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Schluss mit dem täglichen »Haxl stellen«

| 23. Oktober 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 117, Politicks

Der steirische ÖVP-Landesrat Christopher Drexler fordert als Konsequenz aus den Wahlen in der Steiermark, in Oberösterreich und in Wien eine völlig neue Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung. Denn wenn die Regierungsparteien hauptsächlich damit beschäftigt seien, gegen die Vorschläge des jeweils anderen zu opponieren, könnten die Wähler ja gleich der Opposition die Stimmen geben.

::: Hier können Sie das Interview im Printlayout lesen: LINK

Bei der Wiener Landtagswahl sind die SPÖ-Verluste geringer ausgefallen als erwartet. Wie interpretieren Sie das Ergebnis?
Das Wiener Wahlergebnis war vor allem eine herausragende strategische Leistung von 
Michael Häupl.

Und damit hat er gleichzeitig Bundeskanzler Werner Faymann das Überleben gesichert.
Faymann ist ohnehin der meist abgesetzte Spitzenpolitiker, der sich im Amt befindet.

Foto: Teresa Rothwangl

Und die Bundesregierung kann jetzt bis 2018 weitertun wie bisher …
Es muss endlich Schluss sein mit dem täglichen »Haxl stellen« zwischen Bundes-SPÖ und Bundes-ÖVP. Beide Parteien müssen sich darauf besinnen, dass sie eine Regierung bilden. Wenn beide hauptsächlich damit beschäftigt sind, gegenseitig zu opponieren, wird die Versuchung der Wähler groß, gleich der Opposition die Stimme zu geben.

Es macht aber den Eindruck, als ob es keine ausreichende Schnittmenge mehr zwischen SPÖ und ÖVP gäbe, um drei Jahre lang daran arbeiten zu können …
Die Schnittmenge fände sich mit Sicherheit. Dazu müsste man allerdings in beiden Parteien das Mindsetting von Kleinkrämertum auf verantwortungsvolle Regierungsarbeit umstellen. Die Regierung müsste in aller Unaufgeregtheit und ohne enervierendes Gequassel endlich regieren. Sie hat bisher leider nicht vermitteln können, dass sie die Herausforderungen der Republik mit nötiger Entschlossenheit und auch mit nötiger Einigkeit in Angriff nimmt.

Das wichtigste Thema bei der Wienwahl war wie schon zuvor in der Steiermark oder in Oberösterreich die Flüchtlingskrise. Wie kann man mit einem Thema vernünftig umgehen, wenn die Kompetenz ganz wo anders liegt?
Der syrische Bürgerkrieg findet vor der Haustür Europas statt. Und Europa legt die Hände in den Schoß und wartet, was Russland oder die USA tun. Wenn man diese ungeordneten Zustände in seinem nächsten geopolitischen Umfeld zulässt, braucht man sich über Migration nicht zu wundern. Und Gleiches gilt für die desaströsen ökonomischen Verhältnisse in Afrika. In beiden Bereichen ist europäische Politik gefragt. Außerdem müssen vernünftige Partnerschaften mit Jordanien, dem Libanon und der Türkei gefunden werden, um den Flüchtlingsstrom nicht bis nach Europa durch zu lassen.
Ein anderer Teil des Problems ist das Versagen des politischen Managements hier bei uns in Österreich. Es ist einfach unzumutbar, wenn man wochenlang die Bilder vom Elend in Traiskirchen sieht und eine Regierung nicht in der Lage ist, hier Lösungen zu finden. Eine kompetente Regierung würde die Organisation der Asylwerber und der Transitflüchtlinge wesentlich besser in den Griff bekommen.

Aber derzeit wird das Problem doch kleingeredet und fast macht es den Eindruck, als ob die Regierung das so lange weitertreiben will, bis die letzte Turnhalle voller Flüchtlinge ist. Was sagen Sie einer Bevölkerung, die einfach nicht mehr glauben will, dass das alles bewältigbar ist, während der Zustrom ungebrochen anhält?
Es kann natürlich nicht so weitergehen. Ich verstehe das Unbehagen und mir ist klar, dass das politische Management verbessert werden muss. Aber Ich bin zugleich davon überzeugt, dass wir die Asylwerber, die bisher in Österreich geblieben sind, bewältigen werden. Wenn man das seriös angeht, wird man auch die Bevölkerung erkennen, dass das, was bisher geschah, schaffbar ist.

Zurück zu den FPÖ-Erfolgen bei den letzten Wahlen. Ist die FPÖ für Sie eine Partei wie jede andere oder ist sie mit Vorsicht zu genießen, was mögliche Kooperationen angeht?
Man kann mit allen durch demokratische Wahlen in Vertretungskörper gelangte Parteien Partnerschaften eingehen. Wir haben auch schon gemeinsam mit der KPÖ abgestimmt und die würde ich auch nicht als »normale politische Partei« bezeichnen.

Das heißt, eine mögliche Kooperation mit der FPÖ auf Bundes- oder Landesebene wäre für Sie grundsätzlich denkbar? Auch unter Strache?
Grundsätzlich wäre das nichts Besonderes. Aber da so eine Äußerung gerne überinterpretiert wird, muss ich das konkretisieren. Ich habe auch nach der Landtagswahl in der Steiermark bereits am Wahlabend die klare Präferenz für eine Zusammenarbeit mit der SPÖ abgegeben. Gemeinsam mit der SPÖ liefern wir eine stabile und vor allem leistungsfähige Landespolitik ab. Das klappt nicht zuletzt aufgrund der umsichtigen Führung des Landeshauptmannes so gut.

Damit sind wir bei der Steiermark angelangt. Worin unterscheidet sich die jetzige Koalition von der Reformpartnerschaft?
Zuerst hat sie 20 Prozent weniger Wählerzustimmung als Rückhalt. Aber sie hat nach wie vor eine sehr solide Mehrheit und das ist eine Gemeinsamkeit mit der vorigen Periode. Worum es nun geht, ist, jene Reformprojekte zu realisieren, die uns in die Lage versetzen, ab 2017 wieder das Ziel des ausgeglichenen Haushalts zu erreichen und die Steiermark fit zu machen für kommende Jahrzehnte. Wir brauchen Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Forschung, um Wohlstand und Arbeit zu generieren. Wohlstand und Arbeit sind außerdem das beste Mittel gegen oppositionelle Höhenflüge. Die Zusammenarbeit mit der personell völlig erneuerten SPÖ funktioniert übrigens auch auf persönlicher Ebene sehr gut.

Beim Budget ist von einem Abgang von 390 Millionen Euro die Rede, von denen 200 Mio. aus Rücklagen abgedeckt werden sollen, sodass es eine Neuverschuldung von 190 Mio. geben wird. Warum hat man das Ziel des ausgeglichenen Budgets so deutlich verfehlt?
Wir haben 2015 ein Budget ohne Neuverschuldung dargestellt und halten das auch ein. Man darf aber die Begriffe „Neuverschuldung“ und „strukturelles Nulldefizit“ nicht verwechseln. So mussten wir schon heuer 237 Millionen aus der Finanzierungsreserve bedecken, um keine neuen Schulden aufnehmen zu müssen. Die Lage für 2016 gestaltet sich erheblich schwieriger, zumal uns die Steuerreform des Bundes 105 Millionen Euro kostet. Außerdem steigen die Kosten im Sozialbereich und wegen des Investitionsbedarfs auch bei der Gesundheit und Spitälern. Wir sind übereingekommen, das ganze Jahr 2016 intensiv dafür zu nutzen, um jene Maßnahmen auf Schiene zu bringen, die uns in die Lage versetzen, 2017 und 2018 wieder ausgeglichen budgetieren zu können. Manchmal erreicht man seine Ziele auch, indem man zwei Schritte vorwärts und zwischendurch einen zurück setzt.

Durch geschickte Verhandlungen stellt die ÖVP mit Hermann Schützenhöfer nach zehn Jahren wieder den Landeshauptmann. Ich habe gehört, dass auch ausgehandelt sein soll, dass die SPÖ auch einen möglichen Nachfolger von Schützenhöfer mit unterstützen wird. Wie lange, glauben Sie, wird Hermann Schützenhöfer Landeshauptmann bleiben?
Wir sind bei der Landtagswahl um Haaresbreite Zweiter gewesen. In Wahrheit gibt es zwei praktisch gleich starke Regierungsparteien. Hermann Schützenhöfer ist, denke ich, eine der am besten vorbereiteten Persönlichkeiten für dieses herausfordernde und komplexe Amt. Insofern kann ich der Steiermark nur wünschen, dass er möglichst lange Landeshauptmann bleibt. Er ist es ja erst seit dreieinhalb Monaten. Wir sind also noch im Morgengrauen, da ist das Abendrot noch weit weg.

Herr Drexler, vielen Dank für das Gespräch.

Interview, Fazit 117 (November 2015), Foto: Teresa Rothwangl

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