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Zur Lage (68)

| 19. Februar 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 110, Zur Lage

Kurz was zur Asfinag, dafür nichts über den Islam, schon gar nichts über falsche Demonstrationen und kein Sterbenswörtchen über den richtungsweisenden Evolutionsprozess der ÖVP. Dafür lediglich ein paar Gedanken über einen Sender.

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Ich habe ja jetzt ein neues Lieblingsradio. Also eigentlich einen neuen Lieblingsradiosender, es handelt sich dabei um »Radio Helsinki«, und das ist interessanter- wie dankenswerterweise auch in und um Graz zu empfangen. Noch dazu strahlen dessen Sendeanlagen bis hinauf auf den Packsattel und so kann ich das Programm, wenn ich allfreitäglich mit dem Auto in meinen Heimatort Pack – ich muss vom »Ort« schreiben, denn die Gemeinde hat jetzt einen neuen Namen, den hab ich mir aber noch nicht gemerkt – fahre, genießen; bis auf die untertunnelten Strecken, die Asfinag geht ja allen Ernstes und bar jeder Vernunft davon aus, dass man nur »Ö3« im Tunnel hören möchte. Wobei es mir gerade wie Schuppen aus den Haaren fällt, dass man »Ö3« ja eigentlich nur in einem Tunnel hören sollte. (Diese Asfinag, die haben dort ja doch was auf dem Kasten!)

Auf jeden Fall Radio Helsinki. Das ist ein wunderbarer Sender. Das nichtkommerzielle Lokalradio ist seit dem 25. März 2000 als 24-stündiges Vollprogramm auf Sendung (so Wikipedia). Wobei »Vollprogramm«, also ich bin mir nicht sicher, ob dieser Terminus für dieses »Freie Radio« – so bezeichnet sich der Sender gerne selbst – angemessen erscheint. Ist doch der, wie soll ich das jetzt umschreiben, »unprofessionelle« wäre nicht richtig, kommt in diesem Wort doch zu viel an »professionell« vor, also der eher »steckenpferdartige« Zugang der Macher zu ihrem Tun, wesensstiftend für dieses sehr freie Projektradio.

Was mir am Programm von Radio Helsinki besonders gefällt, ist die Tatsache, dass ich es oft nicht verstehe. Und damit meine ich nicht die in aller Regel entzückend nuschelnden, sich geradezu herzzerreißend charmant von einem »Ähh« zum nächsten »Öhh« radehantelnden Moderatorendarsteller, nein, damit meine ich das offenbar zur Senderpolitik gehörende Konzept, auch in Fremdsprachen (darf man das übrigens noch verwenden, »Fremdsprachen«, gibts da noch nichts Besseres, etwa »kulturberreicherndes Exoidiom«, egal), nicht in Deutsch jedenfalls zu senden. Das macht großen Spaß, das gibt mir Gelegenheit, zu erraten, in welcher Sprache dort mehrere Viertelstunden lang monologisiert wird. Letztens war es was Slawisches, Russisch ist es nicht gewesen, das hätte ich auch bei der schlechten Telefonverbindung, der der ins Studio Anrufende ohrenhörlich ausgesetzt war, erkannt. Wahrscheinlich war es Kroatisch, vielleicht auch Serbisch; Italienisch kommt jedenfalls oft vor und auch zahlreiche andere babylonische Errungenschaften.

Sie brauchen sich jetzt keine Sorge machen, dass dort Schlimmes besprochen wird, ohne dass dies wer merken würde, denn zum Einen bedingt das die Charta des »Freien Radios« – Stichworte Gemeinnützigkeit, Partizipation, Unabhängigkeit – und zum Anderen sind bei Radio Helsinki religiöse Gemeinschaften und alle politischen Parteien sogenannte »Persona non grata«, also unerwünscht. Außerdem, und das verbindet all die verschiedenen Sprachen, die ich dort schon gehört habe, kommt das Wort »sozial« in all seinen sprachlichen Abwandlungen (sozial, sozialisti, supersocialissimo, socialdemocratico, internationalsozialisti usw.) bei den sicher interessanten Wortmeldungen alle zwei Minuten aus dem Äther und garantiert, dass es hier nur um das Gute gehen kann.

Wobei, unlängst war ich kurz ein klein wenig beunruhigt, als ich einen Herren, es war eine deutschsprachige Sendung, über den Grazer Akademikerball bzw. über die damals noch anstehende Demonstration gegen diesen habe philosophieren gehört. Zusammenfassend ist mir in Erinnerung geblieben, dass diese Ballgegendemonstration für den Moderator den wesentlichsten Beitrag unserer Zeit gegen das Schlechte und Böse überall auf dieser Welt darstellt. Was man so sehen kann.

Der Moderator hat sich dann aber doch – meiner fundamentalkonservativen Sicht nach zumindest – etwas verrannt, als er das Nichtfunktionieren seines CD-Spielers mit einem Exkurs über die verschiedenen Arten der Gewalt zu überbrücken versuchte. Ich bin dann extra auf den Autobahnparkplatz Herzogberg-Nord zugefahren und habe mir das fertig angehört. Und weiß jetzt also, dass »Gewalt« ja nur und ausschließlich gegen Menschen gerichtet sein kann. Die eine Auslagenscheibe dort oder der andere Mistkübel da, gegen die könne ja keine »Gewalt« angewendet werden, weil das ja eben keine Menschen wären. Aber sollten unmenschliche Dinge zu Bruch gehen, muss man nachher »darüber reden« und »Manöverkritik« betreiben. Naja dann, hab ich mir gedacht und bin beruhigt weitergefahren.

Das mit den politischen Parteien, die von der Möglichkeit der Sendungsgestaltung ausgeschlossen sind (so die Programmrichtlinien), nimmt der Sender übrigens sehr genau, habe ich doch durch Zufall eine E-Mail lesen müssen, in der der Pressesprecher einer steirischen Landtagsfraktion (nicht jener der FPÖ, ich kann mir nicht vorstellen, dass Radio Helsinki an die FPÖ jemals eine E-Mail schicken wird) sehr kurz und auf so Petitessen wie einen Gruß verzichtend aufgefordert wurde, er möge »ab sofort keine Aussendungen mehr an den Sender richten«. Das nenne ich gute wie konsequente Öffentlichkeitsarbeit.

Radio Helsinki, zu empfangen auf der Frequenz 92,6 Megahertz und im Internet unter helsinki.at – hören Sie sich das an. Es wird Sie auf jeden Fall unterhalten.

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Zur Lage #68, Fazit 110 (März 2015)

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