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Politicks April 2015

| 26. März 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 111, Politicks

Steuerreform: Hat die ÖVP die Wirtschaft verraten?
Endlich hat die Regierung ihr Steuerkonzept aus dem Sack gelassen. Was in monatelangen Verhandlungen herauskam, ist ein Kompromiss, bei dem sich weder die SPÖ noch die ÖVP durchsetzen konnten. Das unterste Einkommensdrittel wird entlastet, die Reichen werden verschont, dafür trifft es wie erwartet die »Etwasbesserverdiener« der leistungsorientierten Mitte mit voller Wucht. Die als »verkehrswertbezogene Grunderwerbssteuer« getarnte Wiedereinführung der Erbschaftssteuer verteuert die Weitergabe von Immobilien im Familienbund um ein Ausmaß, das die Steuerersparnis bei der Lohn- und Einkommensteuer für Betroffene um ein Vielfaches übersteigt.

Mit der Registrierkassenpflicht bürdet die Regierung den österreichischen Klein- und Kleinstunternehmern ein unglaubliches Mehr an Verwaltung auf. Verschont wird nur, wer weniger als 15.000 Euro – nicht im Monat, sondern in einem Jahr – in bar umsetzt. Die Aufhebung des Bankgeheimnisses für jeden, der mit einem routinemäßigen überprüften Unternehmen in Geschäftsverbindung steht, öffnet der Behörden-Schnüffelei alle Möglichkeiten. Dass ausgerechnet eine ÖVP-Regierung, in der der Wirtschaftsbund mit Reinhold Mitterlehner den Vizekanzler und Hans Jörg Schelling den Finanzminister stellt, den Unternehmen so etwas antut, war bisher unvorstellbar. Doch die WK-Wahl ist mittlerweile Geschichte. Und bis zum nächsten Mal dürfen die Tausenden wegen dieses Vorgehens der Regierung völlig perplexen WB-Funktionäre wohl auf das kurze Gedächtnis der WK-Wahlberechtigten hoffen.

Steuerreform: Gerechtere Tarife – Schneller kalte Progression
Das Herzstück der großkoalitionären »Steuerreformverweigerung« bildet eine Tarifsenkung für die Lohn- und Einkommensbezieher. Dass diese nur einen Teil der durch die kalte Progression verursachten realen Steuererhöhungen seit der letzten Tarifreform refundiert, begründet sich mit dem ständig steigenden Finanzbedarf der öffentlichen Hand und deren Unfähigkeit zu nachhaltigen Einsparungen. Die zwei zusätzlichen Steuertarifstufen machen das System aber tatsächlich etwas gerechter. Finanzminister Hansjörg Schelling hat jedoch verschwiegen, dass die kalte Progression dadurch in Zukunft umso schneller wirkt, denn die Gefahr, bei Lohnerhöhungen in die nächsthöhere Tarifstufe zu rutschen, steigt natürlich mit deren Anzahl. Experten rechnen daher damit, dass die Tarifsenkung nach spätestens zwei bis drei Jahren von der kalten Progression aufgesogen sein wird, während die Steuererhöhungen bleiben. Diese Steuerreform führt also mittelfristig zu einem noch schnelleren Ansteigen der Abgabenquote. Die Regierung erreicht damit das Gegenteil dessen, was sie ursprünglich angekündigt hat.

Steuerreform: Kann sich das überhaupt ausgehen?
Das Gesamtvolumen der Steuersenkung bei Einkommens- und Lohnsteuer wird mit 5,1 Milliarden Euro beziffert. Bis auf 1,1 Milliarden Euro, die über eine nicht näher definierte und daher völlig unrealistische Verwaltungsreform eingespart werden sollen, ist eine vollständige Gegenfinanzierung geplant. 850 Millionen sollen über Multiplikatoreffekte hereinkommen. Auch diese Zahl wird von Experten als viel zu hoch eingeschätzt. 1,25 Milliarden sollen höhere Steuern und die Streichung von Ausnahmen bringen. Bleibt ein Loch von 1,9 Milliarden, das die Regierung über die Registrierkassenpflicht und die Aushebelung des Bankgeheimnisses als sogenannte Betrugsbekämpfung in die Kassen spülen will. Dieses staatliche Misstrauen ist ein Anschlag auf die allgemeine Steuermoral. Und viele, die bisher überhaupt nicht an Steuerverkürzung und Schwarzarbeit gedacht haben, werden sich trotz Registrierkassenkassenpflicht und Kontenöffnung wirkungsvoll zu wehren wissen.
Alles in allem ist durch die Schönrechnerei von Faymann und Co mit einer Finanzierungslücke von mehreren Milliarden Euro zu rechnen. Und die wird schon im nächsten Jahr schlagend werden. Schon heute kann man sich daher ausmalen, wer in Form von neuen Steuern und gekürzten und staatlichen Leistungen den Kopf dafür hinhalten muss.

Landtagswahl: Auf den Proporz folgt eine Koalition
Gleichzeitig mit seiner Wiederkandidatur an der Spitze der Steirischen Volkspartei kündigte LH-Vize Hermann Schützenhöfer die Vorverlegung der Steirischen Landtagswahl auf »noch vor dem Sommer« an. Dass unmittelbar nach Schützenhöfers Pressekonferenz auch Landeshauptmann Franz Voves für Fragen zur Verfügung stand, machte klar, dass die Vorverlegung zu diesem Zeitpunkt längst beschlossene Sache und die Zustimmung der SPÖ-Gremien eine reine Formsache war. Wenige Tage später gaben Voves und Schützenhöfer daher in einer gemeinsamen Erklärung den 31. Mai, den vom Fristenlauf frühestmöglichen Zeitpunkt, als Wahltermin bekannt. Ein kurzer Wahlkampf erspart dem Land aus Sicht der Reformpartner ein monatelanges Hickhack, in dem nicht viel weitergeht. So könne die Arbeit unmittelbar nach der Wahl fortgesetzt werden und sogar ohne Budget für 2016 rechtzeitig fertiggestellt und beschlossen werden. Sowohl Voves als auch Schützenhöfer kündigten also die Fortsetzung der Reformpartnerschaft an. Und da der Regierungsproporz abgeschafft wurde, wird die Steiermark ab dem Sommer erstmals von einer Koalition regiert werden.

Landtagswahl: SPÖ und ÖVP – Von 75,5 Prozent auf …?
2010 erreichte die SPÖ 38,3 Prozent und die ÖVP 37, 2 Prozent. Die Gefahr, von gemeinsam 75,5 Prozent auf unter 50 Prozent zu fallen, ist nicht sehr groß – selbst wenn sich die Freiheitlichen auf über 20 Prozent verdoppeln, die Grünen von 5,6 auf 8 Prozent dazugewinnen und die Neos den Einzug schaffen sollten. Für die absolute Mandatsmehrheit von SPÖ und ÖVP wird es allemal reichen. Dafür dürften diesmal übrigens bereits 47 bis 48 Prozent der Stimmen ausreichen, denn kaum Chancen auf den Landtagseinzug werden dem Team Stronach eingeräumt und schwierig dürfte es trotz der rührigen Claudia Klimt-Weithaler an der Spitze auch für die KPÖ werden. Als Listenführer der Freiheitlichen folgt Mario Kunasek auf Gerhard Kurzmann. Die Grünen werden von Lambert Schönleitner in die Wahl geführt, der übrigens ein zweistelliges Ergebnis als Wahlziel ausgegeben hat. Dem eher ländlichen Schönleitner steht mit Sandra Krautwaschl eine urbane »Anti-Plastik-Aktivistin« als Grazer Spitzenkandidatin zur Seite. Die Neos wurden von der Wahlvorverlegung überrascht und nominieren erst am 11. April. Es ist davon auszugehen, dass sich Landessprecher Uwe Trummer bewerben und – sollte nicht noch ein »Wunderwuzzi« auftauchen – die Liste anführen wird.

Landtagswahl: Reformpartner gegen Reformverweigerer
Was die Vorverlegung für Wahl für die Wahlchancen bedeuten mag? Es ist wohl davon auszugehen, dass sowohl SPÖ als auch ÖVP Federn lassen werden. Denn die Reformen sind langfristig angelegt, doch die Schmerzen, die von den Reformen ausgehen, wirken schnell.

Franz Voves gab daher als Schmerzgrenze die Zahl »30 plus« an: »Bei unter 30 Prozent würde ich zurücktreten. Dann hätte ich die Wahl eindeutig verloren und müsste natürlich die Konsequenz daraus ziehen.« Hermann Schützenhöfer wollte sich diesbezüglich nicht festlegen. Sein Ziel ist es, den Abstand zur SPÖ so gering wie möglich zu halten. Davon, dass die ÖVP Erster werden kann, ist also nicht die Rede, denn die Harmonie nütze dem Ersten und schade dem Zweiten, so Schützenhöfer. Und er ergänzt, dass der steirischen Landtagswahl heuer eine bundesweite Schlüsselrolle zukomme. Denn nur wenn die notwendigen Reformen von der Bevölkerung gebilligt werden, bestünde die Hoffnung, dass auch der Bund und die anderen Bundesländer dem steirischen Beispiel folgen und sich auf schmerzhafte Strukturreformen einlassen würden.

Mit diesen Äußerungen definiert Schützenhöfer auch den politischen Gegner völlig neu. Erstmals ziehen SPÖ und ÖVP nicht gegeneinander in den Wahlkampf, sondern gegen ihre reformresistenten Kollegen auf Bundeseben. Den anderen Parteien kommt dabei die Rolle zu, das riesige Protestpotenzial einzusammeln.

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Politicks, Fazit 111 (April 2015)

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