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Strahlender Schatten

| 3. Oktober 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 106, Fazitgespräch

Foto: Marija Kanizaj

Kathrin Nachbaur über Oppositionsfrust, Loyalität gegenüber Frank Stronach und den Therapiezwerg Volkspartei.

Text von Peter Wagner und Philipp Tripolt.
Foto von Marija Kanizaj.

::: Hier können Sie das Interview im Printlayout lesen: LINK

Diese Stimme ist noch immer der Gute Morgen. Jahrelang machte Hary Raithofer Herr und Frau Österreicher auf Ö3 munter. Mittlerweile hört man den Radiomoderator aber seltener. Er ist zum Polit-Pressesprecher beim Team Stronach geworden. An diesem frühen Vormittag ist er zumindest für Fazit wieder allgegenwärtig. Er will aber weniger aufwecken, als vielmehr das angefragte Gespräch mit seiner Klubobfrau vermitteln.

Im Café Fink am Grazer Freiheitsplatz wolle sich Frau Nachbaur treffen. Dass das Lokal mittlerweile zum Hipster-Café umgebaut wurde, weiß Raithofer ebensowenig wie Nachbaur. Beide verbringen ihre Zeit eben derzeit mehr in Wien. Beide sind Polit-Neulinge. Aber beide machen auch in ihren neuen Rollen eine gute Figur. Auch wenn sich die Frage aufdrängt, ob sie langfristig auf die richtige Partei gesetzt haben. Aber für solche Fragen ist ja jetzt genügend Zeit.

Frau Nachbaur, Ihr Vorgänger als Klubobmann des Team Stronach, Robert Lugar, hat vor ein paar Monaten gesagt, er sei überzeugt, dass es eine Strategie gebe in Ihrer Partei, er erkenne sie nur nicht wirklich. Gibt es mittlerweile eine?
Da möchte ich dazu sagen, dass Robert einen guten Sinn für Humor hat. Das hat er mit einem Lachen gesagt, da bin ich mir sicher, weil ich ihn kenne. Natürlich haben wir die Strategie, dass wir versuchen, unsere Themen an die Bevölkerung heranzutragen. Das ist als kleine Partei nicht immer einfach. Wir haben jetzt auch die Team-Stronach-Akademie, mit der wir verschiedene Veranstaltungen machen in ganz Österreich, um zu transportieren, wofür wir stehen.

Und wofür stehen Sie?
Wir wollen Unternehmer entlasten, damit Arbeitsplätze schaffen, Steuern senken, ohne sie gegenfinanzieren zu müssen, und einen schlankeren Staat. Was Robert Lugar vielleicht gemeint hat, ist das Thema, wo wir nächstes Jahr antreten, und das ist eine Entscheidung des Obmanns Frank Stronach.

Wo würden Sie persönlich denn gerne angetreten?
Ich hoffe bei allen vier Bundesländern. Wir haben nächstes Jahr Wahlen in Oberösterreich, dem Burgenland, Wien und natürlich der Steiermark. Wir haben gute Leute und ein gutes Programm und ich hoffe, dass sich Frank Stronach entscheidet, das zu unterstützen. Welche Leute das genau sind, möchte ich aber noch nicht verraten.

Wird da nicht sehr kurzfristig entschieden? Im Burgenland wird voraussichtlich im Mai gewählt.
Ich gehe davon aus, dass die Entscheidung bald fällt, weil wir brauchen dann ja Zeit.

Wäre es nicht besser, wenn man das langfristiger planen könnte, weil man nicht von seinem Obmann abhängig ist?
Ich glaube, das ist in jeder Partei so, dass es einen Obmann gibt.

Aber die wissen meistens, dass sie antreten.
Da haben Sie Recht und ich hoffe, die Entscheidung wird bald fallen.

Wie viel gibt Ihr Obmann Frank Stronach eigentlich noch die politische Richtung Ihrer Partei vor?
Tagespolitisch gibt er eigentlich keine Richtung vor, denn unser Parteiprogramm und unsere Werte, an die wir uns zu halten haben, haben wir ohnehin gemeinsam festgelegt.

Vermissen Sie Stronach manchmal neben sich in der Politik?
Wir hören uns sehr regelmäßig und haben ein gutes Verhältnis. Auch wenn er im Tagesgeschäft nicht mehr involviert ist, ist er eben nach wie vor unser Obmann und das funktioniert eigentlich ganz gut so.

Wie dankbar sind Sie Frank Stronach, den man als Ihren Förderer bezeichnen könnte?
Er war sicher einer der Menschen, die immer sehr stark an mich und meine Fähigkeiten geglaubt hat, und ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass er mir die Chance gegeben hat.

Ist es für Sie gerade aufgrund dieser Dankbarkeit manchmal schwieriger, Frank Stronach zu kritisieren?
Überhaupt nicht. Ich kritisiere ihn sicher nicht öffentlich. Wir haben intern unsere Diskussionen und intern möchte ich alles ganz offen austragen, das ist ganz wichtig. Es hat ja keinen Sinn, wenn man nur von Ja-Sagern umgeben ist. Aber ich bin natürlich loyal und habe ich ihm deswegen nur einmal öffentlich bei dem Todesstrafen-Sager widersprochen.

Ist es nicht teilweise sogar ganz gut, dass er jetzt etwas weiter weg ist? Weil dann auch seltener Situationen entstehen, die ihn in die Bredouille bringen können?
Der Frank ist kein Politiker. Er drückt sich nicht sehr geschliffen aus, sondern sagt es, so wie es ist, und er hat selber gesagt, er war in manchen Situationen vielleicht zu angriffig. Aber er sieht, dass er ein gewisses Alter hat, es einen gewissen Druck auch in Österreich gibt und er einfach nicht die Zeit hatte, um den heißen Brei herum zu reden. Das war vielleicht nicht immer die ideale Art und Weise, sich auszudrücken. Und ja, ich finde es gut, dass er nicht im Tagesgeschäft involviert ist. Das geht auch gar nicht, denn er hat schließlich eine große Firma zu führen und kann sich nicht mit jedem Detail der österreichischen Tagespolitik befassen. Ich befürworte es, dass er als Gründer, als Mentor und als Hüter der Werte auftritt.

Sie sagen, Frank Stronach sei kein Politiker. Sind Sie nach knapp einem Jahr im Nationalrat schon eine Politikerin?
Natürlich muss ich das jetzt mit „Ja“ beantworten. Ich möchte es so sagen: Ich werde sicher kein Berufspolitiker, bin jetzt aber mit sehr viel Elan, sehr viel Begeisterung und großem Idealismus in der Politik aktiv.

Dem Team Stronach ist es ja sehr wichtig, dass es keine reinen Berufspolitiker gibt. Die Vertreter des Volkes sollen weiterhin arbeiten. Warum?
Ich finde sehr viele Politiker wirklich sympathisch und sehr nett. Aber dort sitzen so viele Leute, die im Parteiapparat oder einer Vorfeldorganisation groß geworden sind und noch nie in der wirklichen Welt um einen Arbeitsplatz zittern oder um einen Auftrag rittern mussten. Es gehört mehr Hausverstand in die Politik. Jene Personen, die im Nationalrat hocken und Gesetze beschließen, müssen wieder raus in das normale Leben und mit den Gesetzen, die sie fabriziert haben, leben.

Sie kommen aus der Wirtschaft frisch in die Politik. Ist Politik komplexer als Wirtschaft?
Komplexer ist nicht das richtige Wort, glaube ich. Politik ist ganz anders. Auch wenn ich leider nicht als Technikerin aktiv am Produkt mit meinen Händen beteiligt war, so habe ich in der Wirtschaft doch gesehen, dass nach der Entwicklungszeit und der Prototypenentwicklung letztlich ein Auftrag zustande gekommen ist und etwas verkauft wurde. Es frustriert mich etwas an der Politik, dass man das Ergebnis der Arbeit nicht sofort sieht. So viel Einsatz, so viel Zeit, so viele Diskussionen, so viel Adrenalin – und was ist eigentlich am Schluss geschehen? Als Oppositionspartei hat man keine Chance sich durchzusetzen, egal wie gut die Idee ist. Sich immer wieder neu zu motivieren, ist eine Herausforderung.

Auch im Rahmen des Wahlkampfes hat es immer wieder geheißen, das Team Stronach möchte Österreich verändern. War das nicht schon von vornherein klar, dass dieses Ansinnen eigentlich nicht möglich ist?
Natürlich sind wir davon ausgegangen, dass wir mehr Prozente erreichen und dass wir vielleicht eine größere Rolle spielen. Dann wären wir tatsächlich auch in die Position gekommen, etwas konkret verändern zu können. So als kleine Oppositionspartei dauert es einfach viel länger. Ich bekomme aber schon sehr viel Zuspruch auf unsere Äußerungen, unser Programm und unsere Inhalte. Und vielleicht kann man etwas erreichen, wenn man über die Medien kommuniziert, wofür man steht. Dann setzt sich ein Umdenken bei den Bürgern in Gang, weil sie sehen, dass die Parteien seit Ewigkeiten an der Macht sind und unser Land aber ständig an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Am Dienstag bei der Parlamentssitzung ist das neue Ranking veröffentlicht worden. Wir sind jetzt von 16 auf 21 in der Wettbewerbsfähigkeit abgerutscht und die Rahmenbedingungen werden einfach immer schlechter für die Firmen. Die Großen wandern ab und die kleineren und mittleren Betriebe haben die Möglichkeit nicht. Wo soll denn der Gastwirt oder die Friseurin oder der Installateurbetrieb hingehen?

Das klingt nach einem Thema, das die Leute bewegen und Stimmen bringen könnte. Davon gab es bei der Nationalratswahl zu wenige. Ein Jahr danach wiederholt gefragt: Warum eigentlich?
Ich habe das schon so oft besprochen. Ich würde lieber nach vorne schauen.

Vielleicht anders gefragt: Ist es nicht sehr schwer, eine politische Bewegung von Null auf starten in Österreich?
Natürlich. Es gibt bürokratische und administrative Hürden. Es ist schwierig, Leute zu begeistern, die bis dato mit der Politik noch keine Berührungspunkte hatten. Wenn Leute politisch sehr interessiert sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie sich bereits einmal wo engagiert haben. So erscheint manchmal der Eindruck, dass es Überläufer gibt. Das mag zwar nicht sehr elegant aussehen, aber ich habe Verständnis dafür. Wenn jemand bereits aktiv ist, bemerkt er vielleicht, dass in seiner Partei nicht die Werte vertreten werden, die er sich vorgestellt hat. Oder die Werte werden zwar vertreten, jedoch nicht gelebt – so wie ich das bei der ÖVP sehe.

Was meinen Sie damit?
In meinen Augen ist die ÖVP ein Diagnoseriese, aber ein Therapiezwerg. Sie sagen immer das Richtige, sitzen aber seit bald 30 Jahren ununterbrochen in der Regierung. Somit haben sie jede einzelne Steuererhöhung mitgetragen, jede Verkomplizierung der Gewerbeordnung mitbeschlossen und dann stellt sich die Frage: Wie glaubwürdig ist das? Ich möchte aber gleich ein Vorschusslob an den Herrn Schelling aussprechen. Meiner Meinung nach ist er wirklich ein guter Mann und ich glaube, das ist eine gute Wahl für dieses Land. Ich hoffe, dass er sich durchsetzen kann. Es wird sich aber erst zeigen, wie weit er kommt innerhalb dieser ganzen verkrusteten Bünde- und Länderstrukturen.

Wollten Sie eigentlich immer schon in die Politik?
Ursprünglich war das nicht ein Plan von mir. Das hat sich irgendwie ergeben. Ich hatte aber immer schon eine sehr große Leidenschaft für die Politik und komme aus einem sehr politischen Haus. Ich bin nicht sicher, ob ich ohne diese ganze Entwicklung mit dem Think Tank sowie dem „Frank Stronach Institut“ tatsächlich in der Politik gelandet wäre. Aber ich arbeite sehr fleißig und sehr hart. Wenn ich an etwas glaube, dann setze ich mich dafür auch ein und so wie alle Menschen habe ich auch ein gewisses Potenzial und gewisse Fähigkeiten. Ich glaube, wir können alle viel erreichen, wenn wir uns anstrengen und uns ordentlich einsetzen. Natürlich gehört manchmal auch etwas Glück dazu, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.

Glück zur richtigen Zeit braucht auch Ihre Partei. Der Politik-Experte Peter Filzmaier sagt, dass die Wähler des Team Stronach nicht wahrnehmbar sind, und sein Kollege Thomas Hofer meinte gar, die Marke Team Stronach sei beschädigt und die Partei unwählbar. Wie geht man mit solchen Aussagen um?
Ich war in Alpbach bei den Rechtsgesprächen und da haben mich viele Leute angesprochen und gesagt: „Frau Nachbaur, Sie machen das großartig, Ihr Justizsprecher ist super, Ihre Inhalte sind super, aber mit der Partei ist es schwierig.“ Ich bin mir dessen bewusst und überlege natürlich auch: Was konkret ist es eigentlich? Sind es tatsächlich die unkonventionellen Auftritte vom Frank gewesen? Das würde ich wirklich sehr schade finden, weil er ein Wirtschaftskapitän und ein guter Mensch ist, der aber eben nicht sehr firm in Deutsch ist und sich nicht NLP-geschult ausdrückt. Immerhin hatte er inhaltlich Recht. Er hat davor gewarnt, dass die Arbeitslosigkeit gewaltig steigen wird. Er hat gesagt, es werden weitere Schulden gemacht. Jetzt kommt wahrscheinlich noch die EU mit einem Verfahren – da müssen wir eine fette Strafe zahlen wegen Defizitüberschreitung und die Konjunktur bricht ein. Anstatt 1,9 Prozent Wachstum haben wir 0,7 Prozent Wachstum prognostiziert. Wirtschaftlich ist das eine Katastrophe und es ist alles genau so eingetreten, wie es Frank Stronach gesagt hat. Aber vielleicht ist es einfach wie in diesem Bild, das er selbst immer gemalt hat: Die Kühlschränke sind noch voll. Vielleicht geht es uns noch zu gut, vielleicht braucht es einen „Wake-up-Call“, bevor die Leute merken, dass es so wirklich nicht weitergeht.

Noch einmal zurück zum schlechten Image der Partei. Braucht es vielleicht einen Rückzug vom Parteigründer? Ihr Abgeordneter Georg Vetter hat sogar gemeint: „Es ist seine Partei, sein Kind, wenn er ihm eine Zukunft geben will, muss er es auslassen.“
Es ist sicher so, dass das Kind zu laufen beginnen muss, unabhängig von allen Personen – auch unabhängig von meiner Person. Es geht um die Werte, die Inhalte und   um das Programm. Wenn das ehrliche Menschen aus einem gewissen Idealismus vertreten, ist es eigentlich nicht wichtig, wer die Proponenten sind.

Viele Kommentatoren meinen, dass die steirische Landtagswahl wohl die letzte Chance ist für das Team Stronach.
Es ist sicher eine große Chance. Frank Stronach hat mit Magna hier über 13.000 direkte Arbeitsplätze geschaffen, in der Autoindustrie sagt man mal acht, mit den ganzen Zulieferern. Ich glaube, dass er in der Steiermark eine ganz besondere Anerkennung genießt, weil er sich wirklich sehr eingesetzt hat für seine Heimat. Er ist ja auch ein waschechter Steirer und wird sich hier sicher persönlich mit viel Herz einbringen.

Es steht also fest, dass man in der Steiermark antreten wird?
Ich gehe davon aus. Frank Stronach hat das selbst schon gesagt, dass er in der Steiermark gerne antreten würde.

Wird er als Spitzenkandidat zur Verfügung stehen?
Nein.

Und Sie?
Auch nicht.

Man kennt Sie jetzt durch Ihre politischen Auftritte, Sie sind mit 35 Jahren noch jung. Was wäre, wenn es das Team Stronach einmal nicht mehr geben sollte?
Das wäre natürlich schade, aber ich gehe davon aus, dass es uns weiterhin gibt, weil die Regierung indirekt für uns arbeitet. Aber unabhängig davon habe ich immer gesagt, dass ich sicher keine Berufspolitikerin werde. Ich bin jetzt mit viel Herz hier engagiert, aber ich möchte eines Tages Unternehmerin werden.

Eigenständig oder weiterhin im Dunstkreis von Frank Stronach?
Das ist noch zu früh zu sagen. Die Privatwirtschaft ist jedenfalls für mich das richtige Betätigungsfeld auf lange Sicht, und jetzt ist die Politik das richtige Betätigungsfeld.

Frau Nachbaur, vielen Dank für das Gespräch.

*

Kathrin Nachbaur wurde 1979 in Graz geboren und war früher als Model tätig. Mit 19 wurde sie zur Narzissenkönigin in Bad Aussee gewählt, ein Jahr später begleitete sie ihren Vater zur 100-Jahr-Feier von Steyr Daimler Puch in die Grazer Oper. Dort traf sie auf Frank Stronach, der sie alsbald als Trainee in der Magna-Zentrale im kanadischen Aurora beschäftigte. Nach einem steilen Aufstieg innerhalb Stronachs Imperium folgte sie ihrem Förderer 2012 in die Politik und zog 2013 für das Team Stronach in den Nationalrat ein. Seit Oktober 2013 ist sie Klubobfrau seines Parlamentsklubs.

Fazitgespräch, Fazit 106 (Oktober 2014), Foto: Marija Kanizaj

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