Der Käse aus dem Stollen
Redaktion | 19. Februar 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 100, Fazitportrait
Franz Möstls hochprämierter Käse von weltmeisterlicher Qualität reift seit vier Jahren in den Stollen des Silberbergwerks in Arzberg heran. Ideale klimatische Verhältnisse sorgen im Zusammenspiel mit technischem und fachlichem Know-how für Geschmackserlebnisse und Vergleiche auf höchstem Niveau. Text von Volker Schögler
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Es ist unbestritten klüger, Käse in den Stollen eines Silberbergwerks zu verbringen, als ihn zum Bahnhof zu rollen. Warum, ist einfach erklärt: Ein Käse will nicht verreisen, er will sich entwickeln, will reifen. Zumindest soll er das, wenn es nach dem Willen derjenigen geht, die ihn herstellen, und insbesondere derjenigen, die nur darauf warten, ihn verzehren zu dürfen. Letztere, namentlich die Konsumenten, haben die einfachere Rolle: Sie müssen sich lediglich in passiver Geduld üben und tatsächlich nur warten. Erstere, die Produzenten, müssen hingegen neben Geduld über hochaktive Fähigkeiten wie qualifiziertes Fachwissen, kulinarischen Geschmack, fachspezifisches Geschick und einen breiten Erfahrungsschatz verfügen, um das Milchprodukt Käse im Zuge eines speziellen wie heiklen Reifeprozesses zur Köstlichkeit zu veredeln. Genau das und noch mehr ist Franz Möstl mit seinem Almenland Stollenkäse gelungen. Glanzstück ist die Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft 2012 in Wisconsin/USA für den »Bellino«, einen Rotkulturweichkäse vom Schaf.
WM-Gold bei 2.500 Käsen in 82 Kategorien
Dazu müssen sogleich drei Dinge gesagt werden. Erstens: Man höre zunächst auf den Rat von Franz Möstl als »Käseaffineur«, also Veredler. »Den Käse soll man wie Schokolade essen. In kleinen Stücken mit 17 bis 18 Grad, das entspricht etwa der idealen Temperatur für Rotwein – der gut zu Hartkäse passt. Zum Weichkäse wie dem »Bellino« hingegen ist Weißwein zu empfehlen.« Zweitens: Bei dieser Weltmeisterschaft, die jedes zweite Jahr stattfindet, handelt es sich um den bedeutendsten internationalen Käsewettbewerb und es gibt keineswegs mehrere erste Plätze, sondern pro Klasse nur ein »Stockerl«, somit eine Gold-, eine Silber- und eine Bronzemedaille plus dahinter liegende Plätze. Bei insgesamt 82 Klassen sind das 246 Medaillen und davon gingen diesmal gerade sechs an österreichischen Käse – eine Bronze-, vier Silber- und die eine Goldmedaille. Drittens: Diese Goldene für den »Bellino« wurde mit 99,90 von 100 Punkten bewertet, das war die zweithöchste Punktezahl von allen Klassen.
Reifen, wenden, Silberluft: So vergeht die Zeit
Eines der – in diesem Fall offen ausgesprochenen – Geheimnisse des Stollenkäses aus Arzberg ist der Silberstollen. »Zum einen hat es im Stollen ganzjährig eine Temperatur von 11 Grad, bei einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit von 97 bis 99 Prozent, was optimal für den Reifungsprozess von Käse ist. Zum andern hat das Silber eine antibakterielle Wirkung und verhindert dadurch eine unerwünschte Schimmelbildung«, so Franz Möstl. Zu den wirklichen Geheimnissen zählt die in den 150 Meter langen Hauptstollen (Franz-Leopold-Stollen) und seine sieben Nebenstollen – die eigentlichen Käselager – installierte Luftumwälzungsanlage, die über staub- und schadstofffreie Luft verfügt. Derartiges Know-how schöpft der Käsehersteller aus seinem eigentlichen Beruf als Anlagenbauer für die Fruchtsaftindustrie (Rauch, Pfanner, Spitz), Brauereien, Pharmazie (Baxter) oder Molkereien – kaum eine in Österreich, an die Möstl nicht geliefert hätte. Wie das? Franz Möstl hat eine 20-jährige Karriere beim internationalen Anlagenbaukonzern Alfa Laval in Wien hinter sich und noch ein Jahr bei der damals übernehmenden Tetra Pak, wo er sein Know-how von der Pike auf gelernt hat. Als der schwedische Alfa-Laval-Konzern aus dem österreichischen Markt ausstieg, hat der Arzberger sich selbstständig gemacht und den Markt übernommen. Mittlerweile steht sein Betrieb seit 20 Jahren in Walhütten in der Gemeinde Arzberg auf über 800 Metern Seehöhe. Auf einem Grundstück, das zum landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters gehörte. Damit ist er österreichweit einer von zwei Anbietern, hat nach anfänglich 10 heute 70 Mitarbeiter vorwiegend aus der Region und schreibt einen Jahresumsatz zwischen 14 und 15 Millionen Euro. Der Familienbetrieb – seine Frau und sein Sohn sind dabei und 10 Prozent gehören zwei Mitarbeitern – stattet zur Zeit etwa die SalzburgMilch in Lamprechtshausen (400.000 Liter Milch werden dort pro Tag zu Käse verarbeitet) mit modernster Prozesstechnik für die Käserei aus. Der 70-fache Arbeitgeber und bloße Volksschulabsolvent (1951 geboren – »damals war die Hauptschule in Passail verkehrstechnisch zu weit entfernt, daher 8 Jahre Volksschule«) sah im Arzberger Stollen eine weitere Herausforderung mit Synergieeffekten: »Vor etwa 15 Jahren gab es seitens der Gemeinde zwar die Idee, einen Heilstollen nach dem Vorbild des Silberbergwerks Oberzeiring zu machen, aber die schlechte Infrastruktur und die verkehrstechnische Lage haben dagegen gesprochen. Vor 10 Jahren hatte die Almenland-Region, das sind 12 Gemeinden, den Plan, in Orientierung an Almo eine eigene regionale Molkerei zu gründen. Das war aber gerade die Zeit, als kleinere und mittlere Molkereien zugesperrt haben, also habe ich abgeraten, mit der Begründung, dass es etwas Besonderes sein müsste.« Aufgrund seiner Auslandserfahrung hatte Möstl Kenntnis über die Nutzung etwa der Kaltbach-Höhle in der Schweiz durch den Milchverarbeitungskonzern Emmi oder von Roquefort-Höhlen in Frankreich für die Käsereifung und so schlug er vor, ein entsprechendes Versuchsprojekt zu starten.
Stollenführung und Käseverkostung im ehemaligen Grubenhaus
Er mietete einen Nebenstollen des alten Raabstollens von der Gemeinde Arzberg, investierte 40.000 Euro in Infrastruktur wie Luftschleuse und Hygienemaßnahmen, um den Stollen vom Hauptstollen abzutrennen, und realisierte in der Folge die heutige Almenland Stollenkäse GmbH, die weitere fünf Arbeitsplätze schafft. Ganz so einfach war es natürlich nicht: Der heutige Käsestollen, der parallel zum Raabstollen verläuft, ist nämlich »selbst gemacht«. Nach einer Idee und tatkräftiger Hilfe des obersten Bergbaubeamten der Republik, Univ.-Prof. Leopold Weber, nahm Möstl vor vier Jahren eine Million Euro in die Hand, ließ den neuen Stollen 150 Meter tief in den Gösserberg sprengen und stattete ihn mit der Kenntnis des Anlagenbauers für Molkereien entsprechend perfekt aus. Schließlich erwarb er auch noch das unmittelbar neben den beiden Stolleneingängen stehende Grubenhaus, restaurierte und adaptierte es für die weitere Käsebehandlung wie Verpackung, Lagerung und Kühlung und machte daraus ein Schmuckstück für jene, die – meist nach einer Stollenführung – zur Verkostung der verschiedenen Käsesorten schreiten. Warum die mittlerweile 25 bis 30 Tonnen Weich-, Schnitt- und Hartkäse nicht nur den 13.000 Besuchern pro Jahr munden, sondern auch den Käufern in Feinkostgeschäften, etwa Frankowitsch, Kasalm oder Nussbaumer in Graz sowie im neuen Almenland Genussladen in der Josefstädter Straße in Wien und der Hotellerie und Gastronomie, das könnte man zum Beispiel in der Stromburg von Johann Lafer erfahren.
Auch Johann Lafer schätzt den Stollenkäse
Einfacher wäre es, ihn hier vor Ort zu befragen. Denn da ist der Spitzenkoch und unermüdliche Werber für seine steirische Heimat immer wieder anzutreffen. Wenn er den von ihm hochgeschätzten Stollenkäse bei Franz Möstl selbst verkostet und – natürlich – einkauft. Auch er weiß Bescheid über den natürlichen Lauf der 6 bis 7 Kilo schweren Käselaibe im Silberstollen von Arzberg: vom Salzbad (2 bis 40 Stunden), von der Rotkulturbürstung, vom wichtigen Milchschimmel Geotrichum als Aromabringer und von den Käsemeistern vorbehaltenen Geheimnissen. »Entscheidend für den Geschmack«, führt Möstl aus, »ist aber auch die ausschließliche Verwendung der Rohmilch von den Kühen unserer zwei Rinderbauern und vor allem das silofreie Futter.« Und nicht zu vergessen die Sennerei Leitner mit modernster Möstl-Anlagentechnik und die Weizer Schafbauern – auch sie (und ihre Schafe) haben ihren Anteil an der Goldmedaille.
Zum Glück findet Anfang März wieder die Käse-WM in Wisconsin statt. Da wird Franz Möstl wohl versuchen, einen Fehler zu beheben, der ihn mehr wurmt, als er zugibt: Der von ihm besonders geschätzte »Argentum«-Käse (Weichkäse aus Kuhmilch) konnte 2012 nämlich nur den undankbaren vierten Platz holen. Er war bei Verarbeitungsbeginn etwas zu lange im Salzbad.
Almenland Stollenkäse
8162 Passail, Arzberg 104
Telefon: 03179230500
almenland-stollenkaese.at
Ausflugsziel Arzberg: Raabklamm,
Führungen im Schaubergwerkstollen
und Käsestollen mit Verkostung.
Der Käse aus Arzberg ist in Graz
zum Beispiel bei der Kasalm
am Kaiser-Josef-Platz erhältlich.
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Fazitportrait, Fazit 100, (März 2014) – Foto: Harald Eisenberger
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