deutsche – Zinsniveau nämlich, um sich billig verschulden zu können. Damit ersparten sie ihrer Bevölkerung die notwendigen Einschnitte zur Attraktivierung ihres Wirtschaftsstandortes, machten Steuergeschenke und erkauften mit dieser populistischen Politik ihre Wiederwahl.
In der Zwischenzeit boxten Deutschland und Österreich harte Maßnahmen durch, um die eigene Konkurrenzfähigkeit weiter zu verbessern. In beiden Ländern hielt man die Gewerkschaften klein und damit die Beschäftigung hoch. Obwohl die damaligen Schritte aus heutiger Sicht als nur mäßig ambitioniert angesehen werden müssen, war man damit die einäugigen Könige unter den vielen blinden europäischen Schuldenmachern und so brachte der Euro vor allem Divergenz statt Konvergenz. Anstatt das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen innerhalb Europas abzubauen führte der Euro zu jenem ökonomischen Auseinanderdriften der Eurozone, die uns heute so große Probleme bereitet.
Frankreich hat sich bereits in den 80-ern und 90-ern unter der sozialistischen Präsidentschaft von François Mitterrand wirtschaftlich ins Abseits manövriert. Die konservative französische Zeitung „Le Figaro“ ging im Jahr 2007 mit der Wirtschaftspolitik, der „Sphinx“ hart ins Gericht: „In einer Zeit, als Reagan, Thatcher und Kohl ihre Länder für die Zukunft fit machten, setzte Frankreich eine unglaubliche Serie ökonomischer Dummheiten fort, für die die Rechnung noch heute bezahlen muss.“ So habe die Rente mit 60 Frankreich bis heute 200 Milliarden Euro gekostet, die damaligen Masseneinstellungen in den öffentlichen Dienst weitere 100 Milliarden, die 35-Stunden-Woche ebenfalls 100 Milliarden. Dass der im April 2012 gewählte neue französische Präsident François Hollande, nun ausgerechnet jene Reformen, mit denen seine Vorgänger Jaques Chirac und Nicolas Sarkozy die Folgen der desaströsen Wirtschaftspolitik Mitterrands abschwächen wollten, rückgängig macht, erklärt das gesunkene Vertrauen Deutschlands in Frankreich als Partner bei der EURO-Rettung. Doch inzwischen wird Deutschland nicht nur von Frankreich bedrängt, sich bei Verstößen gegen das „Bailout-Verbot“ noch weiter hinaus zu lehnen.
In Italien etablierte Silvio Berlusconi als rechter Politiker ein populistisches System, das sich ebenfalls sämtlichen Maßnahmen verschloss, die linken Wahlzuckerln wieder abzuschaffen. Dank seiner ökonomischen Substanz schaffte es das Land erstaunlich lange einigermaßen konkurrenzfähig zu bleiben. Doch irgendwann reichten die Staatseinnahmen nicht mehr aus um die ständig wachsende Zinsbelastung zu stemmen und so steht Italien heute wirtschaftlich vor dem Zusammenbruch. Der Technokrat Monti versucht zwar zu retten, was zu retten ist, doch es ist kaum zu erwarten, dass seine Reformen, die nächsten Parlamentswahlen überleben werden.
Etwas anders ist die Situation in Spanien. Dort betätigten sich die Banken mangels anderer Businessmodelle vor allem als Immobilienfinanzierer. Das zugrunde liegende Geschäftsmodell lebte von zwei Mythen: ständig steigenden Immobilienpreisen auf der einen und einem auf Dauer niedrigen – deutschen – Zinsniveau auf der anderen Seite. Wer sich eine Wohnung um 100.000 Euro kaufte, erhielt von der Bank 125.000 Euro Kredit und konnte sich gleich noch dazu ein neues (deutsches) Auto dazu anschaffen. Und obwohl der spanische Neuimmobilienmarkt wegen der exorbitant gestiegenen Preise seit 2006 praktisch still stand, musste munter weiter gebaut werden, um die Blase am Platze zu hindern. Obwohl keine Gewinne realisiert werden konnten, wurde der Immobilienbestand in den Bilanzen der Banken bis 2009 immer höher und höher bewertet. Nach dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes brach die überhitzte Baukonjunktur auch in Spanien innerhalb weniger Monate völlig zusammen. Dass das Land heute vor der Pleite steht, hat also vor allem damit zu tun, dass die Banken ihre Verluste zu verschleiern versuchten. Im klassischen Wirtschaftsleben nennt man ein solches Vorgehen Konkursverschleppung – und das ist eine Straftat.
Die Einwände, die vor allem amerikanischen Ökonomen gegen den Euro eingebracht hatten, wurden durch den bisherigen Verlauf der Eurokrise großteils bestätigt. Dass sie innerhalb Europas viel zu lange als antieuropäischer Reflex der Amerikaner, die ihren Dollar zu schützen versuchen, interpretiert wurden, rächt sich nun auf tragische Art und Weise.
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