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Regulierter General

| 19. November 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 118, Fazitgespräch

Foto: Marija Kanizaj

Raiffeisen-Steiermark-Generaldirektor Martin Schaller über Regulatoren, Einsparungen und die Zukunft der Regionalbank.

Das Gespräch führten Johannes Tandl und Peter K. Wagner.
Fotos von Marija Kanizaj

::: Hier können Sie das Interview im Printlayout lesen: LINK

Das große Raiffeisengiebelkreuz mit den beiden gekreuzten Pferdeköpfen ist schon von großer Entfernung zu sehen. Vor den Toren von Graz ist der neue Sitz der Raiffeisenlandesbank Steiermark in Raaba  das moderne Wahrzeichen des kleinen Orts.

Nur die Farina-Mühle in wenigen hundert Metern Luftlinie Entfernung erreicht ähnliche Höhen. Von der großen Empfangshalle aus geht es mit dem
Lift ein paar Stockwerke nach oben. Dort erwartet uns Martin Schaller.

Der Oberösterreicher steht der Raiffeisenlandesbank Steiermark seit gut zwei Jahren vor. Von seinem großen Büro überblickt man den das kleine Raaba und sieht ein bisschen in Richtung der Landeshauptstadt. Wir nehmen am großzügigen Besprechungstisch Platz und bekommen eine Stunde Zeit. Für ein Gespräch über die Gegenwart und Zukunft dieser großen steirischen Landesbank.

 

Herr Schaller, normalerweise werden auswärtige Manager in die Steiermark geholt, wenn der Hut brennt. Hat der Hut 2013 in der Raiffeisenlandesbank Steiermark gebrannt, als Sie als Oberösterreicher an deren Spitze wechselten?
Nein, ganz und gar nicht. Ich bin einfach gefragt worden, weil man auf der Suche nach jemandem war, der im Bereich Treasury und Kapitalmarkt Erfahrung hat. Das ist der Bereich, aus dem ich komme und mit dem ich bei der Creditanstalt in Wien quasi aufgewachsen bin und den ich mein Berufsleben lang gemacht habe.

Ihre Vita ist eindeutig. Ihr Vater war RLB-General, Ihr Bruder ist es auch.
Das stimmt. Mein Vater war in der RLB-Oberösterreich Generaldirektor, mein Bruder ist es heute. Ich wollte eigentlich etwas ganz anderes machen und bin zufällig in der Bankenwelt gelandet. Nach meinem Studium habe ich ursprünglich eine Diplomatenkarriere angestrebt. Auch Interessensvertretungen hätten mich interessiert, was an meinem Zweitstudium neben den Handelswissenschaften lag: Politikwissenschaften und Publizistik. Außerdem dachte ich mir eben, dass es schon genug Banker in der Familie gibt. (lacht)

War die Politik auch eine Option?
Nein, weil die Politik ein sehr schwieriges Feld ist, in dem fast kein Platz für das Privatleben bleibt.

Sie kommen aus Oberösterreich und sind in den Wirtschaftsstandort Steiermark gewechselt, der traditionell weniger ökonomische Kräfte bündeln kann. Wie sehen Sie die beiden Bundesländer im Vergleich?
Grundsätzlich sind die beiden Bundesländer sehr ähnlich – ob von der Mentalität oder dem Zugang der Menschen. Und beide Bundesländer haben ihre Stärken. Die Steiermark ist im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie der universitären Ausbildung sehr gut aufgestellt, sogar Spitzenreiter und nahezu Europameister. Oberösterreich ist von seiner geografischen und topografischen Lage in Österreich privilegiert. Die Nähe zu Wien, Salzburg oder Innsbruck mit Zug sowie Auto ist ein großer Vorteil, weil die Infrastruktur eine ganz wesentliche Rolle zur Entwicklung der Wirtschaft spielt. Außerdem ist die Nähe zu Deutschland und Tschechien ebenso von Vorteil. Dort herrscht eine andere wirtschaftliche Dynamik als in Slowenien oder Kroatien.

Die wirtschaftliche Dynamik ist auch für die Regionalbanken ein Stichwort. Wovon wird man als Regionalbank, als welche sich Raiffeisen immer bezeichnet, in der Zukunft leben, wenn die Zinsen gegen Null gehen?
Ich bin überzeugt davon, dass Regionalbanken im Österreich der klein- und mittelbetrieblich strukturierten Wirtschaft eine Zukunft haben. Wenn die KMU das Kettenhemd der Wirtschaft sind, sind wir der Blutkreislauf. Gerade in Zeiten wie diesen, wo andere überlegen, den Markt zu verlassen, sind verlässliche Partner wie wir enorm wichtig. Auch wenn die Ertragssituation aufgrund der konjunkturellen Situation derzeit keine einfache ist. Wir betreuen unsere Kunden konsequent und wissen, dass die Qualität im Service vor Ort wichtig ist. Und das ist auch die Zukunft der Regionalbank.

Die KMU klagen, es gäbe eine Kreditklemme, die Banken sagen, es werden zu wenige Kredite nachgefragt …
… da muss ich widersprechen. Es gibt Statistiken, dass seit dem Jahr 2008 im Schnitt die Kreditvergabe um drei Prozent per anno ansteigt. Weil wir uns noch viel stärker als Kundenbank positionieren wollten, haben wir andere Veranlagungen tendenziell zurückgeführt, damit wir Spielraum für Kreditvergaben haben. Klemme sehen wir derzeit keine.

Sie deuten an, dass es in Zukunft eine Kreditklemme geben könnte. Wovon hängt das ab?
Von den Regularien und der Konjunktur, weil die Investitionsbereitschaft aufgrund der Unsicherheit derzeit sehr niedrig ist. Wenn aber die Konjunktur irgendwann anzieht und die Kreditnachfrage stark ansteigen wird sowie gleichzeitig die Regularien uns noch weiter einschränken und einschnüren, dann kann ich eine Kreditklemme für die Zukunft nicht ausschließen.

Wird in Wahrheit mittlerweile schon vom Regulator entschieden, ob Kredite vergeben werden?
So weit ist es noch nicht, aber natürlich spüren wir die Regularien. Wenn es so weitergeht, ist das ein Horrorszenario, das eintreten kann.

Wie viel Prozent Ihrer Mitarbeiter, die keinen Kundenkontakt haben, sind der Finanzmarktaufsicht verpflichtet?
Es sind alle der Bank und den Kunden verpflichtet. Wir müssen aber immer mehr Regularien einhalten, sodass immer mehr Mitarbeiter mit der Erfüllung der Regularien beschäftigt sind.

Aktuell geistert immer wieder das Wort der alternativen Unternehmensfinanzierung durch die Medien. Crowdfunding hat zum Beispiel schon einige Unternehmungen vorangetrieben. Sehen Sie in solchen neuen Modellen eine Gefahr für die klassische Bank?
Ich stehe diesen Entwicklungen neutral gegenüber. Wenn jemand auf solche Art Eigenkapital generieren kann, ist das sicherlich positiv zu bewerten. Denn nur wenn ausreichend Eigenkapital vorhanden ist, wird erst die Fremdfinanzierung zum Thema. Insofern kann sich das durchaus ergänzen. Ich warne nur davor, dass man hier möglicherweise einen anderen Rechtsrahmen setzt. Bankkunden haben vom Gesetz her – was alles andere als zielführend ist übrigens – einige hundert Seiten an Papierwerk zu durchforsten, bevor sie Geld bekommen.

Sie sprechen auf das Staudinger-Modell und ähnliche Dinge an?
Zum Beispiel. Wir sprechen bei den Banken internationalen immer von einem »Level Playing Field«. Es muss für alle dasselbe Regulativ gelten – auch wenn wir selbst oft der Meinung sind, dass man unsere Risiken nicht gleich hoch bewerten darf wie jene von Investmentbanken. Am Ende des Tages stellt sich jedoch die Frage, was bei alternativen Finanzierungsmodellen geschieht, wenn einmal etwas passiert. Ich sage immer: Der erste Crowdfunder war Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Er hat Kapital aufgetrieben, um es regional oder lokal wiederzuverwenden. Das tun wir auch und man kann es nicht deutlicher veranschaulichen, als dass wir 13,2 Milliarden Ersteinlagen haben in der Raiffeisen-Steiermark und ein Kreditvolumen von 13,3 Milliarden. Wir tun genau dasselbe.

Raiffeisen Steiermark zahlt angeblich 30 Millionen Euro ertragsunabhängige Bankenabgaben. Wie lange ist das verkraftbar?
Ich muss etwas spezifizieren. Für das Jahr 2016 werden wir als Raiffeisenbankengruppe – Landesbank, Hypo und Raiffeisenbanken gesamt – gute 40 Millionen Euro zahlen. Darin enthalten sind Bankenabgaben und ertragsunabhängige Fondsbeiträge wie etwa für den Einlagensicherungsfonds oder den Abwicklungsfonds. Wenn ich im Fünfjahreszeitraum denke, sind das 200 Millionen, die wir gut brauchen könnten, um das geforderte Eigenkapital aufzubauen. Wir befinden uns nämlich sonst vielleicht bald in einer Situation, in der es schwierig werden kann. Wie schwierig, zeigen jene Mitbewerber, die überlegen, den Markt zu verlassen.

Foto: Marija Kanizaj
Was sagen Sie zum möglichen Rückzug mancher Mitbewerber?
Ich kommentiere Mitbewerber grundsätzlich nicht, aber man spürt schon allgemein, dass sich gewisse Gruppen vom österreichischen Bankenstandort zurückziehen wollen. Und das kann wiederum für den österreichischen Wirtschaftsstandort nicht von Vorteil sein. Wir von Raiffeisen sind gekommen, um zu bleiben. Aber es wird nicht einfach.

Es wirkt aber nicht so, als ob ein Ende der Regularien und Einschränkungen in Sicht wäre.
Ich war vor Kurzem in London bei der »European Banking Authority«. Das ist die Oberaufsichtsbehörde über alle europäischen Notenbanken wie der EZB oder der »Bank of England«. Es war erschütternd, dort zu hören, was in den letzten drei Jahren an Regularien eingeführt wurde. Und was noch viel erschütternder war, ist der Plan für die nächsten Jahre. Diese Pläne gehen exponentiell nach oben. Das kann auf Dauer so nicht funktionieren. Deshalb fordern wir ein Sabbatical für die Regulierer, bevor das Regulieren einmal zum Strangulieren wird.

Bei der heurigen Raiffeisen-Steiermark-Jahresversammlung haben Aufsichtsrat-Präsident Wilfried Thoma und Sie klare Worte gefunden. Unter anderem haben Sie dort gesagt: »Die Raiffeisen wird den Kunden von der Peripherie in die Zentren und von den Filialen in das Internet folgen mit allen Konsequenzen für Filialstruktur.« Was bedeutet das konkret?
Das heißt, dass wir es derzeit mit einer Bevölkerungswanderung in zweifacher Hinsicht zu tun haben. Zum einen von der Peripherie in die Ballungszentren, auf der anderen von der analogen in die digitale Welt. Wir definieren uns daher neu – als digitale Regionalbank. Wir werden die »Regionalbank Nummer 1« in der Steiermark bleiben. Mit der größten Bankstellendichte und dem besten Internetauftritt.

Einer Dichte, die dennoch geringer werden wird.
Es gibt Potenzial nach unten, aber ich sage bewusst keine Zahlen. Würde es um ein Drittel weniger sein, wären wir noch immer die Bankengruppe mit der weitaus dichtesten Filialstruktur. Aber das heißt nicht, dass das unser Ziel ist. Dass es dennoch weniger werden, ist damit begründet, dass wir das Standard- und Massengeschäft ins Internet bewegen wollen. Das ist für den Kunden zeitsparend und kostengünstiger – und für die Bank auch. Die Zeit, die wir gewinnen, wollen wir in die Beratung und persönliche Betreuung investieren.

Das bedeutet aber auch Mitarbeiterabbau.
Wir werden unsere Kapazitäten effizient auf die Bedürfnisse unserer Kunden einstellen. Und natürlich wird der Bankensektor nicht zu jenem Zweig gehören, bei dem es zu steigenden Mitarbeiterzahlen kommen wird.

Es gibt in der Obersteiermark »Raiffeisen auf Rädern«, wo in Orte wie in Vordernberg einmal in der Woche die Filiale in einem kleinen Bus zu den Menschen kommt. Ist das die Zukunft?
Raiffeisen auf Rädern ist eines von vielen interessanten Experimenten. Es handelte sich hier teilweise um Standorte, der ohnehin nicht täglich besetzt war. Dort ist jetzt ein Bus unterwegs, in dem dieselben Dienstleistungen in Anspruch genommen werden können wie in einer normalen Filiale. Man wird über einen längeren Beobachtungszeitraum sehen, wie viel Potenzial diese Variante wirklich hat. Der Bus wird gut angenommen. Und dann ist ja da noch der andere Teil der Zukunft: Wir sind schon heute die größte Internetbank der Steiermark. Wir haben 250.000 Onlinebankingnutzer und 100.000 App-Nutzer. Das werden wir auch noch stärker ausbauen und damit den Anspruch an die digitale Regionalbank zu stärken.

Haben Sie auch über Online-Beratung wie bei anderen Banken bereits möglich nachgedacht?
Das ist nicht unser Modell! Wir erachten die persönliche Beratung »face to face« und nicht über den Bildschirm als wichtig und richtig.

Raiffeisen hat mit den lokalen Raiffeisenbanken, den Raiffeisenlandeszentralen auf Bundesländerebene sowie der Raiffeisenzentralbank eine dreiteilige Struktur. Ist die noch zeitgemäß?
Es stimmt natürlich, dass gerade in Zeiten des großen Wandels viele Dinge diskutiert werden. Ich spreche nach außen aber nie über aktuelle interne Diskussionen, sondern kommuniziere nur Entscheidungen. Was ich sagen kann: Wir in der Steiermark als Landesbank verpflichten uns dem Motto der Kooperation mit den Schwesterbanken in den anderen Bundesländern sowie der Raiffeisen-Zentralbank, um auf der Kostenseite Synergien zu erzielen. Wir sind der Meinung, dass wir als Regionalbank stark in der Steiermark verankert bleiben müssen. Die selbstständige Raiffeisen-Bank ist auf der Primärebene das Fundament, auf dem wir stehen.

Bis wann wird über die Form der Umstrukturierungen entschieden?
Wir befinden uns in einem laufenden Prozess. Ich glaube, die Entwicklung wird immer weitergehen. Für die Raiffeisenlandesbank Steiermark steht eine Fusion aber zur Zeit nicht auf der Agenda. Ob das andere Bundesländer anders handhaben, mögen diese entscheiden.

Herr Schaller, vielen Dank für das Gespräch!

 

Martin Schaller wurde 1965 geboren. Nach seinem Studium der Handels- und Politikwissenschaften sowie der Publizistik in Wien trat er 1991 als Trainee bei der Creditanstalt ein. 2001 wechselte er in die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und leitete dort bis 2012 den Bereich Treasury und Financial Markets. Danach wurde er zunächst als Vorstandsmitglied und seit 2013 als Vorstandsvorsitzender in Steiermark geholt. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

Fazitgespräch, Fazit 118 (Dezember 2015), Fotos: Marija Kanizaj

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