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Auf Sparkurs

| 30. April 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 112, Fazitgespräch

Foto: Arlene Joobes

Spar-Geschäftsführer Christoph Holzer über aggressive Preise und den Supermarkt als Kommunikationsknotenpunkt.

Das Gespräch führten Johannes Tandl und Peter K. Wagner.
Foto von Arlene Joobes.

::: Hier können Sie das Interview im Printlayout lesen: LINK

Christoph Holzer hat einen dichten Terminkalender. Gleich in der Nähe der Redaktion treffen wir ihn zum Fazitgespräch, im Hof des Universalmuseum Joanneum. Eine Stunde hat er sich für uns Zeit genommen. Durch die Fenster des Innenhofs sieht man alte Gemälde und lange Gänge. Das Licht fällt von mehreren Seiten ein. Ein ruhige, idyllische Stimmung – weit weg vom hektischen Handelsalltag, denkt man sich.

Christoph Holzer kommt mit einem Motorradhelm unter dem Arm, weil er seine innerstädtischen Termine gerne mit der Vespa wahrnimmt, und blickt nach der Begrüßung um sich. »Den Hof kenne ich. Da sind im Winter immer Stände des Weihnachtsmarkts zu finden«, weiß der Geschäftsführer von Spar-Steiermark und Südburgenland. Märkte und Handel scheinen ihm immer allgegenwärtig.

Der 46-jährige Grazer verbrachte seine komplette berufliche Laufbahn bei Österreichs größtem privatem Arbeitgeber und hat die Veränderungen der Lebensmittelhandelsbranche seit Mitte der 1990er live miterlebt. Eine Karriere im Zeichen der Tanne und des Konsumenten.

Herr Holzer, der Name Spar kommt aus dem Niederländischen und ist Akronym eines Mottos, das auf Deutsch so viel heißt wie »Durch einträchtiges Zusammenwirken profitieren alle gleichermaßen«. Gilt dieser Satz heute noch?
Dieses Motto stammt übrigens von Adriaan van Well. Er hatte 1932 die erste Spar-Organisation in Holland gegründet. Die Idee war, dass sich selbstständige Kaufleute und Großhändler zusammenschließen und unter einem Namen arbeiten. Und diese Idee wurde in Österreich begeistert aufgegriffen. Wir sind inzwischen ein Unternehmen mit 1.500 Geschäften in ganz Österreich, 750 davon sind selbstständige Kaufleute. Das Motto stimmt also immer noch. Ob der Satz oder die Tanne zuerst da war, weiß man nicht. Denn »De Spar« heißt auf Holländisch nichts anderes als »die Tanne«. Aber es passt auch die Tanne heute noch, weil wir weiterhin ein wachsender Baum sind. Aus dieser Idee ist die internationale Spar-Organisation entstanden. Die internationale Spar-Welt wird inzwischen aus über 30 Ländern gebildet. So gibt es inzwischen auch Märkte in China. Überall sind es selbstständige Unternehmen, die nicht Teil eines multinationalen Konzerns sind.

Die Ausrichtung der Sparmärkte ist von Land zu Land unterschiedlich. In England gibt es hauptsächlich kleinflächige Supermärkte, in China sehr große. Spar erzielt jedoch nirgends auf der Welt einen so hohen Umsatz wie in Österreich – 2014 waren es 5,9 Milliarden Euro. Warum ist Spar bei uns so stark?
Die unterschiedliche Ausrichtung in den verschiedenen Ländern hängt damit zusammen, woher die regionalen Unternehmen ursprünglich kommen und wie sie sich aufgestellt haben. Wir in Österreich sind aus einem bestehenden Unternehmen entstanden. In Tirol oder Pinzgau begann es etwa mit kleinen Kaufleuten. Anfang der 70er-Jahre kam es in Österreich dann zum Zusammenschluss zur Spar-AG. Es wurde schon damals eine Filialisierung betrieben und dadurch wuchs der Markt bei uns schneller als in anderen Ländern.

Spar investiert viel in neue Filialen. Sind diese Investitionen dafür verantwortlich, dass wir in Österreich so hohe Lebensmittelpreise haben? Wir sind das drittteuerste EU-Land.
Das stimmt nicht. Das Einkaufsverhalten der Konsumenten ist lediglich anders. Wenn man Deutschland und Österreich vergleicht, was die Arbeiterkammer immer wieder macht, dann ist Deutschland ein Land, wo ganz stark auf Kurantpreis (Anm.: Normalpreis) gekauft wird. Der Aktionspreis ist ein österreichisches Phänomen. Wenn man dann alles zusammenrechnet, sind wir auf dem nahezu identen Preisniveau wie unsere nördlichen Nachbarn. Der Unterschied liegt im Bereich von maximal zwei Prozent.

Die Konsumentenschützer behaupten immer wieder, dass es in Österreich eine viel höhere Marktkonzentration gibt als in Deutschland und dass auch das für die Preise verantwortlich ist.
Noch einmal: Die Preise stimmen nicht. Ein seriöser Preisvergleich über Warenkörbe hat ergeben, dass die Preisunterschiede nicht existieren, und der zweite Punkt ist, dass wir als österreichisches Unternehmen mit Anbietern konfrontiert sind, die weit über die österreichischen Grenzen hinaus tätig sind. Internationale Lieferanten definieren für gewisse Länder gewisse Einkaufspreise.

Das Thema Preis führt uns zur Kartellverurteilung gegen Spar aus dem vergangenen Herbst. Drei Millionen Euro betrug die Strafe wegen Preisabsprachen mit Molkereiwaren-Lieferanten. Warum bekämpft Spar dieses Urteil so massiv, anstatt dass man Gras über diese unangenehme Sache wachsen lässt?
Dieses Urteil hat keinerlei Klarheit gebracht, was in einer Beziehung zum Lieferanten gemacht werden darf und was nicht. Wenn ich mit einem Produzenten eine Aktion bespreche, ist es für diesen Anbieter sehr wichtig, dass er weiß, ob sie scharf, mit einem aggressiven Preis, kalkuliert ist. Dadurch weiß er ungefähr, wie hoch unser Bedarf sein wird und welche Mengen er für uns produzieren muss. Sonst kann er die erforderliche Menge ja nicht zur Verfügung stellen. Was jedoch das Gericht gesehen hat, war eine Preismoderation. Ein spannender Begriff, den ich als Rechtsbegriff nicht kenne. Es ist für uns und für die gesamte Branche also noch keine ausreichende Rechtssicherheit vorhanden, daher haben wir Rekurs eingelegt. Dieses ganze Kartellverfahren zeigt nur, dass es eine vollkommene Unklarheit gibt. Eine Behörde hat nun einen Verhaltenskatalog erarbeitet, den man jedoch hinterfragen muss. Was soll dieser Katalog genau sein? Etwa ein Gesetz? Das Ganze hat keine Rechtsqualität und die Rechtslage in Österreich ist sehr ungenau. Wir haben ganz sicher nicht zu Lasten des Konsumenten gehandelt.

Die Marktmacht ist von den Herstellern Richtung Handel gewandert. Auch wenn es Marken gibt, auf die man nicht verzichten kann.
Nein. Die Marktmacht des Handels existiert, wenn überhaupt, bestenfalls gegenüber ein paar untergeordneten Produzenten. Internationale Produzenten haben keine Marktmacht an den Handel verloren. Der österreichische Markt ist im europäischen Konzert sehr klein. Ein Unternehmen wie Spar kann es sich auch gar nicht leisten, etwa Coca-Cola auszulisten. Und das gilt auch für die meisten Marken von Procter & Gamble, Ferrero oder Nestlé. Der Konsument darf sich zu Recht erwarten, dass er diese Produkte bei uns findet.

Laut dem Marktforscher Nielsen und GfK ist Rewe in Österreich der Branchenprimus mit 35 Prozent. Spar liegt mit 30 Prozent dicht dahinter, Hofer liegt bei knapp 20 Prozent. Das klingt doch stark nach Marktkonzentration.
Die es aber so gar nicht gibt. Die Segmentierung ist weit größer. Dank Lidl, MPREIS in Tirol, Sutterlüty in Vorarlberg, Kastner in Niederösterreich oder der C+C-Pfeifer-Gruppe gibt es überall eine Reihe weiterer gut aufgestellter Anbieter.

Warum kommen andere weltweit agierende Unternehmen wie Carrefour oder Tesco nicht in unser Land?
Weil sie sehen, wie intensiv der Wettbewerb ist.

Spar hat verschiedene Marktarten, aber keinen Diskonter – so wie es etwa Rewe mit Penny probiert. Ist das ein Nachteil?
Nein. Wieso soll das ein Nachteil sein? Wir sehen uns als so genannter Vollsortimenter und als Nahversorger und nicht als Diskonter. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken. Als Angebot für diejenigen, die supergünstig einkaufen wollen, haben wir die Linie S-Budget.

»Geiz ist geil« fällt einem dazu ein. Ist das ein österreichisches Phänomen?
Ich würde es so sagen: Der österreichische Konsument ist nach wie vor sehr auf Regionalität bedacht. Die »Bio-Entwicklung« wurde ganz stark geprägt von den Eigenmarken von Rewe und uns. Durch diese Historie bildet »Bio« in Österreich ein weitaus stärkeres Segment als in anderen Ländern. Das Bewusstsein für nachhaltig produzierte Lebensmittle ist wesentlich größer. Man darf den österreichischen Konsumenten also sicher nicht auf »Geiz ist geil« reduzieren.

In Bad Blumau gibt es mit Unterstützung von Spar ein Glashausgroßprojekt der Firma Frutura. Dagegen laufen unter anderem die Landwirtschaftskammer sowie die Grünen Sturm, weil man befürchtet, Spar möchte selbst zum Produzenten werden. Ist das der Plan?
Das ist ein blanker Unsinn. Weil nicht wir dieses Gewächshaus bauen, sondern drei Bauern, die nach wie vor ihre Bauernhöfe in der Region haben. Der Hintergrund ist ganz simpel die Idee der Vollversorgung. In Österreich hat man beispielsweise etwa drei Monate im Jahr Tomaten. Es wird ganz viel in Glashäusern oder in Tunnels produziert, die mit Gas beheizt werden müssen. Die Bauern wollen in Blumau nun die vorhandene geothermische Energie nutzen. Das bringt nicht nur gewaltige Einsparungen im CO2-Bereich, sondern auch frischere und bessere Ware auf unsere Tische. Unsere Kunden wollen nämlich das gesamte Jahr Tomaten und Paprika haben. Entweder man verweigert ihnen das oder man bietet die bestmögliche Ware. Ich bin ein überzeugter Verfechter dieses Projekts. Wir können unseren Kunden frischeres, reifer geerntetes Gemüse bieten. Es werden Arbeitsplätze geschaffen und kein einziger heimischer Bauer wird dadurch gefährdet.

Wie geht man bei Spar mit dem Thema Onlinehandel um? Irgendwann wird er auch im Lebensmittelbereich wichtig werden.
Der Onlinehandel für Lebensmittel liegt in England bereits bei acht Prozent Marktanteil. In Österreich wird man noch lange nicht dort sein, weil es eine hohe Flächendichte an Geschäften gibt – auch weil die Urbanisierung rapide voranschreitet. Die große Herausforderung ist, zu wissen, was der Konsument will. Ist es Hauszustellung? Oder ist es die Zustellung ins Büro? Wir glauben, er will alles. Und wir müssen ihm alles anbieten.

Vor allem für ältere Leute könnte Internetbestellung ein Thema werden.
Zum Beispiel. Wobei wir unsere Verpflichtung eigentlich darin sehen, den Pensionisten die Möglichkeit zu bieten, so lange wie möglich bei uns in den Geschäften einkaufen zu können. Für viele Pensionisten ist der tägliche Einkauf die wichtigste Kommunikationsmöglichkeit. Viele kaufen sogar mehrmals täglich ein. Gerade im ländlichen Bereich, wo es den Gasthof oder die Post nicht mehr gibt. Man erfährt durch den Besuch bei Spar, was im Ort passiert.

Spar ist auch der größte Einkaufszentrenbetreiber Österreichs. Ein steirischer Politiker hat unlängst gesagt: »Wir werden es noch erleben, dass in Seiersberg statt dem Shoppingcenter wieder eine Schottergrube zu finden sein wird.« Das mag überspitzt ausgedrückt sein, aber auch viele Experten glauben, dass der Onlinehandel zu einem Einkaufszentrumsterben führen könnte, wenn die Sonntagsöffnung nicht bald durchgesetzt wird. Glauben Sie das auch?
Den Sonntagseinkauf im Bereich Lebensmittel gibt es. Er ist stärker, als man möchte, weil sich die Lebensgewohnheiten der Menschen verändert haben. Ob es wirklich notwendig ist, noch mehr Angebot zu haben, möchte ich bezweifeln. Auch beim Einkaufszentrum muss ich einschränken: Touristen sehen etwa nicht ein, warum sie am Sonntag in Graz weder ein Handelsangebot noch gastronomische Angebote vorfinden – wobei die beiden Bereiche natürlich unmittelbar miteinander zusammenhängen. Die Menschen wollen auch im Allgemeinen am Wochenende einkaufen – das ist ein großes Argument für Onlineshopping. Es ist bekannt, dass diese Einkaufsart ganz stark am Abend nach der Arbeit oder am Wochenende genutzt wird.

Je weniger Öffnungszeit, desto mehr Onlineshopping? Kann Spar darauf reagieren?
Handel ist Wandel. Wir sind nah am Kunden und wissen zur rechten Zeit, welches Angebot wir machen müssen. Und über Onlineangebote denken wir selbstverständlich nach. Doch die Kunden werden nicht darauf verzichten wollen, im stationären Handel einzukaufen. Davon bin ich überzeugt.

Herr Holzer, vielen Dank für das Gespräch!

Christoph Holzer wurde am 21. Februar 1966 in Graz geboren. Er ist Geschäftsführer von Spar- Steiermark und Südburgenland. Der Magister der Rechtswissenschaften unterbrach sein Studium für eine Erwachsenenlehre als Maschinenbauschlosser und wollte ursprünglich in der Industrie Fuß fassen. Nach seinem Gerichtsjahr in Graz begann er allerdings als Trainee in die Spar-Zentrale in St. Pölten. Er war fünf Jahre als Geschäftsführer von Spar Tirol in Wörgl tätig, ehe er vor drei Jahren nach Graz wechselte. Holzer ist verheiratet und hat ein Kind.

Spar in Östereich Spar-Österreich wurde 1954 gegründet und unterhält heute 2.900 Standorte in Österreich und fünf Nachbarländern, an denen 73.000 Menschen beschäftigt werden. Der Gesamtumsatz des Handelsunternehmens betrug im Jahr 2014 über zwölf Milliarden Euro. Allein in Österreich setzte Spar davon 5,2 Milliarden Euro um und beschäftigt derzeit etwa 36.000 Menschen, was die Supermarktkette zum größten privaten österreichischen Arbeitgeber macht.

Fazitgespräch, Fazit 112 (Mai 2015), Foto: Arlene Joobes

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