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Die Zusammenarbeit von Rot und Schwarz kann nicht mehr funktionieren

| 20. Dezember 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 99

Nach mehr als zwei Monaten hat sich die Regierung neu erfunden. SPÖ und ÖVP haben sich auf eine Fortführung ihrer Koalition geeinigt. Das mediale Echo auf die Koalitionsvereinbarung der beiden – noch immer – stärksten Parteien im österreichischen Nationalrat fiel durch die Bank negativ aus. Und nicht einmal die Tatsache, dass auch Altvizekanzler Erhard Busek und Standard-Chefin Alexandra Föderl-Schmid kaum ein gutes Haar an dieser wiedermaligen Neuauflage der rot-schwarzen-Koalition gelassen haben, kann mich dazu bringen, die nächste Regierung bzw. die Absichtserklärungen der nächsten Regierung positiv zu beurteilen.

Zu verfahren ist der Karren, in dem Österreichs Innenpolitik steckt. Allerorts ist vom »Stillstand« die Rede und auch wenn dieser »Stillstand« im Grunde vor allem ein gefühlter ist, tut dies nichts zur Sache. Beinahe die gesamte österreichische Öffentlichkeit hat jedes Vertrauen in das Tun der beiden Volksparteien und vor allem in das Tun ihrer beiden Parteichefs verloren. Da erscheint die – zu Recht kritisierte – Zusammenlegung des Wirtschafts- mit dem Wissenschaftsministerium geradezu als bloße »Sollproteststelle«, um von all den anderen (wesentlicheren) Unzulänglichkeiten in der Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP abzulenken. Die schwarze Beflaggung vieler unserer Universitäten ist auf den ersten Blick übrigens ein netter Aktionismus, in letzter Konsequenz aber doch mehr Symbol der Hilflosigkeit auch universitärer Öffentlichkeit in unserem Land.

Liest man in die Foren der sozialen Medien hinein, fühlt man sich an den alten Spruch »Österreich hat lauter Teamchefs« erinnert, nur geht es halt diesmal darum, dass immer mehr der Eindruck entsteht, jede und jeder in diesem Land sei der bessere Regierungschef, zumindest aber der bessere Regierungserklärer.

Sogar in Tageszeitungen sind rührig-bemühte »Alternativ-Regierungserklärungen« zu lesen, die in ihrer Einfachheit der Lösungskompetenz (natürlich) unschlagbar sind und ganz sicher zu zahlreichen positiven Leserkommentaren führen werden. Dabei ist all diesen Wortspenden eines immanent: Die eigene Meinung wird überhöht, überschätzt und zu einem dem Guten verpflichteten Wortbrei verbraten, gegen den keiner was haben kann. (Dass dies in aller Regel linkslastige Gesellschaftsvisionen sind, überrascht dabei bei der drückend linken Meinungshoheit in österreichischen Redaktionen wenig.)

Solche alternative Regierungserklärungen verfehlen aber ein wesentliches Momentum jeder Demokratie: Sie sind schlicht nicht demokratisch legitimiert. Und das ist das eigentliche Problem dieser Regierung, dieser immer und immer wiederkehrenden »großen Koalition« in Österreich. (Ich schreibe seit Jahren im letzten Satz der Lage, dass eine große Koalition dem Lande nicht dienen kann!) Sie ist durch die Wahl natürlich legitimiert, aber keine Bevölkerungsgruppe kann erkennen, dass mit der Wahl – mit der »Abgabe der Stimme« – irgendetwas verändert werden würde. Und das – mit der Ausnahme der kurzen Jahre von Schwarz-Blau – seit 1986. Als Bürger dieses Landes kann ich jederzeit damit leben, dass eine gewählte sozialdemokratisch gesinnte Regierung ein sozialdemokratisch dominiertes Regierungsprogramm abarbeitet. Oder eben eine bürgerliche (liberal-konservative oder rechtsliberale) ein bürgerlich dominiertes. Bei uns herrschen aber Zustände, in denen seit Jahrzehnten die beiden ehedem großen Volksparteien ihre Programme innerhalb der Koalitionsjahre zur Unkenntlichkeit verwaschen haben lassen.

Das zu ertragen fällt immer schwerer. Mir als aufgeklärtem Christen etwa, dem die (vollzogene!) Trennung zwischen Kirche und Staat ein wichtiges Anliegen ist, bereitet es durchaus Kopfzerbrechen, eine Koalitionsvereinbarung zu lesen, in der das Wort »Christ« nicht vorkommt. (Dass im Übrigen das Wort »Islam« sich sehr wohl findet, füge ich nur fürs Protokoll an.) Wozu wähle ich dann eine christliche Volkspartei, wenn sie dieses Programm mitgestaltet haben will? Wäre die Partei, die ich gewählt habe, nicht in der Regierung, bräuchte ich kein Problem damit haben. So aber findet sich niemand im Tun und Handeln der Regierung wieder. Und kann sich nur in eine biedermeierliche Abkehr von der Politik retten. Dafür haben wir Wahlen nicht erfunden.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Leider wurden das Editorial (Seite 3) und die Lage dieser Ausgabe in einer unlektorierten Fassung gedruckt. Wir entschuldigen uns für die Tippfehler.

Editorial, Fazit 99 (Jänner 2014)

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