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Die letzte Chance war schon vor fünf Jahren die letzte Chance

| 23. Oktober 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 97

Zwei Wochen nach der letzten Nationalratswahl habe ich einen Satz gehört, der die gesamte Malaise österreichischer Innenpolitik zusammenfasst: »Ich fühle mich gestärkt.« Der Satz stammt von Vizekanzler Michael Spindelegger und lässt nicht nur in sein Innerstes tief blicken. Wenn der Parteiobmann der Partei, die mit rund 17,5 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einfuhr, dies als ein Signal der »Erstarkung« ansieht, will man gar nicht mehr wissen, wie es um sonstige Einschätzungen Spindeleggers steht.

Die ÖVP jedenfalls, der schon seit gut einem Jahrzehnt immer wieder das Schicksal der Democrazia Cristiana angedroht wird, scheint es geschafft zu haben, es dieser einst so mächtigen und stolzen italienischen Partei beinahe gleich getan zu haben. Lediglich hat es – wie in Italien 1993 – keinen großen Knall gegeben. Die Partei droht aber, nicht zuletzt nach dem respektablen Ergebnis der Neos, bereits gespalten zu sein. Jedenfalls was ihre Wählerschaft betrifft.

Ob es nun ein Zeichen letzter Überlebenskraft oder bloß Schockstarre war, die die sonst übliche »Obmanndiskussion« (bis jetzt zumindest) verhindert hat, wird sich noch weisen. Die grottenschlechte Situation der Volkspartei wird nur noch durch eines übertroffen: Durch die der gesamten heimischen Parteienlandschaft und auch der gesamten demokratischen Struktur überhaupt.
Mit der 1986 unter Franz Vranitzky begonnenen (damals sinnvollen) Ausgrenzungstaktik gegenüber der FPÖ wurde der österreichische Wähler in eine Art Geiselhaft genommen und steht nun seit bald dreißig Jahren der Tatsache ungelenk gegenüber, dass er mit seiner Stimme nichts verändern kann. Dabei wäre es – nona – so wichtig, dass dieses Land endlich entweder von einer linken oder eben einer rechten Regierung geführt wird. Wie groß die Ohnmacht der Wähler ist, merkt man ja an der Tatsache, dass bei drei Landtagswahlen das Team Stronach mit lauter Pappkameraden als Kandidaten in jedem Land einen Regierungssitz erkämpfen konnte. Michael Fleischhacker hat vollkommen recht, wenn er sagt, »Alles ist besser als eine große Koalition.« Jeder denkende Mensch muss dem zustimmen.

Aber was jetzt tun? Habe ich anfangs beschrieben, wie schlecht es der ÖVP geht, so hätte ich genauso mit der SPÖ anfangen können. Um die ist es um keinen Deut besser bestellt. Mittlerweile ist der Karren übrigens so verfahren, dass der Gang in die Opposition wahrscheinlich für keine der beiden Parteien wirklich möglich wie sinnvoll erscheint.

Die Wortspenden der beiden Obmanndarsteller sind zwar nur schwer zu ertragen, als wohlwollender Beobachter – und vor allem natürlich als Bürger – muss man sich dem aber aussetzen und kann nur hoffen, dass irgendwas davon Realität wird (bzw. werden kann).

Mir einfachem Geist ist dieser Tage der letzte Landeshauptmann von Steiermark wieder einmal eingefallen: Josef Krainer. Dieser hat in den späten Achtzigern oder frühen Neunzigern den Begriff des »All Austrian Governments« geprägt. Er meinte damit, eine Bundesregierung »der besten Köpfe« zu bilden; über alle Parteigrenzen hinweg. Und ich denke, dieser virtuellen Krise der Demokratie in Österreich – virtuell deswegen, weil es vor allem darum geht, dem Souverän wieder Entscheidungsgewalt zu übertragen; vieles funktioniert natürlich auch so sehr gut – könnte ein solcher Ansatz den Garaus machen.
Die beiden Parteien stellen lediglich je zwei Schlüsselministerien (Finanzen, Verteidigung, Außen und Innen) sowie den Kanzler. Alle anderen Regierungsmitglieder werden mit Persönlichkeiten (die dieses Land dann doch jedenfalls besitzt, Linke wie Rechte) und gerne auch Managern besetzt. Dann schauen wir mal.
Alle anderen Maßnahmen, hier schon oft beschrieben – wie etwa endlich eine Zeitbeschränkung auf zwei Funktionsperioden je Amt (!) oder sinnvolle Nachwuchsarbeit (ohne chinesische Weisheiten zu lieben, irgendwann könnte ein Obmann bzw. Parteivorsitzender draufkommen, dass ein »besserer Nachfolger« auch ihn selbst besser macht …) –, sind Notwendigkeiten, die beide Parteien ergreifen müssen, wollen sie nicht FDP-artig von der politischen Bühne verschwinden. Notwendigkeiten, aber aktuell nur Beiwerk.
Dieses »All Austrian Government« mag nicht die beste Idee sein – ich freue mich über eine jede bessere! –, das Geschwafel vom »neuen Regierungsstil« alleine wird niemanden überzeugen. Bloß die FPÖ beim nächsten Mal zur stärksten Partei werden lassen. Und das wäre mir nicht unbedingt recht.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Editorial, Fazit 97 (November 2013)

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